Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

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die Verhältnisse bei den benachbarten Divisionen unterrichtet. 
Die infanterislische Unterstützung, die der linke Flügel der 
7. Infanteriedivision bei den Kämpfen im großen Angres- 
wäldchen geleistet hatte, wurde bereits ebenso wie das ge- 
meinsame Handeln des linken Flügels der 123. Infanterie- 
division mit dem rechten der 11. Infanteriedivision in den 
Kämpfen westlich Givenchy erwähnt. Besonders hervor- 
gehoben werden muß noch die wertvolle artilleristische Unter- 
stützung, welche die 7. und 11. Feldartilleriebrigade der 
123. Infanteriedivision leisteten. Beide Brigaden hielten 
sich dauernd durch Fernsprecher oder durch Ordonnanzoffi- 
ziere über die Auffassung der Lage auf dem Laufenden und 
entsprachen allen an sie herantretenden Wünschen für Feuer- 
unterstützung in weitgehendem Maßc. Auch die Verbindung 
der artilleristischen Unterführung der Nachbardivisionen war 
dauernd vorzüglich, so daß oft Anregungen, die von der 
höheren Stelle ausgingen, schon durch unmittelbare Ver- 
ständigung der Unterführer in die Tat übersetzt worden 
waren, ehe der Befehl auf dem Umweg über die vorgesetzten 
Stellen durchgekommen war. 
Die der 123. Infanteriedivision gegenüberstehende feind- 
liche Infanterie gehörte hauptsächlich den Linienregimentern 
43, 45, 109 und 153 sowie den Jägern 1, 31, 34 und 44 
an. Die stürmenden Truppen, die in vorderster Linie an- 
scheinend jeden Tag durch frische Kräfte ersetzt wurden, 
griffen mit großer Wucht und großem Schneid immer von 
neuem an. 
Ganz vorzüglich war die französische Artillerie, die in 
geradezu mustergültiger Weise den Infanterieangriff vor- 
bereitete und unterstützte. Wo die Franzosen Erfolge er- 
rangen, hatten sie es dieser vorzüglichen Vorbereitung, die 
mit Einsatz einer alle Begriffe übersteigenden Munitions= 
menge erfolgte, zu verdanken. 
Abschließend sei noch der Tätigkeit der beiden Bataillone 
III. Bataillon Infanterieregiments 178 und III. Bataillon 
Reserve-Infanterieregiments 106 bei Höhe 70 nordwestlich 
von Lens gedacht. Iweifellos gebührt diesen beiden Batail- 
lonen das Hauptverdienst, den feindlichen Durchbruch dort 
zum Stehen gebracht zu haben. III. Bataillon Reserve-In- 
fanterieregiments 106 nahm an dem denkwürdigen 25. Sep- 
tember 4,30 Uhr nachmittags im Verein mit Resten der 
Regimenter 22, 27 und 26 und im Verein mit III. Batail- 
lon Infanterieregiments 178 die Höhe 70 fest wieder in 
die Hand gegenüber den sich am Nordwesthange eingraben- 
den Engländern. Die sächsischen Truppen unterstanden zu- 
nächst dort den Befehlen der Kommandeure von Reserve- 
Infanterieregiment 22 und Infanterieregiment 183 links 
bzw. rechts der Straße Lens— Hulluch. Vom 1. Oktober 
ab erhielt der sächsische Major v. Seydlitz den Abschnitt der 
Höhe 70, ihm unterstellt III. Bataillon Reserve-Infanterie- 
regiments 106 (ohne 9. Kompagnie, die erst am 3. Oktober 
wieder zum Bataillon kam) und III. Bataillon Infanterie- 
regiments 178. 
Die Verluste in der Zeit vom 25. September bis zum 
J. Oktober, wo die sächsischen Truppen auf Höhe 70 ab- 
gelöst wurden, waren zwar nicht unbeträchtlich, standen 
aber in keinem Verhältnis zu dem Nutzen, den das Ein- 
setzen der frischen Bataillone am Nachmittag des 25. Sep- 
tember für die Gesamtlage gebracht hat. 
