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Die Mühle arbeitete Tag und Nacht; die Zahl der Müller
mußte verdoppelt werden. Im ersten Monat lieferte sie
rund 1000 Tonnen Mehl. Die Bäckerei erbrachte in Tag-
und Nachtbetrieb bei vervierfachter Belegschaft während der
gleichen Zeit 246 000 Brote zu drei Kilogramm und 295
Tonnen Zwieback. Das Einsacken des letzteren besorgten
140 Frauen.
Außer in Dresden entstanden an verschiedenen Orten
Hilfsmagazine, auf Einladebahnhöfen Ausgabestellen. Sie
wurden vom Amt auc mittels Lastkraftwagen gefüllt.
Die Unternehmer erfüllten ihre Lieferpflichten ohne
Stockung, die Naumannsche Fabrik sogar weit vor der aus-
bedungenen Jeit. — Kurz, die sorgfältigen Vorbereitungen
aller Beteiligten bestanden die Zeuseproße aufs beste. Da-
bei darf nicht übersehen werden, daß von den Friedens-
beamten des Amtes die meisten ins Feld gingen und nur
zwei zurückblieben. Zwei weitere trafen von auswärts hier
ein, im übrigen wurden Beamtenstellvertreter verwandt,
die sich naturgemäß erst einarbeiten mußten.
Als nach dem Ausmarsch der Truppen der erste Ansturm
vorüber war, trat an das Proviantamt die neue Aufgabe,
ein Ersatzmagazin zu bilden zur Füllung des ihm zugewie-
senen Proviantdepots. Es war dies anfangs Depot Mann-
heim, dann Dulöburg, seit 1. Januar 1915 Dresden. Da
bieß es dann eilends neue Bestände ansammeln. Über Ge-
treide= und Nauhfutterzufuhr waren Verträge abzuschlie-
ßen und bald rollte das kostbare Gut auf der Bahn oder
mit Landfuhrwerk heran. Daneben setzte der freihändige
Ankauf ein. Die Speicher und Schuppen reichten bald
nicht mehr zu; auf den Höfen wuchsen Feimen in die Höhe
und ein bleines Zeltlager half die Vorräte bergen. Für eine
bestimmte Verpflegsstärke der Feldtruppen mußte dauernd
der 20tägige, für das Besatzungsheer der 30—4sStägige Be-
darf vorrätig sein. Die fürs Feld bestimmten Mengen muß-
ten in die Bahnwagen verladen werden. Die Zahl der Ma-
gazinarbeiter verdreifachte sich. Bis 30. Juni lols sind
969 Verpflegungszüge vom Amt abgelassen worden. Die
freihändigen Ankäufe ließen sich wegen der starken Preis-
steigerungen nicht lange durchführen. An ihre Stelle treten
die Beschaffungen und Überweisungend der meisten Verpflegs-
mittel durch Reichswirtschaftsstellen. Die Rauhfuttermengen
wurden durch den Bundesrat auf die einzelnen Teile des
Reiches umgelegt; ihre Lieferung übernahmen die Land-
kreise. Die Garnisonmühle vermochte auf die Dauer das
nötige Mehl nicht allein zu schaffen. Es wurden daher meh-
rere große Mühlen vertraglich verpflichtet, das ihnen von
der Reichsgetreidestelle zugewiesene Korn zu vermahlen und
das Mehl dem Proviantdepot zuzuführen. Auch die Lei-
stungsfähigkeit der Bäckerei reichte nicht mehr zu. Ein
Teil des Brotbedarfs mußte daher Privatbäckern übertra-
gen werden. Gleichwohl wurden bis 30. Juni 1918 rund
12 Millionen Brote zu 3 Kilogramm und fast 3700 Tonnen
Zwieback im eigenen Betrieb hergestellt. Das Soldatenbrot
wurde nicht mehr aus dem niedrig ausgemahlenen Friedens-
mehl erbacken. Auch Streckungsmittel fanden Verwendung,
wie Kartoffelflocken, Mais oder Gerstenmehl. Für den Eier-
zwieback mußte auch Eiersatzmittel und Wasser anstatt Milch
genommen werden.
Um der gewaltigen Nachfrage nach Konserven entsprechen
zu können, errichtete die Firma Dr. Naumann in staunens-
wert kurzer Zeit eine Zweigfabrik und brachte es dadurch
zu einer Höchsttagesleisiung von 326 000 Portionen Fleisch-
und 283 000 Portionen Gemüsekonserven. Vom 4. August
1914 -15. Februar U9#s stellte sie weit über 39 Millionen
Fleisch= und über 30 Millionen Gemüsekonserven her. Dazu
sind verarbeitet worden 24000 Rinder, 33 000 Schweine,
über zwei Millionen Kilogramm Erbsen, s90 000 Kilo-
gramm Bohnen, 344000 Kilogramm Linsen.
