Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

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division zur taktischen Verwendung der 75. Reservedivision 
unterstellt. 
Das Angriffsgelände trug hier ausgesprochen dünen- 
artigen Charakter. Auf dem linken, dem feindlichen Narew- 
ufer steigt es steiler an als auf dem rechten. Der Angriff 
hat hier die 1500 bis 2500 Meter breite Niederung des 
Flusses zu überschreiten. Zahlreiche tote Wasserarme, Tüm- 
pel und größere sumpfige Stellen sind äußerst hinderlich. 
Der in großen Windungen diese Niederung durchströmende 
Narew war nur auf Brücken überschreitbar, die in stän- 
digem feindlichen Infanterie= und Artilleriefeuer gebaut wer- 
den mußten. So erhielt die Brücke bei der Wasserfähre 
ungefähr 20 Volltreffer. Alle eingebauten Pontons sanken, 
von feindlichen Infanteriegeschossen durchlöchert. Die 
Brücken mußten daher mit Behelfsmitteln ohne schwim- 
mende Unterstützungen wieder hergestellt werden, eine Auf- 
gabe, die von den braven Pionieren der Division unter großen 
Schwierigkeiten vortrefflich gelöst wurde. Die russischen 
Stellungen am linken Narewufer waren stockwerkartig über- 
einander angelegt, überhaupt war das Gelände mit seinen 
vorspringenden Waldstücken und Bergnasen von den Russen 
meisterhaft ausgenutzt worden, überall erschwerten Flankie- 
rungoanlagen das Vorwärtsdringen außerordentlich. An- 
dererseits bot aber auch das rechte Narewufer günstige Stel- 
lungen für unsere Artillerie, welche bis zum 30. Juli vor- 
züglich eingebaut wurde. Die Stärke der russischen Stel- 
lung zwang zum planmäßigen Angriff, nachdem die tap- 
feren Versuche einzelner Teile der 75. Reservedivision nicht 
zu einem einfachen Uberrennen der russischen Front geführt 
hatten. Unterstützt durch das gutsitzende Feuer der Artillerie 
arbeiteten sich die Fußtruppen allmählich bis an die feind- 
liche Stellung heran. Der Feind wartete schließlich den 
Sturmangriff nicht ab, sondern räumte in der Nacht zum 
4. August seine Stellungen. Sofort drängte die sächsische 
Infanterie nach, zuerst drang I. Bataillon Infanterieregi- 
ments 107 in Nowosjedliny ein, um Anschluß daran 
I. Bataillon Infanterieregiments 106. Starke Patrouillen 
folgten dem Feinde bis über die große Straße Ostrolenka— 
Lomsha, und die ganze Division rückte in den Morgen- 
siunden bis zu dieser Straße vor. Das Nachziehen der 
Artillerie machte große Schwierigkeiten, weil die schwachen 
Brüchen für sie zunächst verstärkt werden mußten. Bis 
zum §. August gewann die Division den Abschnitt des Nus= 
baches und sah sich nunmehr starken feindlichen Stellungen 
beim Vorwerk Luby gegenüber. Dort entwickelten sich am 
Nachmittag ernstere Kämpfe, die auch am nächsien Tage 
noch fortgesetzt werden mußten. Die feindliche Stellung 
war äußerst geschickt im Walde, 30 bis 50 Meter hinter den 
vordersten Bäumen, in teilweise stark eingedeckten Gräben 
mit zahlreichen sehr günstigen Flankierungsanlagen angelegt. 
Die deutsche Artillerie vermochte mangels genügender Be- 
obachtung den Angriff der Infanterie nicht genügend zu 
unterstützen. So gelang es dem Feind, mit anscheinend 
schwächeren Kräften das Vorwärtsdrängen der Deutschen 
bier einen vollen Tag aufzuhalten. In der Nacht zum 
7. August räumte der Feind seine Stellung und stellte 
sich erneut auf den Höhen von Uschnik, wo er eifrig schanzte. 
Doch sah man die Russen vor der Nebendioision, der 75. Re- 
servedivision fluchtartig zurückgehen; hinter der feindlichen 
Front brannten zahlreiche Dörfer, der beste Beweis, daß 
die Russen abzogen. Deshalb drängte auch die sächsische 
Infanterie bei Uschnik entschlossen nach und nahm noch 
am 7. abends das Gut uschnik und einen Teil des nieder- 
gebrannten Dorfes, wobei sich der bald darauf gefallene 
Oberleutnant Hentschel an der Spitze des I. Bataillons In- 
fanterieregiments lo besonders auszeichnete. Die starke 
feindliche Hauptsiellung, welche mit den Höhen beiderseits 
Uschnik das gesamte Vorgelände bedeutend überhöhte, war 
sehr stark ausgebaut und wurde von den Russen noch ge- 
halten. Erst im Verlauf des 8. August wurde sie von unserer 
Artillerie sturmreif gemacht. Am Abend setzte dann der 
deutsche Infanterieangriff ein, und um 10 Uhr abends war 
die gesamte feindliche Stellung in den Händen der Divi- 
sion. 
