Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

Errichtung des Seuchenlazaretts Zeithain C erforderte über- 
dies 1200 000 Mark an Baukosten. Schließlich mußten 
öffentliche Krankenhäuser, Pensionen, Schulen, Ausstel- 
lungshallen, Hotels zur Unterbringung von Kranken und 
Verwundeten vorbereitet werden. Es ergab sich folgende 
Gesamtzahl von Lagerstätten in 
vor dem Kriege am I. 1. 1915 am 1. 7. 1018 
Reservelazaretten 2282 18646 26001 
Vereinslazaretten — 8218 5722 
Genesungsheimen — 1757 1181. 
In jeder, besonders in ärztlicher, wirtschaftlicher und 
disziplineller Hinsicht, befriedigten am meisten die Kran- 
kenhäuser und ähnliche von vernherein für Krankenunter- 
kunft eingerichtete Anstalten, Schulen und noch nicht in 
militärischer Benutzung gewesene Kasernen. Eine Ver- 
mehrung der vorhandenen Zahl von Lagerstätten, die zu 
Jeiten größerer Kampfhandlungen wünschenswert wurde, 
konnte, hauptsächlich wegen des Arztemangels, nicht statt- 
finden. Abhilfe wurde durch raschere Entleerung der Laza- 
rette erzielt, soweit es der Zustand der Kranken — und 
Nichtkranken, von denen einige Lazarette zeitweise über- 
schwemmt waren — gestattete. Eine starke Belastung der 
Lazarette auch mit Gesunden war stets nach größeren 
Kämpfen an der Front zu verzeichnen, da mangels ge- 
eigneter Vorkehrungen in der Etappe nun den Heimat- 
lazaretten die Entlausung der Zurückkehrenden zufiel. 
Während die Reservelazarette meist aus den früheren 
Garnisonlazaretten entstanden, jedenfalls aber von vorn- 
herein militärisch organisiert waren, waren die Vereins- 
lazarette Gründungen des Landesausschusses der Ver- 
eine vom Roten Kreuz. Nur einige von ihnen wurden vom 
Landesausschuß selbst betrieben; die meisten waren da- 
durch entstanden, daß der Landesausschuß mit Krankenan-= 
stalten, Pensionen, Gastwirtschaften usw. Verträge schloß, 
meist die lazarettmäßige Einrichtung besorgte und die An- 
stalten dann als Vereinslazarette oder Genesungsheime der 
Heeresverwaltung zur Verfügung stellte. Diese war be- 
strebt, ihre Umwandlung in Reservelazarette — also ihre 
Ülbernahme in den Eigenbetrieb der Heeresverwaltung — 
wo es irgend angängig war, zu erreichen. Denn erstens 
brachten die Reservelazarette, je länger der Krieg dauerte, 
um so weniger, dem Reichsfiskus Ersparnisse. Zweitens 
aber war die Behandlung der Kranken in von Nichtsoldaten 
geleiteten und mit nichtmilitärischem Pflegepersonal ver- 
sehenen Anstalten nicht militärärztlichen Grundsätzen ent- 
sprechend. Nach diesen mußte das Wohlbefinden der Laza- 
rettkranken hinter die möglichst rasche Wiederherstellung 
für den militärischen Dienst zurücktreten. Nur durch ziel- 
bewußte Behandlung der Kranken, Aufrechterhaltung der 
Disziplin und Anleitung der Genesenden zu nutzbringender 
Betätigung schien dies Ziel erreichbar. 
Zur Entlastung der Lazarette hat zwar die ambulante 
Behandlung hierfür geeigneter Kranker beigetragen. In- 
folge der Schwierigkeit der Uberwachung dieser Personen 
und deren rascher Entfremdung von jeder Disziplin litten 
jedoch die militärischen Interessen bei diesem Verfahren 
erheblich. 
Für einzelne Arten von Kranken wurden teils zur Ge- 
währleistung einer besseren spezialärztlichen Behandlung, 
teils zur Gewährung einer besonderen Ernährung Sonder- 
lazarette geschaffen. In diesen fanden Aufnahme Ma- 
lariakranke, Lungenbranke, Seuchenkranke, Nervenkranke, 
Neurotiker, Geisteskranke, Nierenkranke, Augenkranke, 
Blinde, Ohren-, Nasen= und Halskranke, Haut= und Ge- 
schlechtskranke, Hirnverletzte, Kieferverletzte, Amputierte, 
orthopädische Fälle, chirurgisch Tuberkulöse u. a.m. — 
Die Beschaffung der Gegenstände des medi- 
zinisch-chirurgischen Bedarfs erfolgte entweder auf 
Grund von Lieferungsverträgen oder im Wege laufender 
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Beschaffung. Für die laufende Beschaffung waren für 
Feld-- und Heimatheer das Hauptsanitätsdepot und die 
Sanitätsdepots bei den beiden sächsischen Stellvertretenden 
Generalkommandos zuständig. Der Nachschub für das 
Feldheer wurde durch das im Januar 1915 errichtete Sam- 
melsanitätödepot Dresden bezw. durch die im Oktober 1914 
begründeten Sanitätsspeicher Dresden und Engelsdorf bei 
Leipzig durch die Lazarettzüge bewerkstelligt. Freihändiger 
Ankauf der benötigten Gegenstände war hier zunächst die Regel. 
