Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

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(Dadureh die Last der lange währenden Einquartierung fühl- 
bar erleichtert. 
Mustergültig sind die im „Jägerpark“ an der äußeren 
Radeberger Straße in Dresden von der Stadtgemeinde 
erbauten Baracken. Binnen kürzester Zeit entstand dort 
eine kleine Stadt. Freundlich leuchten die weißen Häuser 
mit ihren großen Fenstern aus dem Grün der Heidekiefern. 
Recht schwierig war es, den längs der böhmischen Grenze 
aufgestellten Grenzschutz unterzubringen, da die Gebirgs- 
gegend schwach bevölkert ist. Häufig wurden da die sonst 
von Sommerfrischlern besuchten Gasthäuser belegt. End- 
lose Verhandlungen mit Stadt= und Landgemeinden, mit 
Saalbesitzern und sonstigen Quartierwirten waren zu füh- 
ren und zahlreiche Verträge zu schlietßen, um all die vielen 
Leute unter Dach und Fach zu bringen. Wo militärische 
Gebäude zur Verfügung standen, wurden sie natürlich in 
erster Linie benutzt. Einbauten in Dachböden und Ställen 
schufen neue Wohn= und Schlafräume. 
Die bisher aufgeführten Arbeiten drängten sich in den 
ersten Kriegsjabren zusammen. Neue Sorgen erwuchsen 
der Abteilung IV: die erschwerte Beschaffung aller Geräte 
und Verbrauchemittel. 
Am fühlbarsten wurde der Mangel an Rohstoffen zunächst 
durch das Ausbleiben des Petroleums, das für die Beleuch- 
tung der Kasernen noch bis in die jüngste Zeit eine be- 
deutende Nolle spielte. Nun hieß es plötzlich neue Beleuch- 
tungomöglichkeiten schaffen. Wo es anging, wählte man 
Elektrizität, die meist von leistungsfähigen Werken, mit 
denen Verträge abzuschließen waren, bezogen wurde. Dann 
kam der Mangel an Geweben. Statt der Bettwäsche, Stroh- 
säcke und Handtücher aus Leinen mußten solche aus Papier= 
faser beschafft werden. Ankäufe der Seife, der Besen und 
Schrubber lagen schon längst nicht mehr in der Hand der 
einzelnen Verwaltungen, sondern wurden von „Zentralstel- 
len“ vorgenommen. Das Gleiche galt für die Füllmittel 
der Bettsäcke. Stroh durfte nicht mehr verwendet werden; 
es fand Ersatz durch Holzwolle, Alpengras, Schilf oder 
Papier. Die Kohlen mußten nach den vom Reichskohlen= 
kommissar aufgestellten Leitsätzen durch die Intendantur 
beschafft und den Verbrauchsstellen zugeleitet werden. Der 
Schriftwechsel mit Werken und Händlern, das Prüfen von 
Rechnungen und Einfuhrzöllen, von Kohleneingangs= und 
zverbrauchsmeldungen, das Ausstellen von Bezugsscheinen 
wuchs derart an, daß bei Abteilung IV eine besondere Koh- 
lenbeschaffungostelle mit eigener Registrande errichtet wer- 
den mußte. Jedem Garnisonkommando trat überdies eine 
Heizungskommission zu, die in enger Fühlung mit der 
Intendantur den Kohlenverbrauch beaufsichtigte und für 
sachgemäßes Heizen zu sorgen hatte. 
Während der planmäßigen Demobilmachung erwuchsen 
der Abteilung IV aus der hiermit im Zusammenhang stehen- 
den Zurüstung der Quartiere, die sich über Stadt und 
Land erstrecken, sehr bedeutende Arbeiten. Handelte es sich 
doch voraussichtlich um große Massen, die unterzubringen 
waren, nicht bloß an Menschen, sondern auch an Pferden, 
Waffen, Wagen, Bekleidung u. a. Die Kohlenfrage be- 
reitete auch hier einige Sorge. 
Daß es bei derartig angewachsener Arbeit — das ver- 
mehrte Rechnungswesen ist noch nicht einmal erwähnt wor- 
den — ohne wesentliche Verstärkung der Arbeitskräfte der 
Abteilung nicht abgehen konnte, erscheint wohl begreiflich. 
Wir steigen zum III. Stockwerk hinauf und finden hier 
zunächst die II. oder „Naturalverpflegsabteilung“. Ihr 
hauptsächlichstes Arbeitsfeld gemahnt vielleicht am meisten 
an den Krieg, denn es heißt: „Nachschub der Verpflegung 
ans Feldheer.“ Das Heer findet nur den geringsten Teil 
seineo ungeheuren Bedarfes im Feindesland; vollends im 
Stellungokrieg versagen die örtlichen Hilfsquellen bald, den 
Löwenanteil muß die Heimat liefern. Da müssen denn 
gewaltige Lager von Lebens= und Futtermitteln aller Art 
angelegt und dauernd auf einer gewissen Höhe gehalten 
werden. Die Intendantur erhält die nötigen Anweisungen 
vom Kriegoministerium. 
