Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

derste Kampflinie fest in seiner Hand. Nur der linke 
Flügel des Reserve-Infanterieregiments 107 wurde bis an 
die Stützpunktstellung zurückgedrängt. Hier war die Infan= 
terie auf sich allein angewi-sen, denn die ösiliche Artillerie= 
gruppe war durch überwältigendes Artilleriefeuer nieder- 
gekämpft und bonnte nur noch mit einzelnen Geschützen 
dem Feinde antworten. Die westliche Artilleriegruppe da- 
gegen vermochte im Verein mit Batterien der 23. Reserve- 
division der Infanterie des rechten Flügels vorzügliche 
Unterstützung zu gewähren. Die auf dem Balkon ein- 
gebauten Minenwerfer und leichten Geschütze alter Art 
kämpften, soweit sie nicht zerstört oder verschüttet waren, 
bis zuletzt. Sie fielen schließlich, unbrauchbar gemacht, in 
Feindeshand. 
12 Uhr mittags ließ die Division auf Befehl des General= 
kommandos ihre Reservestellung durch 3 Kompagnien des 
Rekrutendepots, durch die Maschinengewehrabteilung (fran- 
zösische Maschinengewehre) der Reserve-Jäger 12 und durch 
eine zur Verfügung gestellte Rekrutenkompagnie der 23. 
Reservedivision besetzen. 
1,40 Uhr nachmittags meldete Reserve-Infanterieregi- 
ment 107, daß der Feind in den Stützpunktwald ein- 
gedrungen und daß das rückwärtige Gelände durch Gas- 
feuer gesperrt sei. Zwei daraufhin zur Wiedereroberung 
unternommene Handgranatenangriffe des Reserve-Infan= 
terieregiments 107 mißglückten, da sie mit zu schwachen 
Kräften gegen eine erdrückende Uberlegenheit geführt werden 
mußten. Die Division verfügte aber über keine weiteren 
Reserven. Ihre insgesamt 11 Bataillone waren bis auf 
den letzten Mann eingesetzt. Eine Kompagnie aus Vaudesin- 
court vom Reserve-Infanterieregiment 102 der 23. Reserve- 
division wurde der Division zur Verfügung gestellt und 
gegen 3 Uhr nachmittags dem Reserve-Jägerbataillon 13 
unterstellt, als sich der Feind vor Aubérive erneut zum 
Angriff bereitstellte. 
Die ersten Abteilungen der in Aussicht gestellten Unter- 
stützungen konnten erst am Nachmittag bei dem Gefechts- 
stand der Division eintreffen. Wann von dort aus diese 
Unterstützungen durch das auf dem Py-Grund liegende 
Sperrfeuer nach vorn gelangen konnten, war nicht zu be- 
rechnen. Die Lage wurde äußerst kritisch. Der Feind führte 
auf der ganzen Front immer neue Kräfte zum Angriff 
vor, und immer mehr feindliche Batterien wurden nach 
vorwärts gezogen. Sie brachen aber ebenso wie die später 
vorgehende feindliche Kavallerie im Feuer der sächsischen 
Infanterie zusammen. In allen Abschnitten der Division 
leisteten die durch das überwältigende Feuer der letzten Tage 
und durch die Entbehrung an Nahrung und Schlaf er- 
schöpften Truppen Übermenschliches. 
Erst am Spätnachmittag und in der Nacht trafen, mit 
Kraftwagen und durch Fußmarsch herangeholt, die ersten 
Verstärkungen ein. Sie wurden von der Division bataillons- 
weise schnell an die bedrohtesten Punkte in den Abschnitten 
der Reserve-Infanterieregimenter 107 und 133 geworfen, 
um den direkten Durchbruch zu verhindern. Dieser stand 
in bedrohlicher Nähe schon allein infolge des Erfolgs der 
feindlichen übermächtigen Artillerie. Ihr Feuer hatte in 
kürzester Zeit die an Zahl so vielfach unterlegene Artillerie 
des linken sächsischen Abschnittetn niedergekämpft, von den 
feindlichen Fliegern dabei auf das wirksamste unterstützt. 
Das feindliche Feuer mußte fast unbeantwortet bleiben. Die 
starke französische Infanterie hätte nunmehr zweifellos die 
künneen Linien der Sachsen mit ihren Massen durchbrechen 
önnen. 
Die Lage der sächsischen 24. Reservedivision war um 
so kritischer, als bereits 2 Uhr nachmittags der Generalstabs- 
offizier der links anschließenden Division v. Liebert mit- 
geteilt hatte, daß bis auf Reserve-Infanterieregiment 103 
auf dem rechten Flügel, von dem keine genaue Nachricht 
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vorhanden sei, die Oivision die Reservestellung eingenommen 
hätte. Diese lag fast 4 Kilometer hinter dem linkben Flügel 
der 24. Reservedivision. 