Die §8. Infanteriedivision befand sich nunmehr im 
Nücken der russischen Narewfestung Lomsha, welche in- 
zwischen von den deutschen Nachbardivisionen bezwun- 
gen wurde. Vor der Division breitete sich ein gewal- 
tiger Wald, der Czerwony Bor, aus, von dessen Rändern 
ber den diesseitigen Aufklärungsabteilungen zunächst hef- 
tiges Feuer entgegenschlug. Nach gehöriger Sicherung der 
Flanken stieß die Division am 11. August beiderseits der 
Eisenbahn durch das ausgedehnte Waldgelände bis zur Ja- 
blonica durch, auf deren Ostufer die Russen in breiter Front 
erneut das Vordringen der Deutschen auf Bialystok auf- 
zuhalten versuchten. Wieder mußte ein planmäßiger An- 
griff angesetzt werden, zu beiden Seiten der Eisenbahn die 
53. Infanteriedivision, links von ihr die 10. Landwehr- 
division und rechts von ihr die 75. Reservedivision. Die 
Infanterie arbeitete sich mit großen Schwierigkeiten durch 
das Sumpfgelände westlich des Jablonicabaches vorwärts. 
Am Vormittag des 12. August versuchte der Feind unter 
dem Schutze des Nebels zu entweichen, wurde aber hieran 
durch hinter ihn gelegtes Sperrfeuer unserer Artillerie ver- 
hindert und größtenteils gefangengenommen. Bei der wei- 
teren Verfolgung gelang es der Radfahrkompagnie 58, un- 
terstützt durch Teile des I. Bataillons Infanterieregiments 
1060, zwei noch feuernde feindliche Geschütze im Sturme 
zu nehmen. Die Didvision erreichte am Abend die Gegend 
von Lubnitzy—Kruschi. Besondere Schwierigkeiten machte 
in dieser Gegend das Vordringen der Artillerie, um so 
mehr, als alle Brücken über den weithin versumpften Ja- 
blonicabach von den Russen gesprengt worden waren. Am 
nächsten Tage wurde die Vorwärtsbewegung auf der ganzen 
Front fortgesetzt, aber wiederum leistete der Feind in neuen 
Stellungen, sogar unter Einsetzung schwerer Artillerie, hef- 
tigen Widerstand. Der ganze 15. August verging wieder 
in planmäßigem Heranarbeiten an die feindliche Stellung. 
Erst in der Nacht zum 16. August rückte der Feind ab. 
Seine Stellung hinter dem Szlinabach war stark ausgebaut. 
Massenhafter amerikanischer Stacheldraht fiel in die Hände 
der Division, deren bisherige Beute sich bereits auf drei 
Geschl#tze und fast 700 Gefangene belief. 
Die Division erhielt nunmehr den Befehl, die große 
Straße vom Gut Jeshewo bis Sawady gegen die feindliche 
Brückenkopfstellung bei Tykotzin zu sperren. Diese Stellung 
sicherte die große russische Bobrfestung Osowiece im Rücken. 
Ihre Wegnahme sollte die Abschließung von Osowiec ein- 
leiten. Osowiec selbst fiel, wie schon erwähnt, erst am 
22. August. 
Bei dem Vorgehen gegen Tykotzin kam rechts von der 
5 8. Infanteriedivision die 75. Reservedivision, links die 
10. Landwehrdivision zu stehen. Die §8. Infanteriedivision 
grub sich auftragsgemäß an der Straße ein und verblieb auch 
am 17. August in ihrer Stellung, während die 10. Land= 
wehrdivision und hinter ihr die 1. Landwehrbrigade den 
Auftrag hatten, den Narewübergang zu erzwingen. Um 
denselben zu unterstützen, ging auch die s8. Infanterie- 
division in den nächsten Tagen zum Angriff gegen die 
seit langem vorbereitete starke russische Stellung östlich und. 
nördlich von Sjerki über, rechts unterstützt durch die 75. 
Reservedioision, welche am 18. August Bronischewo mit 
linkem Flügel erreichte. 
Wiederum ergab die Erkundung vor der gesamten Front 
der Division eine völlig ausgebaute Stellung mit Hinder- 
nissen, die nur durch planmäßigen Angriff zu bewältigen 
war. Da der Angriff links der Division über den Narew 
hinüber durch die 10. Landwehrdivision in dem dortigen
	        
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