Die Stapelplätze sind meist mit den seit Friedengzeit 
bestehenden Proviantämtern verbunden und die Vorräte in 
deren Räumen untergebracht. Wo diese nicht zureichten, 
wurden Behelfsbauten errichtet, Heu und Stroh in Fei- 
men eingelagert. 
Ein besonderer Hauptstapelplatz entstand als Proviant= 
depot der Sammelstation Dresden am dortigen König Al- 
bert-Hafen. Von hier rollten nach Bedarf die beladenen 
Züge hinaus in das Etappengebiet zur Füllung der dor- 
tigen Magazine. Wir werden diesem Depot später noch 
einen kurzen Besuch abstatten. Vorerst ist uns nur mög- 
lich, uns auf Grund der in der Intendantur geführten 
Übersichten einen Begriff von den Arten und Mengen der 
Güter zu machen, welche unseren braven Kämpfern aus 
der Heimat zugingen. Wir nehmen den Eindruck mit fort, 
daß vortrefflich für des Leibes Nahrung und Notdurft 
gesorgt ist und daß nur widrige Kriegszufälle die Schuld 
trugen, wenn einmal an der Front Mangel an dem oder 
jenem eintrat. 
Die Bereitstellung der für das Feldheer und die Heimat 
erforderlichen Verpflegungsmittel — Lebens-, Futter= und 
Streumittel — einschließlich der Verpackung, der Säcke, 
Planen, Zelteinrichtungen, Feldküchen, Kochkessel, Wärme- 
halter usw., machte Verhandlungen und Abschluß von Ver- 
trägen und regen Verkehr mit den nach und nach einge- 
richteten Kriegsgesellschaften, den Reichs-, Landes= und 
Kommunalverteilungsstellen notwendig. Der jeweilig vor- 
handene Lagerraum und die Sorge für rechtzeitige Heran- 
ziehung bei dem sehr unregelmäßigen und oft dringlichen 
Abrufe für den Feldbedarf, andererseits die immer schär- 
fer geforderte Vermeidung unnötigen Wagenumlaufes waren 
bestimmend für die Unterbringung der herangeholten Güter. 
Uhbersichten über die Fassungsmöglichkeiten der einzelnen 
Magazine und Lagerplätze und Zeitangaben über die vor- 
handenen und für das Feldheer entbehrlichen Bestände, er- 
möglichten es dem Kriegsministerium und dem General- 
intendanten des Feldheeres einesteils Sonderzuweisungen 
zu machen, wenn es gilt größere Mengen an Verpflegungs- 
gegenständen unterzubringen, wie Kriegsbeute oder Liefe- 
rungen aus den besetzten Gebieten (Rumänien), anderen- 
teils die Leistungsfähigkeit der Magazine zu ermessen und 
hiernach entsprechende Truppenmengen auf die Versorgung 
durch diese Stellen anzuweisen, oder Aushilfen an andere 
Dienststellen anzuordnen. 
Das Proviantdepot Dresden war nur während kurzer 
Zeit zu Beginn des Krieges und in letzter JZeit mit zur 
Versorgung des Westheeres herangezogen, im übrigen hatte 
es die im Osten und Südosten kämpfenden Truppen ver- 
sorgen müssen und zwar vorübergehend bis zu drei Armeen. 
Es ist erheblich in Anspruch genommen gewesen, sind doch 
zeitweilig bis zu 40 Eisenbahnzüge wöchentlich von hier 
nach den Feldstellen abgefertigt worden. " 
Die Eigenartigkeit des Kriegsschauplatzes ließ auch be- 
sonders geartete Anforderungen aufkommen, erwähnt seien 
nur ganze Einrichtungen von Zigaretten- und Mineral- 
wasserfabriken. 
Zur Auffüllung des Proviantdepots waren in der Haupt- 
sache die Magazine Dresden und Bautzen bestimmt, vor- 
übergehend auch andere, wie Leipzig und Torgau. Bel 
Zuführung der ungeheuren Mengen an Hartfutter, Heu 
und Stroh für das Feldheer mußten auch die der stellver- 
tretenden Intendantur unterstellten acht Proviantämter des 
Korpsbereiches Beachtliches leisten. 
Sehen wir uns weiter in der II. Abteilung um, so finden 
wir, daß hier cine gewaltige Arbeitsleistung zu bewältigen
	        
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