wogen. Im Mai desselben Jahres stockten die Lieferungen
aus den Provinzen Posen, Schlesien und Westpreußen,
die zur Belieferung Sachsens verpflichtet waren, und Sach-
sen geriet dadurch in eine äußerst bedrängte Lage. Auf
Veranlassung des Reichsamtes des Innern wurde erreicht,
daß die Heeresgruppe #insingen für die sächsischen Be-
satzungstruppen 23000 Zentner lieferte. Gleichzeitig er-
folgte eine starke Herabsetzung des Satzes auf 1500 Gramm
für Kopf und Woche. Für das folgende Erntejahr —
1917 — wurde der freihändige Kartoffelankauf allen mili-
tärischen Bedarfsstellen untersagt und eine Durchschnitts-
höchstmenge von 1000 Gramm für Kopf und Tag fest-
gesetzt. Für die JZeit vom August 1916 bis zum April
1917 wurden die Uberschußgebiete Ostpreußen und Posen
mit der Belieferung Sachsens betraut. Die Lieferung sollte
in der Weise vor sich gehen, daß die Bedarfsstellen zur
Abnahme der ihnen zugewiesenen Mengen am Verlade-
orte gehalten waren oder durch Abschluß von Lieferungs-
verträgen mit den liefernden Stellen die Abnahme sicher-
zustellen hatten. Zu zahlen war der gesetzliche Erzeuger-
höchstpreis des liefernden Kommunalverbandes zuzüglich
einer Vermittlungsgebühr, Jahlungstermin die Zeit der
Ablieferung auf der Verladestation. Die Hauptgründe der
in jener Zeit eintretenden Kartoffelknappheit waren der
Mangel an Arbeitskräften — zu deren Unterstützung Kriegs-
gefangene kommandiert werden mußten — und die Ver-
zögerung der Ernte sowie der Herbstbestellung, wodurch eine
Beschleunigung der Lieferung von Brot= und Futtergetreide
sich nötig machte. Die beiden sächsischen stellvertretenden
Generalkommandos mußten deshalb Ausbilfskommandos in
Stärke von je 250 Mann und 15 Gespannen nach der
Provinz Posen senden, denen die Inspektion der Kriegs-
gefangenenlager Soo Gefangene und 15 Gespanne hinzu-
fügte. Eine Behebung des Wagenmangels erwies sich als
unmöglich. Weitere Schwierigkeiten ergaben sich dadurch,
daß die lieferungopflichtigen Landwirte, um Arbeit zu er-
sparen, die Kartoffeln lieber an die nahegelegenen Brenne-
reien lieferten, die ihnen die gleichen Preise zahlten. Um
einem bünftigen Mangel an Kartoffeln vorzubeugen, wur-
den vom preußischen Kriegosministerium besondere Grund-
sätze für die Lagerung der Kartoffeln, ihren Schutz vor
Erfrieren und Verfaulen sowie für das Trocknen, das auf
Ausnahmefälle beschränkt bleiben sollte, ausgegeben. Durch
Flugblätter wurden die Truppen mit diesen Richtlinien
vertraut gemacht. Ferner wurden als Ersatz für Kartoffeln
Kohlrüben überwiesen und deren weiterer Bedarf durch die
Reichskartoffelstelle sichergestellt. Eine weitere Maßnahme
zur Unterstützung Sachsens war die in einem neuen Ver-
teilungoplan bestimmte Zuweisung der Provinz Schlesien
als weiterer Lieferungobezirk. Ferner wurde festgesetzt, daß
die vorhandenen Kartoffelvorräte bis zum August 1017
reichen müßten, daß der Tageshöchstsatz von Soo Gramm
nicht überschritten werden dürfte und daß die Tagevration
der Erzeuger von 1½ Pfund auf 1 Pfund herabzusetzen sei.
Am 1. März wurde die Höchstverbrauchogrenze in einem
neuen Verteilungsplan auf 325 Gramm für Kopf und Tag
festgelegt; im Mai desselben Jahres wurde eine abermalige
Verteilung für nötig erachtet. Zwischen Truppenteilen und
Landwirten fand im Frühjahr 1917 ein Austausch von
Kartoffeln zu Saatzwecken statt. Lieferungoverträge, die
die Intendanturen für die militärischen Bedarfsstellen im
März 1017 abgeschlossen hatten, konnten nur ganz geringe
Mengen von Frühkartoffeln sicherstellen. Die Versorgung
litt auch im Jahre 1917 unter dem Wagenmangel, unter
Meinungoverschiedenheiten zwischen den Kommunalverbän=
den und Generalkommandos, der Reichskartoffelstelle, den
Kriegsministerien und den Lieferungepflichtigen, nicht zuletzt
unter den ungünstigen Witterungsverhältnissen, die die Ernte
nicht unerheblich beeinträchtigten.
