Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

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versuchs. Gerade auf dessen Erfolg mußte der französische 
Oberste Befehlshaber mit Zurersicht gerechnet haben, denn 
am Nachmittag dieses Tages hatte er sogar die zur Voll- 
endung des Durchbruchs bereitgestellten Kavalleriemassen 
bis in die Gegend dicht südlich Souain, also bis auf wenige 
Kilometer an die deutschen Linien heranrücken lassen, woa 
sie alsbald alo nutzloses Opfer unter der Wirkung der 
deutschen Geschütze zusammenbrachen. 
Aber noch gab Joffre seine Sache nicht verloren. In 
den nächsten Tagen gelang es, die nötige Artillerie vor- 
wärts in neue Stellungen zu bringen. Die kampfenmüden 
Sturmtruppen wurden durch frische, neue Regimenter er- 
setzt und während dieser Zeit die erschöpften deutschen Ver- 
teidiger durch unermüdliche Teilangriffe in Atem gehalten. 
So nahte unter Tags und Nachts unausgesetztem Kampfe 
der 4. Oktober. Bis dahin waren nach dem Bogen um 
Souain, wo seit dem 25. September das verhältnismäßig 
größte Geländestück von den Franzosen nach vorwärts 
gewonnen war, etwa 60 französische Batterien vorgezogen 
worden. Ihr Feuer steigerte sich stetig bis zum Mittag 
des *. Oktober und richtete die Hauptwirkung gegen die 
hervorragendsten Punkte der deutschen Front. Hinter diesen 
waren inzwischen rechtzeitig die deutschen Reserven be- 
reitgestellt worden, während die deutsche Artillerie erfolg- 
reich die französischen Sturmgräben überschüttete. Nur 
an wenigen Stellen kam der französische Angriff überhaupt 
zur Ausführung, auf weiten Zwischenfronten bielt das deut- 
sche Sperrfeuer die Franzosen in ihren Gräben fest. 
Der 6. Oktober sah nochmals erneute französische Sturm- 
versuche, erneute Niederlagen, Teilerfolge nur an zwei 
sechmalen Stellen. Der Abend dieses Tages blickte auf das 
Ende der französischen Herbstoffensive. Vergebens versuchten 
die Franzosen auch in der nächsten Zeit noch vorgeschobene 
deutsche Stellungsteile in umfassenden, überfallartigen 
Sturmversuchen zu nehmen. Dagegen gelang es den Deut- 
schen, einzelne für die sichere Behauptung der eigenen 
Stellung notwendige Höhen in den folgenden Wochen 
zurückzuerobern, so am Jo0. Oktober den mächtigen Rücken 
nordwestlich von Tahure, die „Butte de Tahure“ und 
am 3. November die nicht minder wichtige Höhe 199 
nördlich Massiges und auf der Sachsenfront das sogenannte 
Franzosennest im Bereich der 24. Reservedivision. — 
Nach dieser allgemeinen Darstellung der Schlacht gebe 
ich den Hauptinhalt der Tagebücher der an der Abwehr 
des französischen Niesenangriffes hauptsächlich beteiligten 
sächsischen Truppenteile wieder. Unmittelbar nach den ein- 
zelnen Kampftagen und unter deren Eindruck nieder- 
geschrieben, bilden sie in ihrer Schlichtheit das herrlichste 
Denkmal für die sächsischen Champagnekämpfer. 
Die Sachsen in der Herbstschlacht 
Der 22. September 
Vor der ganzen Front des Xll. Reservekorps schwoll 
am 22. September das feindliche Artilleriefeuer viermal, 
kurz nach 7 Uhr Lormittags, 9 Uhr vormittags, * Uhr 
nachmittags und 1 Uhr nachts zum Trommelfeuer an. 
Von da ab dauerte es ohne Unterbrechung Tag und Nacht 
an. Gleich bei seinem Beginn wurden innerhalb von * Mi- 
nuten durchschnittlich 800 Schuß gezählt. Das französische 
Artilleriefeuer richtete sich gegen die Schützengräben, Ver- 
bindungowege, rückwärtigen Stellungen, Straßen, Bahnen 
und Ortschaften hinter der Front. Der Verkehr war allent- 
halben austerordentlich erschwert. Die Gräben waren jetzt 
schon fast ganz verschüttet, die Drahthindernisse zerstört. 
An ihrer Wiederherstellung wurde trotz des feindlichen 
Feuers Tag und Nacht mit Todesverachtung gearbeitet. 
