296
division zur taktischen Verwendung der 75. Reservedivision
unterstellt.
Das Angriffsgelände trug hier ausgesprochen dünen-
artigen Charakter. Auf dem linken, dem feindlichen Narew-
ufer steigt es steiler an als auf dem rechten. Der Angriff
hat hier die 1500 bis 2500 Meter breite Niederung des
Flusses zu überschreiten. Zahlreiche tote Wasserarme, Tüm-
pel und größere sumpfige Stellen sind äußerst hinderlich.
Der in großen Windungen diese Niederung durchströmende
Narew war nur auf Brücken überschreitbar, die in stän-
digem feindlichen Infanterie= und Artilleriefeuer gebaut wer-
den mußten. So erhielt die Brücke bei der Wasserfähre
ungefähr 20 Volltreffer. Alle eingebauten Pontons sanken,
von feindlichen Infanteriegeschossen durchlöchert. Die
Brücken mußten daher mit Behelfsmitteln ohne schwim-
mende Unterstützungen wieder hergestellt werden, eine Auf-
gabe, die von den braven Pionieren der Division unter großen
Schwierigkeiten vortrefflich gelöst wurde. Die russischen
Stellungen am linken Narewufer waren stockwerkartig über-
einander angelegt, überhaupt war das Gelände mit seinen
vorspringenden Waldstücken und Bergnasen von den Russen
meisterhaft ausgenutzt worden, überall erschwerten Flankie-
rungoanlagen das Vorwärtsdringen außerordentlich. An-
dererseits bot aber auch das rechte Narewufer günstige Stel-
lungen für unsere Artillerie, welche bis zum 30. Juli vor-
züglich eingebaut wurde. Die Stärke der russischen Stel-
lung zwang zum planmäßigen Angriff, nachdem die tap-
feren Versuche einzelner Teile der 75. Reservedivision nicht
zu einem einfachen Uberrennen der russischen Front geführt
hatten. Unterstützt durch das gutsitzende Feuer der Artillerie
arbeiteten sich die Fußtruppen allmählich bis an die feind-
liche Stellung heran. Der Feind wartete schließlich den
Sturmangriff nicht ab, sondern räumte in der Nacht zum
4. August seine Stellungen. Sofort drängte die sächsische
Infanterie nach, zuerst drang I. Bataillon Infanterieregi-
ments 107 in Nowosjedliny ein, um Anschluß daran
I. Bataillon Infanterieregiments 106. Starke Patrouillen
folgten dem Feinde bis über die große Straße Ostrolenka—
Lomsha, und die ganze Division rückte in den Morgen-
siunden bis zu dieser Straße vor. Das Nachziehen der
Artillerie machte große Schwierigkeiten, weil die schwachen
Brüchen für sie zunächst verstärkt werden mußten. Bis
zum §. August gewann die Division den Abschnitt des Nus=
baches und sah sich nunmehr starken feindlichen Stellungen
beim Vorwerk Luby gegenüber. Dort entwickelten sich am
Nachmittag ernstere Kämpfe, die auch am nächsien Tage
noch fortgesetzt werden mußten. Die feindliche Stellung
war äußerst geschickt im Walde, 30 bis 50 Meter hinter den
vordersten Bäumen, in teilweise stark eingedeckten Gräben
mit zahlreichen sehr günstigen Flankierungsanlagen angelegt.
Die deutsche Artillerie vermochte mangels genügender Be-
obachtung den Angriff der Infanterie nicht genügend zu
unterstützen. So gelang es dem Feind, mit anscheinend
schwächeren Kräften das Vorwärtsdrängen der Deutschen
bier einen vollen Tag aufzuhalten. In der Nacht zum
7. August räumte der Feind seine Stellung und stellte
sich erneut auf den Höhen von Uschnik, wo er eifrig schanzte.
Doch sah man die Russen vor der Nebendioision, der 75. Re-
servedivision fluchtartig zurückgehen; hinter der feindlichen
Front brannten zahlreiche Dörfer, der beste Beweis, daß
die Russen abzogen. Deshalb drängte auch die sächsische
Infanterie bei Uschnik entschlossen nach und nahm noch
am 7. abends das Gut uschnik und einen Teil des nieder-
gebrannten Dorfes, wobei sich der bald darauf gefallene
Oberleutnant Hentschel an der Spitze des I. Bataillons In-
fanterieregiments lo besonders auszeichnete. Die starke
feindliche Hauptsiellung, welche mit den Höhen beiderseits
Uschnik das gesamte Vorgelände bedeutend überhöhte, war
sehr stark ausgebaut und wurde von den Russen noch ge-
halten. Erst im Verlauf des 8. August wurde sie von unserer
Artillerie sturmreif gemacht. Am Abend setzte dann der
deutsche Infanterieangriff ein, und um 10 Uhr abends war
die gesamte feindliche Stellung in den Händen der Divi-
sion.
