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versuchs. Gerade auf dessen Erfolg mußte der französische
Oberste Befehlshaber mit Zurersicht gerechnet haben, denn
am Nachmittag dieses Tages hatte er sogar die zur Voll-
endung des Durchbruchs bereitgestellten Kavalleriemassen
bis in die Gegend dicht südlich Souain, also bis auf wenige
Kilometer an die deutschen Linien heranrücken lassen, woa
sie alsbald alo nutzloses Opfer unter der Wirkung der
deutschen Geschütze zusammenbrachen.
Aber noch gab Joffre seine Sache nicht verloren. In
den nächsten Tagen gelang es, die nötige Artillerie vor-
wärts in neue Stellungen zu bringen. Die kampfenmüden
Sturmtruppen wurden durch frische, neue Regimenter er-
setzt und während dieser Zeit die erschöpften deutschen Ver-
teidiger durch unermüdliche Teilangriffe in Atem gehalten.
So nahte unter Tags und Nachts unausgesetztem Kampfe
der 4. Oktober. Bis dahin waren nach dem Bogen um
Souain, wo seit dem 25. September das verhältnismäßig
größte Geländestück von den Franzosen nach vorwärts
gewonnen war, etwa 60 französische Batterien vorgezogen
worden. Ihr Feuer steigerte sich stetig bis zum Mittag
des *. Oktober und richtete die Hauptwirkung gegen die
hervorragendsten Punkte der deutschen Front. Hinter diesen
waren inzwischen rechtzeitig die deutschen Reserven be-
reitgestellt worden, während die deutsche Artillerie erfolg-
reich die französischen Sturmgräben überschüttete. Nur
an wenigen Stellen kam der französische Angriff überhaupt
zur Ausführung, auf weiten Zwischenfronten bielt das deut-
sche Sperrfeuer die Franzosen in ihren Gräben fest.
Der 6. Oktober sah nochmals erneute französische Sturm-
versuche, erneute Niederlagen, Teilerfolge nur an zwei
sechmalen Stellen. Der Abend dieses Tages blickte auf das
Ende der französischen Herbstoffensive. Vergebens versuchten
die Franzosen auch in der nächsten Zeit noch vorgeschobene
deutsche Stellungsteile in umfassenden, überfallartigen
Sturmversuchen zu nehmen. Dagegen gelang es den Deut-
schen, einzelne für die sichere Behauptung der eigenen
Stellung notwendige Höhen in den folgenden Wochen
zurückzuerobern, so am Jo0. Oktober den mächtigen Rücken
nordwestlich von Tahure, die „Butte de Tahure“ und
am 3. November die nicht minder wichtige Höhe 199
nördlich Massiges und auf der Sachsenfront das sogenannte
Franzosennest im Bereich der 24. Reservedivision. —
Nach dieser allgemeinen Darstellung der Schlacht gebe
ich den Hauptinhalt der Tagebücher der an der Abwehr
des französischen Niesenangriffes hauptsächlich beteiligten
sächsischen Truppenteile wieder. Unmittelbar nach den ein-
zelnen Kampftagen und unter deren Eindruck nieder-
geschrieben, bilden sie in ihrer Schlichtheit das herrlichste
Denkmal für die sächsischen Champagnekämpfer.
Die Sachsen in der Herbstschlacht
Der 22. September
Vor der ganzen Front des Xll. Reservekorps schwoll
am 22. September das feindliche Artilleriefeuer viermal,
kurz nach 7 Uhr Lormittags, 9 Uhr vormittags, * Uhr
nachmittags und 1 Uhr nachts zum Trommelfeuer an.
Von da ab dauerte es ohne Unterbrechung Tag und Nacht
an. Gleich bei seinem Beginn wurden innerhalb von * Mi-
nuten durchschnittlich 800 Schuß gezählt. Das französische
Artilleriefeuer richtete sich gegen die Schützengräben, Ver-
bindungowege, rückwärtigen Stellungen, Straßen, Bahnen
und Ortschaften hinter der Front. Der Verkehr war allent-
halben austerordentlich erschwert. Die Gräben waren jetzt
schon fast ganz verschüttet, die Drahthindernisse zerstört.
An ihrer Wiederherstellung wurde trotz des feindlichen
Feuers Tag und Nacht mit Todesverachtung gearbeitet.