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Es bedurfte einiger Zeit, bis die Lazarette und die
Truppenteile des Besatzungsheeres sich mit der Eigen--
wirtschaft in Gemüsebau und Schweme= und Aanin=
chenzucht befreundeten. Während erstere das Durchhalten
wesentlich erleichterte, zeigte es sich, daß letztere sich nicht
rentierte. Wurde die Futterfrage auch leicht dadurch gelösi,
daß die Küchenabfälle restlos und zweckmäßfg verwendet
wurden, so fehlte es doch trotzdem an geeignetem Mast-
futter für die Schweine, andererseits war das Ergebnis der
Kaninchenzucht — schon wegen der durch die klimatischen
Verhältnisse bedingten großen Sterblichkeit dieser Tiere —
so gering, daß das Fleisch keine nennenswerte Ernährungs-
beihilfe bot
Wenig bekannt dürfte es sein, daß grösser noch als die
Schwierigkeiten der Versorgung der Menschen mit Nah-
rungsmitteln die der Pferde mit Futter waren. Die
Hafer-, Heu= und Strohernten der ersten Kriegsjahre waren
völlige Mißernten; neben Kartoffeln und Zucker, die der
menschlichen Ernährung vorbehalten werden mußten, kamen
als Ersatz in Frage: Gerste, Mais, Kleie und Roggen. Die
Gewinnung der Kleie beschränkte sich, der starken Aus-
mahlung des Getreides wegen, auf ein Mindesimaß.
Mit der mehrfachen, erheblichen Verminderung der Nation
mußte die Gewinnung von Ersatz-Futter= und Streumitteln
Schritt halten. Vollkommen neue Gesichtspunkte ergaben
sich damit. Einerseits mußten die Truppen, die einen Pferde-
etat hatten, ihre Pferdepflege den neuen und verschieden-
artigen ihnen zugewiesenen Ersatzfutter= und -sireumitteln
anpassen, wobei den Veterinäroffizieren ganz neue Auf-
gaben zufielen. Andererseits entstand eine eigene Industrie
der Herstellung von Ersatzfuttermitteln, deren Organisation
und Beaufsichtigung zu einem wichtigen Arbeitsgebiet der
zuständigen Stellen wurde.
Überblicken wir kurz die Entwicklung des Ersatzfutter-
mittelweseno und der Nationssätze während der Kriegs-
zeit. Während im Jahre 1914 die zuständigen Mengen
noch voll geliefert werden konnten, mußte im Jahre 1912
zunächst die Haferzuteilung eingeschränkt werden. Statt
1000 Gramm Hafer wurde die gleiche Menge Juckerrüben-
schnitzel oder vergällter Nohzucker geliefert; außerdem mußte
an Stelle von Hafer Mais verfüttert werden, an dessen
Stelle gegen Jahresende Gerste trat. Eine weitere Ein-
schränkung der Haferzuteilung führte dazu, daß für schwere
Pferde 2 Kilogramm, für leichte 1 Kilogramm Kleie an
Stelle der gleichen Hafermenge gegeben wurde. Als weitere
Ersatzmittel kamen auf: Erbsen, Bohnen, Lupinen, Hirse,
Olkuchen und Wicken. Im gleichen Jahre schon mußte auch
die Heuration herabgesetzt werden; an Stelle von einem
Sechstel Heu trat die gleiche Menge Laubheu. Preßheu
für das Feldheer konnte noch in der erforderlichen Menge
gestellt werden; für das Besatzungsheer wurde die Heuration
durch Stroh aller Arten ersetzt. Das Stroh zum Einstreuen
wurde allmählich durch Torfstreu, Grassireu und Bett-
stroh ersetzt. Das Jahr l91 brachte keine wesentlichen
Anderungen, außer daß eine weitere Ersetzung des Hafers
durch die schon genannten Mittel, zu denen noch das
Mischfutter trat, stattfand. Bei der Gewinnung von Grün-
futter, Heu, Ersatzfutter und Ersatz-Streumitteln halfen
sich die Truppen vielfach selbst, die Ersaßtruppenteile häufig
durch Erpachtung von Wiesen. Eine weitere Streckung der
Hafervorräte machte sich im Jahre 1917 nötig; Teile der
Hartfutterration wurden mit Mais, Peluschkenmehl und
Ackerbohnenkleic oder Preßfutter beliefert. Zu den Ersatz=
stremmitteln traten Sägespäne, Holzwolle, trockenes Laub
und Schilf. Heidekraut erwies sich als geeignetes Ersatz-
mittel sowohl für Streustroh als für Heu. Es wurde in
gehäckseltem Zustande grün verfüttert. Im Jahre 1918 er-
fuhr die Verfütterung von aufgeschlossenem Stroh (Kraft-
futterstroh) größere Ausdehnung. Eine Salzzufütterung von