Die Verluste dieses Tages betrugen 07 Tote und Ver- 
wundete. Das ist auffallend wenig gegenüber den 150 000 
Artilleriegeschossen, welche die feindliche Artillerie in den 
letzten 24 Stunden verfeuert hatte. Sächsischerseits waren 
nur 3678 Artillerieschüsse abgegeben worden. 
Der 23. September 
Beim Morgengrauen versuchte französische Infanterie 
aus ihren Gräben vorzugehen, ein kurzes Sperrfeuer der 
Artillerie der 24. Reservedivision hielt sie dort zurück. 
Die Fernsprechleitungen waren jetzt schon fast sämtlich 
zerschossen. Die Brücken bei St. Souplet und Pont-Faverger 
lagen dauernd unter dem Feuer der schwersten Kaliber, 
ebenso die Bahnlinie, auf der Verstärkungen an Menschen, 
Geschütz und Munition herankommen sollten. Auch die 
übrige Verbindung hinter der Front war ungemein er- 
schwert. Heute trafen die ersten schweren Batterien (III. Fuß- 
artillerieregiment 14) ein. Die Verluste nahmen zu mit der 
zunehmenden Beschädigung der Kampfstellung. Die 23. Re- 
servedivision meldete 6 Tote, 18 Verwundete, die 24. Re- 
servedivision 31 Tote und 96 Verwundete. 
Sechs französische Fesselballons leiteten das feindliche 
Feuer. Es herrschte rege Fliegertätigkeit. 5 Uhr nach- 
mittags überflogen zehn französische Flieger die Stellung 
in Richtung auf Vouziers, wo sie das Oberkommando der 
dritten Armee wußten. 
In der Stellung des Reserve-Infanterieregiments 104 
waren durch Artilleriefeuer und schwere Minen sogar sechs 
bergmännisch hergestellte Unterstände eingedrückt worden. 
Das Fronthindernis war fast überall zerstört. Auch die 
Stellungen der Reserve-Infanterieregimenter 107 und 133 
hatten stark gelitten. Der Feind gab an diesem Tag etwa 
90 o000 Schuß allein auf den Abschnitt der 24. Reserve- 
division ab. Die deutsche Artillerie, welche ihre Munition 
für die Stunde der Entscheidung aufsparen mußte, ant- 
wortete nur mit 4832 Schuß. 
Der 24. September 
Seit 6,30 Uhr vormittags lag wieder Trommelfeuer 
auf der ganzen Stellung des XII. Reservekorps. In den 
französischen Gräben hörte man die Rufe: Hurra, Alle- 
magne kaput! An die Stellung von Reserve-Infanterie- 
regiment 133 versuchten tapfere Franzosen kriechend heran- 
zukommen. Sie wurden vernichtet. 
Die Stimmung der vordersten sächsischen Linie war 
ausgezeichnet, wachsam, ruhig, siegessicher. Leute, die die 
Nacht über vorn gearbeitet hatten, gaben bei der Rück- 
sendung ihrem Bedauern laut Auesdruck, daß sie nicht auch 
am Tage vorn helfen durften. 
Den ganzen Tag über hielt das stärkste feindliche Feuer 
an. Schätzungsweise sind an diesem Tage 120 doo Schuß 
allein gegen die Stellung der 24. Reservedivision abgegeben 
worden. Gegen 3 Uhr und 6 Uhr nachmittags schwoll 
das feindliche Feuer wieder zum Trommelfeuer an. Die 
vorzügliche Unterstützung der feindlichen Artillerie durch ihre 
Flieger bewirkte, daß mehrere schwere deutsche Batterien 
niedergekämpft wurden. 
Aber alle Angriffsversuche, insbesondere diejenigen von 
schwarzen Franzosen gegen 7 Uhr abends, hielt das kurze, 
stets rechtzeitig einsetzende Sperrfeuer unserer Artillerie 
nieder. 
Aubérive und Vaudesincourt brannten. Meldegänger be- 
richteten, daß die vorderste Linie fast eingeebnet und das 
Fronthindernis zerstört sei. Die Verluste sollten dank der 
Festigkeit der zahlreichen bergmännischen Unterstände ver- 
hältnismäßig gering sein. Bei Reserve-Infanterieregiment 
107 waren durch französische Gasmunition 17 Mann 
kampfunfähig geworden. Mit den Reserve-Infanterieregi-
	        
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