Die Verluste dieses Tages betrugen 07 Tote und Ver-
wundete. Das ist auffallend wenig gegenüber den 150 000
Artilleriegeschossen, welche die feindliche Artillerie in den
letzten 24 Stunden verfeuert hatte. Sächsischerseits waren
nur 3678 Artillerieschüsse abgegeben worden.
Der 23. September
Beim Morgengrauen versuchte französische Infanterie
aus ihren Gräben vorzugehen, ein kurzes Sperrfeuer der
Artillerie der 24. Reservedivision hielt sie dort zurück.
Die Fernsprechleitungen waren jetzt schon fast sämtlich
zerschossen. Die Brücken bei St. Souplet und Pont-Faverger
lagen dauernd unter dem Feuer der schwersten Kaliber,
ebenso die Bahnlinie, auf der Verstärkungen an Menschen,
Geschütz und Munition herankommen sollten. Auch die
übrige Verbindung hinter der Front war ungemein er-
schwert. Heute trafen die ersten schweren Batterien (III. Fuß-
artillerieregiment 14) ein. Die Verluste nahmen zu mit der
zunehmenden Beschädigung der Kampfstellung. Die 23. Re-
servedivision meldete 6 Tote, 18 Verwundete, die 24. Re-
servedivision 31 Tote und 96 Verwundete.
Sechs französische Fesselballons leiteten das feindliche
Feuer. Es herrschte rege Fliegertätigkeit. 5 Uhr nach-
mittags überflogen zehn französische Flieger die Stellung
in Richtung auf Vouziers, wo sie das Oberkommando der
dritten Armee wußten.
In der Stellung des Reserve-Infanterieregiments 104
waren durch Artilleriefeuer und schwere Minen sogar sechs
bergmännisch hergestellte Unterstände eingedrückt worden.
Das Fronthindernis war fast überall zerstört. Auch die
Stellungen der Reserve-Infanterieregimenter 107 und 133
hatten stark gelitten. Der Feind gab an diesem Tag etwa
90 o000 Schuß allein auf den Abschnitt der 24. Reserve-
division ab. Die deutsche Artillerie, welche ihre Munition
für die Stunde der Entscheidung aufsparen mußte, ant-
wortete nur mit 4832 Schuß.
Der 24. September
Seit 6,30 Uhr vormittags lag wieder Trommelfeuer
auf der ganzen Stellung des XII. Reservekorps. In den
französischen Gräben hörte man die Rufe: Hurra, Alle-
magne kaput! An die Stellung von Reserve-Infanterie-
regiment 133 versuchten tapfere Franzosen kriechend heran-
zukommen. Sie wurden vernichtet.
Die Stimmung der vordersten sächsischen Linie war
ausgezeichnet, wachsam, ruhig, siegessicher. Leute, die die
Nacht über vorn gearbeitet hatten, gaben bei der Rück-
sendung ihrem Bedauern laut Auesdruck, daß sie nicht auch
am Tage vorn helfen durften.
Den ganzen Tag über hielt das stärkste feindliche Feuer
an. Schätzungsweise sind an diesem Tage 120 doo Schuß
allein gegen die Stellung der 24. Reservedivision abgegeben
worden. Gegen 3 Uhr und 6 Uhr nachmittags schwoll
das feindliche Feuer wieder zum Trommelfeuer an. Die
vorzügliche Unterstützung der feindlichen Artillerie durch ihre
Flieger bewirkte, daß mehrere schwere deutsche Batterien
niedergekämpft wurden.
Aber alle Angriffsversuche, insbesondere diejenigen von
schwarzen Franzosen gegen 7 Uhr abends, hielt das kurze,
stets rechtzeitig einsetzende Sperrfeuer unserer Artillerie
nieder.
Aubérive und Vaudesincourt brannten. Meldegänger be-
richteten, daß die vorderste Linie fast eingeebnet und das
Fronthindernis zerstört sei. Die Verluste sollten dank der
Festigkeit der zahlreichen bergmännischen Unterstände ver-
hältnismäßig gering sein. Bei Reserve-Infanterieregiment
107 waren durch französische Gasmunition 17 Mann
kampfunfähig geworden. Mit den Reserve-Infanterieregi-