Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

und Pferdedepots darunter, daß ihre Administratoren 
und Angestellten sowohl, wie die Remonteknechte von der 
Einberufung zum Heeresdienste nicht befreit waren. 
In mannigfaltiger Weise hatte der Remonte-Inspekteur 
auch auf die Pferdebestände der Ersatzforma— 
tionen hinzuwirken. Regelmäßige Besichtigungen ver- 
bürgten die Ausführung aller Vorschriften. Namentlich zum 
Schutze des jungen Pferdematerials waren zu Kriegsbeginn 
umfassende Maßnahmen nötig; es mußte vor allem be- 
stimmt werden, daß erst nach Aufbrauch der älteren Pferde 
Remonten, und zwar diese auch erst nach vollendeter Aus- 
bildung, als Nachersatz ins Feld gesandt werden durften. 
Die schlechten Futterverhältnisse machten besondere Sorg- 
falt in der Pferdepflege nötig. Es ging z. B. nicht an, 
daß Remonten wegen der unzureichenden Ernährung ständig 
nur im Schritt bewegt wurden. Ein Schwinden der Mus- 
kulatur einerseits, andrerseits eine Zunahme des UÜbermuts 
und daraus entspringende Beschädigungen aller Art waren 
die Folge. Die gewaltigen Pferdeverluste zu Kriegsbeginn 
brachten es mit sich, daß, sehr zum Schaden der Truppen 
und der Kriegführung, neugekaufte und militärisch nicht 
oder ganz mangelhaft ausgebildete Pferde ins Feld gesandt 
wurden. Die Unterbringung in Ersatzpferdedepots stieß zeit- 
weise auf große Schwierigkeiten. Die Verteilung der Depots 
auf das ganze Land verursachte zahlreiche Transporte und 
dementsprechend große Kosten, die durch entsprechende Zen- 
tralisierung vermieden worden wären. 
Während in den ersten beiden Kriegsjahren die Ersatz- 
formationen die aus ihnen hervorgegangenen Feldtruppen- 
teile unmittelbar mit Pferden versorgten, wurde im Mai 
1916 bestimmt, daß alle Anforderungen der Feld- 
truppen durch das preußische Kriegsministerium zu leiten 
seien, das dann die zuständigen stellvertretenden General= 
kommandos zur Ersatzstellung veranlaßte. Von März 1917 
an zog der Generalquartiermeister die gesamte Pferdever- 
sorgung des Feldheeres an sich. Durch Sachsen waren acht 
vom Hundert des gesamten Pferdebedarfs zu decken. Die 
Verteilung auf die beiden sächsischen Generalkommandos 
geschah durch das sächsische Kriegoministerium, die ihrer- 
seits für die Bereitstellung durch die Ersatztruppenteile 
sorgten und die erforderlichen Besichtigungen veranlaßten. 
Die unmittelbare Versorgung der Feld= durch die Ersatz- 
truppenteile blieb auf Chargenpferde beschränkt. 
Von den im Felde dienstunbrauchbar werdenden Pferden 
erhielt Sachsen gemäß seinem Anteil an Armeekorps acht 
vom Hundert, außerdem arbeitsverwendungsfähige, die, in 
den besetzten Gebieten angekauft, vom preußischen Mini- 
sterium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten auf die 
einzelnen Bundesstaaten und Provinzen verteilt und von 
deren landwirtschaftlichen Vertretungen zum Selbstkosten- 
preis erworben wurden. Hierbei kamen auf Sachsen im 
allgemeinen Pferde aus dem ÖOsten, deren Brauchbarkeit 
gering war. Eine Entschädigung der von Aushebungen be- 
troffenen Landwirte durch bevorzugte Zuweisung von sol- 
chen oder requirierten Pferden wurde angestrebt. Der Ver- 
kauf dienstunbrauchbarer Pferde erfolgte durch Vermittlung 
des Landeskulturrates. Ohne dessen Genehmigung durften 
solche oder arbeitsverwendungsfähige während des Krieges 
nicht weiterverkauft werden, wollte sich der Käufer nicht 
einer Konventionalstrafe aussetzen. Ausnahmsweise wurden 
auch dienstunbrauchbare Pferde unmittelbar von der Heeres- 
verwaltung abgegeben; das Verfahren war das der Ver- 
steigerung nur dann, wenn es sich um vom Landeskulturrat 
nicht beanspruchte Pferde handelte. 
Um den Pferdemangel bei der bürgerlichen, und be- 
sonders bei der landwirtschaftlichen Bevölkerung einiger- 
maßen zu lindern, hatten schon die Ersatzformationen zeit- 
weise mit ihren Beständen ausgeholfen. Der Pferdemangel 
nahm mit der Zeit jedoch einen derartigen Umfang an, daß 
  
