Die Sachsen an der Ostfront
Überblick über die Kriegslage der Mittelmächte bei
Beginn des Jahres 1915
Im Osten waren den Heeren der Mittelmächte für das
Jahr 1915 die im folgenden näher umschriebenen Ziele
vorgezeichnet. Im Gegensatz zum Westen bahnte sich mit
der Jahreswende im Osten ein großer Umschwung all-
mählich an. Die russische Uberzahl verminderte sich durch
die bisherige unsinnige Menschenvergeudung bei den russi-
schen Winterangriffen in den Karpathen, in Polen und an
der Ostpreußenfront allmählich derart, daß die Mittelmächte
im Kriegsjahr lo##s ihrerseits zum Angriff übergehen und
— entgegen dem ursprünglichen Kriegsplan — als Ziel
ins Auge fassen konnten, nunmehr zuerst die russische Heeres-
macht vollständig niederzukämpfen.
Das russische Dreimillionenheer stand beim Jahrecende
1914 auf einem Bogen von 1200 km Frontbreite, auf
den Flügeln durch Gelände und Truppenzahl am wenigsten
stark. Das forderte den Versuch zu einer Niesenumklamme-
rung dieses Riesengebildes von Kriegsheer direkt heraus.
Es gelang den Mittelmächten tatsächlich, bis zum Sep-
tember lg15 durch Druck auf beide russische Heereoflügel
die russischen Massen allmählich zusammenzupressen, in
zahlreichen Teilschlachten zu zerstückeln und schließlich die
letzten Trümmer hinter die polnische Ostgrenze ins eigent-
liche Rußland zurückzuwerfen. -
Dem Generalfeldmarschall Hindenburg, seit dem Polen-
feldzug Oberbefehlshaber Ost, fiel dabei die Aufgabe zu,
die Russenmacht nördlich der Weichsel zu vernichten, die
dortige Festungsfront zu erobern, die Nordflanke der Mittel-
mächte gegen Bedrohung zu Wasser und zu Lande zu schüt-
zen und neu auftretende Feldheere der Russen zu schlagen
bzw. zur Vernichtung nach der Mitte der gewaltigen Zange,
zu der die Heere der Mittelmächte ansetzten, zusammen-
zutreiben.
Nur das Letzte, das Weltwendencannae, die Vernichtung
des russischen Riesenvolksheeres innerhalb eines einzigen
Kampfraumes ist nicht gelungen. Die Russen, für Rück-
zugstechnik verblüffend begabt, hatten das Ausreißen
schon im ersten Kriegsjahr bis zur Vollendung gelernt.
Ihre Trümmer entschwanden im Herbst lg## hinter Sumpf
und Urwald rechtzeitig dem letzten Druck der deutschen Jange.
Innerhalb des Befehlsbereichs des Generalfeldmarschalls
von Hindenburg werden wir demgemäß zu betrachten haben
1. die Vernichtung der Russenfeldheere an der Nordwest-
front, beginnend mit der Winterschlacht in Masuren,
2. die Bezwingung der russischen Grenzfestungen nörd-
lich der Weichsel,
3. die Eroberung von Kurland,
4., den Endkampf im Raume von Wilna.
An allen diesen Kämpfen haben Sachsen teilgenommen,
von größeren Verbänden insbesondere die 58. Infanterie-
division an der Bewältigung der Narewfront, die Landwehr-
infanteriebrigade Graf Pfeil an der Erstürmung der Fort-
festung Nowo Georgiewsb, die sächsische Kavalleriedivision
an der Eroberung von Kurland und schließlich die s8. In-
fanteriedivision und die Brigaden v. Zenker und Graf Pfeil
Lan der riesigen Herbstschlacht um Wilna.
Die 8. Kavalleriedivision zu Anfang des Jahres 1915
(Siehe Skizze 35)
Wir haben die 8. Kavalleriedivision bei Jahresschluß in
Polen verlassen, bemüht, die Schäden zu beheben, welche
§ Monate unerhörter Anstrengungen im Bewegungskriege
zurückgelassen hatten.
Noch auf lange Monate hinaus sollten Mann und Pferd
nicht Nuhe finden. Der Feldherr des Ostens dachte nicht
daran, auch nur vorübergehend auf die kostbare Waffe zu
verzichten, welche der ausgesuchte Menschen= und Pferde-
bestand der deutschen Reiterei dem Meister bot, der sie
auszunutzen verstand.
Am 4. Januar lols wurde die 8. Kavalleriedivision von
der Milica weg weiter nach Norden als Armeereserve ge-
zogen und in dem Raume von Brzeziny—Strykow—Glow-
no vorübergehend in Unterkunft gelegt, also etwa auf dem
Schlachtfelde der großen Novemberkämpfe, wo Obdach und
Nahrungsmittel vollständig fehlten. Schon am 8. Januar
wurde die Division von dort wieder nach der Front zur Ver-
stärkung des XXV. Reservekorpo (Skiernewice) vorgezogen,
nachdem starke Kräfte der Armee zu anderweiter Verwen-
dung von der deutschen Front vor Warschau hatten weg-
gezogen werden müssen.
So rückte denn die 8. Kavalleriedivision an die Rawka,
an deren Ufern sie im Raume von Kamion die nächsten
Monate bei hartem Winterwetter zubrachte. Täglich war
die Hälfte des Jägerbataillons und je 320 Karabinerschützen
von jedem Kavallerieregiment im Schützengraben. Der Rest
fand erträgliche Unterkunft in den rückwärtigen Dörfern, der
Dioisionsstab in Skiernewice. Die Division stand hier im
Rahmen der So. Reservedivision den Russen, nur durch
die Rawka getrennt, auf etwa 400 m gegenüber. Schnell-
brücken und im Wasser versteckte Pfahlroste erlaubten den
Russen rasches Vordringen über den Fluß. So war die
äußerste Aufmerksamkeit geboten. Die braven Reiter haben
hier im Stellungskrieg die gleiche Anspannung wie vorher
bewiesen. Stets waren sie über jede Bewegung des Gegners
genau unterrichtet, nie sind sie überfallen worden. Um sich
nicht als Kavallerie zu verraten, zogen die Ulanen in Mütze
in die Schützengräben und versteckten beim Anmarsch ihre
Lanzen, welche sie als Nahwaffe zunächst noch mitnehmen
mußten. Später erhielten sämtliche Reiter das Infanterie-
seitengewehr.
Mitte Februar la1s trat Tauwetter ein. Das erforderte
neue angestrengte Arbeit in den zerfallenden Schützengräben.
Beide Parteien verstärbten immer mehr ihre Drahthinder-
nisse. Die russische Artillerie versuchte fortgesetzt, zum Teil
von den vorderen Gräben aus, diese Arbeiten zu stören.
Auch die wenigen Gebäude hinter der Front wurden an-
dauernd beschossen. Zudem trat um diese Zeit Rotßz auf,
wurde aber sofort ebenso energisch wie erfolgreich bekämpft.
Anfang März schied das preußische 1. Jägerbataillon,
der treue Genosse aller bisherigen Heldentaten der Oivision
im Osten, zum größten Bedauern aller Offiziere und Mann-
schaften aus dem Verbande der 8. Kavalleriedivision aus.
Am 10. März verließ auch die 8. Kavalleriedivision ihren
bisherigen Abschnitt, sie erhielt dafür denjenigen dea
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