Außerdem war auch Reserve-Infanterieregiment 107 
durch die erneut einsetzenden französischen Angriffe bis 
7 Uhr abends in die Zwischenstellung schrittweise zurück- 
gedrängt worden, nachdem das Regiment auf einige hundert 
Mann zusammengeschmolzen war. 
Trotzdem blieb der Divisionskommandeur fest entschlos- 
sen, seine Stellungen zu behaupten und nahm in Aussicht, 
die vordersten Gräben des Reserve-Infanterieregiments 107 
und des rechten Flügels Reserve-Infanterieregiments 133 
mit den eingetroffenen und in Aussicht gestellten Verstär- 
kungen noch in der Nacht wieder zu nehmen. Hierzu wurden 
die eintreffenden Verstärkungen: II. Landwehr-Infanterie- 
regiment 104 und 2. Kompagnie Infanterieregiment 184 
dem Reserve-Infanterieregiment 133, II. Grenadierregiment 
109 dem Reserve-Infanterieregiment 107 zugeführt und der 
48. Reserve-Infanteriebrigade 38 Uhr abends der Befehl 
erteilt, durch einen von beiden Flanken angesetzten Angriff 
die alte Stellung des Reserve-Infanterieregiments 107 
wiederzunehmen. Bevor dieser Befehl zur Ausführung ge- 
langen konnte, traf 10 Uhr abends ein Befehl des General- 
kommandos ein, auß dem hervorging, daß die ganze linke 
Nachbardivision v. Liebert in die Reservestellung 4 Kilometer 
hinter dem linken Flügel der 24. Reservedivision zurück- 
gegangen sei. Der Division wurde befohlen, den linken 
Flügel in die Zwischenstellung derart zurückzunehmen, daß 
Anschluß an die Division v. Liebert erreicht würde. Die 
Ausführung dieses Befehls vollzog sich auf Grund des 
entsprechenden Divisionsbefehls in der Nacht bis 4 Uhr 
morgens ohne Störung durch den Feind. Der völlig allein- 
stehende linke Flügel der Division, das ruhmreiche II. 
Bataillon des Reserve-Infanterieregiments 133, baute erst 
am 26. September 2,30 Uhr vormittags ab. Ecs hatte seine 
ganze Stellung gehalten, auch nachdem der Feind das 
Bataillon von beiden Seiten umfaßt und zum Teil von 
rückwärts angegriffen hatte. Bei der Abwehr dieser Angriffe 
hatte das II. Bataillon Reserve-Infanterieregiments 133 noch 
200 Gefangene gemacht. 
Außer den oben erwähnten Verstärkungen waren bieher 
eingetroffen und wurden eingesetzt: 
II. Bataillon Infanterieregiments 40, dem Reserve-Infan- 
terieregiment 104 unterstellt; 
1 Zug 2. Batterie Reserve-Feldartillerieregiment 24, 
1 Zug §. Batterie Feldartillerieregiment 64, 
1 Zug 6. Batterie Feldartillerieregiment 14, 
dem Reserve-Feldartillerieregiment 40 unterstellt; 
3. Kompagnie Pioniere 14, dem Reserve-Infanterie- 
regiment 107 unterstellt. 
Das der Division am Nachmittag als erste Unterstützung 
zur Verfügung gestellte und von der Diovision durch ein 
Führerkommando zum Reserve-Infanterieregiment 133 in 
Marsch gesetzte Bataillon Infanterieregiments 184 war auf 
dem Wege dorthin von der Division v. Lebert wegen seiner 
ernsten Lage herangezogen und dort eingesetzt worden. 
Am 26. September s Uhr morgens hatte die Division 
durch die eingegangenen Meldungen die Gewißheit erlangt, 
daß der französische Durchbruch auf ihrer Gesamtfront 
völlig gescheitert war: Reserve-Jäger 13 und Reserve- 
Infanterieregiment 104 hatten ihre vordersten Stellungen, 
bis auf ein Franzosennest, fest in der Hand; Reserve- 
Infanterieregiment 107 und Reserve-Infanterieregiment 
133 hielten befehlsgemäß die Zwischenstellung. Der An- 
schluß an die Division v. Liebert in ihrer neuen Reserve- 
stellung war erreicht. Der Kommandcur deo Reserve-Infan- 
terieregiments lo4 hatte im Anschluß an den rechten Flügel 
des Reserve-Infanterieregiments 107 den linken Annähe- 
rungsgraben als Riegelstellung besetzen lassen.
	        
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