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die Militärbehörde sich zur Organisierung dieser Hilfe- 
leistung veranlaßt sah. Sie überließ die Entscheidung dar- 
über, ob den Anforderungen aus der Bevölkerung zu ent- 
sprechen sei, den stellvertretenden Generalkommandos, die 
sich am raschesten über Anzahl und Zustand der verfügbaren 
Perde unterrichten konnten. Die Unterstützung der wirt- 
schaftlich Schwachen lag dabei der Militärbehörde ebenso 
am Herzen wie die rasche Zuführung der entbehrlichen dienst- 
untauglichen Pferde an das Wirtschaftsleben. So wurden 
Pferde hauptsächlich an die Landwirtschaft zur Bestell- 
und Erntezeit, aber auch sonst für längere Zeit oder auf 
Tage oder einzelne Fahrten auöUgeliehen. In den letzten 
Kriegsjahren konnten Pferde nur noch ausnahmsweise an 
Privatpersonen verliehen werden; die Stellung von Pferden 
und Hilfskolonnen fand nur noch an die Amtshauptmann- 
schaften statt. Vor dem Auoleihen wurden die Pferde unter- 
sucht, ob sie mit ansteckenden Krankheiten behaftet waren. 
Bei den das Veterinärwesen betreffenden Anord- 
nungen hatte der Remonte-Inspekteur mitzuwirken; Maß- 
nahmen in dieser Hinsicht wurden nötig zur Bekämpfung 
des Notzes und der Räude als denjenigen Pferdekrankheiten, 
die während des Krieges am häufigsten auftraten. 
Ein Mittel zur Bekämpfung der Räude wurde leider erst 
gegen Kriegsende in der Behandlung mit Schwefelgas 
gefunden. 
Zur Unterstützung der Pferdezucht hat die Remonte- 
kommission alles getan, was sich mit den im Vorder- 
grunde stehenden kriegerischen Interessen der Heeresver- 
waltung vereinbaren ließ. Das Ziel war die Hervorbringung 
eines kriegsbrauchbaren Arbeitspferdes warmen Schlageo. 
Kaltblut-Pferde, auf deren Züchtung vor dem Kriege namenk- 
lich im Interesse der Landwirtschaft großer Wert gelegt wor- 
den war, erwiesen sich für den Felddienst minder tauglich.— 
Am 1. März 1917 wurde, um einem immer dringender 
gewordenen Bedürfnisse abzuhelfen, beim Kriegeministe- 
rium eine Vertrags-Prüfungsstelle (V. P. S.) er- 
richtet, deren Aufgabe die Mitwirkung bei allen im Bereiche 
des Kriegsministeriums zu Lasten der Reichskasse zu schlie- 
ßenden Verträgen über Heereslieferungen, Grundstücksan- 
und verkauf und Miete und Pacht war. Auch die zahl- 
reichen Fälle der Abänderung bestehender Verträge im 
Gnadenwege fielen in das Tätigkeitsgebiet der Vertrags- 
Prüfungsstelle. Dieser lag die Behandlung der Verträge 
nach der kaufmännisch-wirtschaftlichen Seite ob, während 
der Justitiar nach wie vor die juristische zu bearbeiten hatte. 
Bestimmte Arten von Verträgen konnten ohne Mit- 
wirkung der Vertrags-Prüfungsstelle geschlossen werden. 
So alle über persönliche Dienstleistungen; solche, die so 
dringlich waren, daß die Inanspruchnahme der Prüfungs- 
stelle erhebliche Nachteile mit sich gebracht hätte; Miet- 
verträge bis zu einem bestimmten Zinsbetrage; Lieferungs- 
verträge bei einem Gesamtbetrage von regelmäßig so#, aus- 
nahmsweise 2000 Mark; unter gewissen Umständen Liefe- 
rungsverträge, bei denen die Kriegsrohstoff-Abteilung und die 
von ihr bestimmten Kriegsausschüsse oder das Beklei- 
dungo-Beschaffungsamt mitwirkten; Verträge über Heeres- 
näharbeiten in Heimarbeit und Auöbesserungsarbeiten, wenn 
Gegenstand der Verträge nur die Arbeitsleistung, nicht 
auch die Materialbeschaffung war; Holzlieferungoverträge 
zu Nichtpreisen; Bauwerksverträge bei einer Anschlags- 
summe von höchsitens 30 Ooo Mark; Verträge aus dem 
Verpflegungswesen, die zu Höchstpreisen oder Tagespreisen 
abgeschlossen wurden. Um die technischen Institute. — 
Artilleriewerkstatt, Feuerwerkslaboratorium und Munitions= 
fabrik — möglichst in der Erfüllung ihrer Aufgaben nicht 
zu behindern, wurde diesen die Vorlegung nach Vertrags- 
schluß gestattet.
	        
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