Die §8. Infanteriedivision befand sich nunmehr im
Nücken der russischen Narewfestung Lomsha, welche in-
zwischen von den deutschen Nachbardivisionen bezwun-
gen wurde. Vor der Division breitete sich ein gewal-
tiger Wald, der Czerwony Bor, aus, von dessen Rändern
ber den diesseitigen Aufklärungsabteilungen zunächst hef-
tiges Feuer entgegenschlug. Nach gehöriger Sicherung der
Flanken stieß die Division am 11. August beiderseits der
Eisenbahn durch das ausgedehnte Waldgelände bis zur Ja-
blonica durch, auf deren Ostufer die Russen in breiter Front
erneut das Vordringen der Deutschen auf Bialystok auf-
zuhalten versuchten. Wieder mußte ein planmäßiger An-
griff angesetzt werden, zu beiden Seiten der Eisenbahn die
53. Infanteriedivision, links von ihr die 10. Landwehr-
division und rechts von ihr die 75. Reservedivision. Die
Infanterie arbeitete sich mit großen Schwierigkeiten durch
das Sumpfgelände westlich des Jablonicabaches vorwärts.
Am Vormittag des 12. August versuchte der Feind unter
dem Schutze des Nebels zu entweichen, wurde aber hieran
durch hinter ihn gelegtes Sperrfeuer unserer Artillerie ver-
hindert und größtenteils gefangengenommen. Bei der wei-
teren Verfolgung gelang es der Radfahrkompagnie 58, un-
terstützt durch Teile des I. Bataillons Infanterieregiments
1060, zwei noch feuernde feindliche Geschütze im Sturme
zu nehmen. Die Didvision erreichte am Abend die Gegend
von Lubnitzy—Kruschi. Besondere Schwierigkeiten machte
in dieser Gegend das Vordringen der Artillerie, um so
mehr, als alle Brücken über den weithin versumpften Ja-
blonicabach von den Russen gesprengt worden waren. Am
nächsten Tage wurde die Vorwärtsbewegung auf der ganzen
Front fortgesetzt, aber wiederum leistete der Feind in neuen
Stellungen, sogar unter Einsetzung schwerer Artillerie, hef-
tigen Widerstand. Der ganze 15. August verging wieder
in planmäßigem Heranarbeiten an die feindliche Stellung.
Erst in der Nacht zum 16. August rückte der Feind ab.
Seine Stellung hinter dem Szlinabach war stark ausgebaut.
Massenhafter amerikanischer Stacheldraht fiel in die Hände
der Division, deren bisherige Beute sich bereits auf drei
Geschl#tze und fast 700 Gefangene belief.
Die Division erhielt nunmehr den Befehl, die große
Straße vom Gut Jeshewo bis Sawady gegen die feindliche
Brückenkopfstellung bei Tykotzin zu sperren. Diese Stellung
sicherte die große russische Bobrfestung Osowiece im Rücken.
Ihre Wegnahme sollte die Abschließung von Osowiec ein-
leiten. Osowiec selbst fiel, wie schon erwähnt, erst am
22. August.
Bei dem Vorgehen gegen Tykotzin kam rechts von der
5 8. Infanteriedivision die 75. Reservedivision, links die
10. Landwehrdivision zu stehen. Die §8. Infanteriedivision
grub sich auftragsgemäß an der Straße ein und verblieb auch
am 17. August in ihrer Stellung, während die 10. Land=
wehrdivision und hinter ihr die 1. Landwehrbrigade den
Auftrag hatten, den Narewübergang zu erzwingen. Um
denselben zu unterstützen, ging auch die s8. Infanterie-
division in den nächsten Tagen zum Angriff gegen die
seit langem vorbereitete starke russische Stellung östlich und.
nördlich von Sjerki über, rechts unterstützt durch die 75.
Reservedioision, welche am 18. August Bronischewo mit
linkem Flügel erreichte.
Wiederum ergab die Erkundung vor der gesamten Front
der Division eine völlig ausgebaute Stellung mit Hinder-
nissen, die nur durch planmäßigen Angriff zu bewältigen
war. Da der Angriff links der Division über den Narew
hinüber durch die 10. Landwehrdivision in dem dortigen