Eine von Haus aus nicht vorgesehene Maßnahme war der
Nachschub von Heu und Stroh an das Feldheer. Dazu war
es zuvor zu pressen. Bis 30. Jun= 1918 wurden 7200 Ton-
nen Heu und 6500 Tonnen Stroh versandt.
Viel Arbeit bereitete die Beschaffung, Lieferung und
Ausbesserung von Säcken. Der Gesamtzugang betrug
8 ½ Millionen Hafer= und Mehlsäcke; dazu traten nicht weni-
ger als 14 Millionen Zwiebackb eutel.
Vom 1. August 1914—30. Juni 1918 sind an wich-
tisuten en Rohstoffen. beschafft worden
000 t Weizen 5800 t Kaffee u. Kaffeersatz
8 „ Rogg 3600 „Salz
155000 , 2* und Ersatzfutter 327, Tee
je 25000 „ Heu und Stroh 69000 „ Zucker
95000 „ Mehl 38., Gewürz
8500 „ Dauerfeisch 9800000 er. Fleischkonserven
2200 1 200
8
16000 *m- Trockengemüse 12500000 vn. Bewlühzioner
4800 „ Hülsenfrüchte i 150 g
00 „Butter u. Schmalzersatz 48000 hl romwwei
3500 „ Marmelade
Die Ankaufs= und Wrrtschaftskosten des Proviantamts
betrugen in der gleichen Zeit rund 123 Millionen Mark.
Die Intendantur
der sächsischen Kriegsgefangenenlager
Maßgebende Bestimmungen über das Kriegsgefangenen-
wesen waren bei Ausbruch des Krieges nur in ganz be-
schränktem Umfange vorhanden. Sie lassen auf den ersten
Blick erkennen, daß man bei ihrer Abfassung von der An-
nahme ausgegangen war, ein künftiger Krieg werde nur
kurze Zeit dauern. So war insbesondere auch vorgesehen,
daß die Kassengeschäfte der Kriegsgefangenenlager von
Kassenbeamten der bestehenden Formationen „unbeschadet
ihres sonstigen Dienstes“, also nebenamtlich, wahrgenom-
men würden. Gar bald stellte sich aber die Notwendig-
keit heraus, bei den Kriegsgefangenenlagern selbständige
Kassen zu errichten. Deren Arbeit wuchs mit der immer
mehr zunehmenden Anzahl der Kriegögefangenen, die in
die Lager strömten. Anfänglich war die Führung des Be-
soldungsrapports und die Aufstellung der Forderungsnach-
weise ziemlich einfach gewesen. Der Bestand der in den
Stammlagern untergebrachten Kriegsgefangenen war ver-
hältnismäßig nur geringen Schwankungen unterworfen, die
Mannschaften erhielten ihren gesamten Unterhalt in Natur,
also keinerlei Löhnung, und auch für die Offiziere gab es
anfangs nur zwei Gehaltsklassen. Eine Erweiterung des
Acbeitsgebietes für die Kassen der Mannschaftöogefangenen-
lager trat aber mit der Beschäftigung der kriegsgefangenen
Mannschaften auf Außenarbeitskommandos ein. Besondere
Bestimmungen hierfür zu erlassen, machte sich schon nach
wenigen Kriegömonaten notwendig. Um die Kriegsgefan-
genen vor verderblichem Müßiggang zu bewahren, später
aber, als der Mangel an Arbeitskräften wuchs und zuletzt
jede Hand zur Behebung der wirtschaftlichen Not gebraucht
wurde, ging man daran, sich die Kriegsgefangenenarbeit als
hochbedeutsamen wirtschaftlichen Faktor in ausgedehntestem
Maße zu Nutze zu machen. In der Industrie, im Bergbau,
im Gewerbe, im Handwerk und in der Landwirtschaft fanden
die Kriegsgefangenen Beschäftigung. Uberall war die Entloh-
nung verschieden geregelt, und mit jedem Arbeitgeber mußte
von der Heeresverwaltung ein besonderer Vertrag abgeschlossen
werden. Mit den Abrechnungen hatten die Kassenstellen
der verschiedenen Lager die größten Schwierigkeiten. Um
die Ubelstände zu heben und um einen einheitlichen organi-
sierten Betrieb zu schaffen, wurde unter dem 15. 3. 16
vom sächsischen Kriegsministerium die Errichtung der
Intendantur der sächsischen Kriegögefangenenlager
angeordnet. Sie erhielt ihren Sitz auf dem Truppenplatz
Königsbrück und wurde der Inspektion der Kriegsgefangenen-
lager XII. und XIX. Armeekorpo angegliedert. Als Arbeits-