Die Arzneimittel gehörten zu denjenigen Gegen- 
ständen des Bedarfs, die während des Kriegeo verhältnis- 
mäßig am langsamsten im Preise stiegen. Erst im Dezem- 
ber 1917 mußten auch hier Nichtpreise festgesetzt werden. 
Daneben mußte größte Sparsamkeit auch hier zur Regel 
werden. Die Vereinheitlichung von Originalmitteln, die 
Schaffung von Ersatzmitteln, die Streckung der vorhan- 
denen Vorräte unersetzbarer Stoffe waren Gegenstände 
zahlreicher eingehender Erörterungen bei der Medizinglab- 
teilung und mannigfaltiger Verfügungen. Hier nur einige 
Beispiele! Fette, die zur menschlichen Ernährung dringend 
notwendig waren, durften nicht mehr zur Herstellung von 
Salben verwandt werden. Der Gebrauch des ungemein 
wichtigen Rizinusöles, das u. a. zur Herstellung von Flie- 
genleim verwandt und später für die Flugzeugindustrie 
dringend benötigt wurde, mußte für das Heimatgebiet 
untersagt werden. Ebenfalls durfte Zinkkautschukpflaster, 
dessen Kautschukgehalt überdies herabgesetzt wurde, nur 
noch beim Feldheere verwendet werden. Die Sammlung 
gebrauchter photographischer Platten und die Rückgewin- 
nung des Silbero aus photographischen Lösungen wurde 
angeordnet. 
Für den Bezug von Verbandmitteln wurden zur 
Einschränkung des Verbrauches im August lols Bedarfs- 
anmeldungen vorgeschrieben. Die Wiederaufarbeitung ge- 
brauchter Verbandstoffe mußte im Februar 1916 angeordnet 
werden. Zur selben Zeit gelangten Papierbinden und mit 
Jellstoff gefüllte Mullkissen anstatt Baumwollbinden und 
Watte zur Einführung. 1917 machte sich die Beschränkung 
des Verbrauchs von Verbandwatte auf das Feldheer nötig. 
Schließlich mußte die Verwendung von Mull= und Kam- 
brikbinden, Gaze, Schirting und Verbandtüchern auch für 
das Feld verboten werden. Welche Mengen von Mull zu 
Verbandzwecken während des Krieges erforderlich waren, 
zeigen folgende Zahlen: Vom 1. August 1914 bis zum 
31. Mai 1918 wurden in den Heimatlazaretten 3 831257 
Meter Mull verbraucht. In der gleichen Zeit betrug der 
Verbrauch an Watte 41087 Kilogramm. 
Die Beschaffung des ärztlichen Geräts und 
der Truppensanitätsausrüstungen, die ebenfalls 
durch das Hauptsanitätsdepot und meist durch freihändigen 
Ankauf bewerkstelligt wurde, stieß mit der Vermehrung 
der Lazarette und, was die Truppensanitätsausrüstungen 
betraf, infolge des erhöhten Feldbedarfs sehr bald auf 
Schwierigkeiten. Diese erfuhren naturgemäß keine Milde- 
rung durch die Beschlagnahme von Sparmetallen und die 
allgemeine Nohstoffknappheit, die sich besonders bei der 
Herstellung aller aus Gummi bestehenden Teile der ärzt- 
lichen Instrumente und nicht zum wenigsten bei der des 
Zahnkautschuks geltend machte. 
Nicht zu übersehen war im Frieden der Bedarf an 
Impfstoffen für den Fall eines Krieges. Schon aus 
dem Grunde war unterlassen worden, Anstalten für reich- 
lichere Herstellung im Ernstfalle zu treffen, weil die An- 
sichten über Wert oder Unwert bezw. über die Schädlich- 
keit des Impfens in ärztlichen Kreisen durchaus nicht über- 
einstimmten. Die Korpsärzte, in deren Ermessen zu An- 
fang des Krieges die Cholera= und Typhus-Schutzimpfung 
gestellt worden war, saben zunächst von einer allgemeinen 
Impfung ab. Als dann jedoch die Impfungen zur Vor-
	        
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