Die Gesamtverluste für die Zeit vom 24. bis 29. Sep- 
tember lols betrugen: 
a) Infanterie: 618 Tote (darunter 23 Offiziere), 
2064 Verwundete (darunter 35 Offiziere), 
1555 Vermißte (darunter 30 Offiziere). 
b) Feldartillerie, 16 Verwundete, 
2 Vermißte. 
Im Verhältnie sehr viel größer waren die Verluste, welche 
Reserve-Infanterieregiment 106 am 8. Oktober erlitt, als es 
durch die 3. Infanteriedivision, der es unterstand, bei dem 
deutschen Angriff an der Straße Lens—Bethune eingesetzt 
wurde. Der Angriff dreier deutscher Regimenter, Infanterie= 
regiment 153 rechts, Reserve-Infanterieregiment 106 in der 
Mitte und Infanterieregiment 93 links, führte nicht zum 
Ziel, da es der deutschen Artillerie nicht gelang, die Stel- 
lungen der bunt durcheinander gemischten Franzosen und 
Engländer vorher zu erschüttern. Das Regiment verlor da- 
bei an Toten 4 Offiziere, 32 Unteroffiziere und Mannschaf- 
ten, an Verwundeten 11 Offiziere, Offizierstellvertreter 
und Fähnriche, 237 Unteroffiziere und Mannschaften, außer- 
dem 35 Vermißte. 
Die pünktliche Arbeit des deutschen. Heeresorganismus 
trat auch nach den Herbstkämpfen im Artois wiederum 
in die Erscheinung. Bereits am 3. Oktober erhielten die 
Regimenter 178 und 132 je looo Mann frischen Ersatz 
aus der Heimat. Gleichzeitig traf außerdem die neuerrichtete 
Pionierkompagnie 246 bei der Division ein. 
Auch die Artillerie der Division hatte sich inzwischen 
namhaft verstärkt. Die neugebildete Feldartilleriebrigade 
123 umfaßte die Regimenter 245 und 246 zu je fünf Bat- 
terien. 
Seine Majestät der König, der am s. Oktober telegra- 
phisch seinen Dank und seine Anerkennung der Division für 
ihren Heldenkampf im September auggesprochen hatte, ver- 
teilte persönlich am 13. November zahlreiche Orden und 
Ehrenzeichen an die tapfere Division. Tags darauf streute 
die feindliche Artillerie, welche scheinbar sofort Kunde von 
dem hohen Besuch erhalten hatte, die ganze Gegend — 
glücklicherweise verspätet — mit verschwenderischem Feuer ab. 
Nach kurzer Erholung, während welcher Angriffe der 
Franzosen am 8. Oktober und ein englischer Gasangriff am 
13. Oktober Alarmierungen der Dinvision herbeiführten, 
wurde die Division Mitte Oktober wieder in dem Abschnitt 
bei Wervicq eingesetzt. Sie unterstand hier zunächst dem 
II. bayerischen Armeekorps, vom 23. Oktober ab trat sie 
dann endgültig zu der Gruppe und unter den taktischen 
Oberbefehl des Generals der Kavallerie v. Laffert (XIX. Ar- 
meekorps, 117. und 123. Infanteriedivision). 
Der Nest des Jahres lols verging in reger Tätigkeit 
beim Ausbau der Stellungen, wobei die wertvollen Erfah- 
rungen der schweren Herbstkämpfe volle Verwertung fanden. 
Dabei traten fortgesetzt durch das unermüdliche feindliche 
Artilleriefeuer unvermeidliche Verluste ein. 
Am 25. Oktober sprengten die Pioniere der 123. In- 
fanteriedivision bei St.-Eloi (Skizze 26) einen Minenstollen 
dicht vor der englischen Stellung, dessen gewaltiger Trichter 
geraume Zeit hindurch den Zankapfel beider Parteien bildete 
und empfindliche Verluste im Handgranatenkampf auf bei- 
den Seiten herbeiführte. 
Anfang November füllte Regen und steigendes Grund- 
wasser die Schanzgräben fast völlig aus. Die Bekämpfung 
des Wassers nahm die ganze Tatkraft der Führung und 
der Truppe dauernd in Anspruch. Auf allen Gebieten brachte 
die nie ruhende Fürsorge der Armeeleitung den Truppen 
Erleichterung und neue Hilfsmittel. Immer dichter wurde 
das Nachrichten= und Beobachtungsnetz über dem ganzen 
Kampfgebiet entwickelt. Gerade darin war von den Gegnern, 
die hierin seit Kriegsbeginn sich als Meister erwiesen hatten, 
auch auf deutscher Seite viel gelernt worden.
	        
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