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wirtschaftlichen und technischen Fragen bedurfte die volks-
wirtschaftliche Abteilung der Mitwirkung zuverlässiger und
völlig unpartei#ischer Sachverständiger. Die gutachtlichen
AuHerungen von Zivilbehörden und berufsständischen Orga-
nisationen allein konnten bei der meist unbewußten, oft wohl-
gemeinten einseitigen Hervorhebung der volkswirtschaftlichen
Gesichtspunkte keine rein sachliche Grundlage für die von der
volkswirtschaftlichen Abteilung zu treffende Entscheidung
bilden. Um die hierzu notwendige Vertretung der militäri-
schen und volkswirtschaftlichen Interessen innerhalb ein und
derselben Organisation zu schaffen, wählte die volkswirt-
schaftliche Abteilung aus der Zahl der im stellvertretenden
Generalkommando zur Verfügung stehenden (nicht k. v.) 7)
Militärpersonen (Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten)
Sachverständige für die wichtigsten volkswirtschaftlichen Ge-
biete aus und ordnete diese teils als Leiter, teils als fach-
männische Beiräte einzelnen Abteilungen bei. Diesen Bei-
räten wurden alsdann die erforderlichen Hilfskräfte zur
Verfügung gestellt. Die Tätigkeit der Sachverständigen und
Beiräte bestand einerseits in der gutachtlichen Mitwirkung
bei der Entscheidung juristischer, volkswirtschaftlicher und
technischer Fragen (sogenannter Innendienst), andererseits
in der Besichtigung der Fabriken und sonstiger Betriebe, in
Verhandlungen mit den Beteiligten und in der Einsicht-
nahme in die Geschäftsbücher (sogenannter Außendienst).
Zur Erledigung der wirtschaftlichen und sozialen Arbeit der
Abteilung wurden die verschiedensten Wege eingeschlagen.
Die volkswirtschaftliche Abteilung trug dazu bei, daß die
aus dem Heeresdienst entlassenen, an sich nicht versorgungs-
berechtigten Mannschaften sowie die zahlreichen kriegsbeschä-
digten Personen zu einer ihrer Leistungsfähigkeit entspre-
chenden Tätigkeit herangezogen wurden. Dadurch konnte
eine Anzahl industrieller und landwirtschaftlicher Arbeiter
ersetzt werden. Ferner wurden die Arbeitslosen, deren Zahl
infolge Einschränkung bzw. Schließung von Betrieben er-
heblich gestiegen war, in kriegsindustriellen Betrieben un-
tergebracht. Eine weitere Vermehrung der Arbeitskräfte
für kriegswirtschaftliche Betriebe erstrebte die volkswirt-
schaftliche Abteilung durch Einschränkung der Bautätigkeit.
Außerdem wurde die Jahl der Arbeitskräfte noch durch
Verwendung Jugendlicher und Kriegsgefangener sowie durch
die Austauschtätigkeit der volkswirtschaftlichen Abteilung
erhöht. Der Kern dieser Maßnahme bestand darin, aus
den Betrieben k.-v. Leute für den Waffendienst gegen Ent-
lassung eingezogener g.-v., a.-v.) oder kriegsbeschädigter
Mannschaften freizumachen. Die soziale Arbeit der volks-
wirtschaftlichen Abteilung erstreckte sich auf die Hebung
der Arbeitsfreudigkeit und des Fortkommens Kriegobeschä-
digter, deren Rentenangelegenheiten und auf das Gebiet
der Familienunterstützung.
Von nicht geringer Bedeutung war die Regelung der
Abkehr der in der Rüstungeindustrie beschäftigten Arbeiter
in Konkurrenzbetriebe. Zur Verhinderung dieser übermäßi-
gen Abwanderung und ihrer unangenehmen Folgen wurde
der aus vier Mitgliedern bestehende Schiedshof eingeführt.
Die Maßnahmen, die die volkswirtschaftliche Abteilung als
Zentralorgan des militärischen und volkswirtschaftlichen Er-
satzwesens auf den einzelnen Gebieten ihrer Zuständigkeit
zur Durchführung ihres Programms traf, haben den be-
absichtigten Zweck erreicht. Das Arbeitsgebiet der Abteilung
nahm jedoch mit der Zeit einen solchen Umfang und eine
derartige Vielseitigkeit an, daß verschiedene Gegenstände,
z. B. diejenigen Zweige des Handels und Gewerbes, die eng
mit dem Kriegsinteresse zusammenhängen, die Angelegen-
heiten der Beamten und Angestellten der städtischen und
staatlichen Werke, der technischen Werkstätten= und Tele-
*7) k v. = kriegsverwendungsfähig
9. v. — garnisonverwendungsfähig
a. v. — arbeitsverwendungsfähig
graphenarbeiter usw. einer neu gegründeten Organisation,
der Kriegsamtsstelle, von der weiter unten die Rede sein
wird, zugeführt wurden.
Demobilmachungsabteilung
Eine wichtige Seite der kriegswirtschaftlichen Organisa-
tionen des Generalkommandoe bildete die Vorbereitung und
Durchführung der Demobilmachungsarbeiten. Diese Tätig-
keit wurde bei ihrer Aufnahme im Nahmen der Abteilung
la durch einen Offizier und einen Beamtenstellvertreter aus-
geführt. Nach und nach wurde jedoch das Arbeitsgebiet sehr
umfangreich; außerdem erschien die Regelung dieser Arbeiten
von einer Zentralstelle aus nach einheitlichen Gesichtspunkten
wünschenswert. Deohalb wurde eine besondere Demobil-
machungsabteilung gegründet. Die Arbeiten zur Vorberei-
tung und Durchführung der Demobilmachung zerfielen in:
a) das rein militärische Gebiet,
b) das militärwirtschaftliche Gebiet,
P) das volkswirtschaftliche Gebiet.
Für die rein militärischen Fragen war die Demobilmachungs-
abteilung des Generalkommandos zuständig. Im übrigen
wurden militärwirtschaftliche Fragen von der stellvertreten-
den Intendantur des XIX. Armeekorps, volkswirtschaftliche
Fragen von der Kriegsamtsstelle des XIX. Armeekorps selb-
ständig bearbeitet. Soweit es sich jedoch bei einzelnen De-
bilmachungsangelegenheiten um Entscheidungen oder Ver-
fügungen handelte, die zwei oder sämtliche drei der oben
genannten Gebiete berührten, galt hierfür als Zentrale die
Demobilmachungsabteilung des stellvertretenden General-
kommandos, ohne deren Kenntnis keine derartige Entschei-
dung getroffen bzw. diesbezügliche Verfügungen erlassen
werden durften. Für die Vorarbeiten volkswirtschaftlicher
Art sowie Nückführung der Menschenkräfte in das Wirt-
schaftsleben (personelle Demobilmachung) lag jedoch die
letzte Entscheidung in den Händen der Kriegsamtsstelle.
Im besonderen wurden bearbeitet:
a) Handel, Industrie und Gewerbe durch die Kriegs-
amtsstelle Leipzig,
b) Landwirtschaft durch das Kriegswirtschaftsamt Dres-
en,
DC) Reichs-, Staats= und Kommunalbeamte durch die
volkswirtschaftliche Abteilung.
Abteilung VIII. Kriegsrohstoffstelle-
Im Nahmen der kriegowirtschaftlichen Organisation ist
auch die Abteilung VIII kurz zu erwähnen. Durch ihre Aus-
künfte über die Fahrtzlele von ins Feld gehenden Militär-
personen wurden die früher vielfach vorgekommenen Frr-
fahrten unterbunden und damit eine unnötige Belastung
der Transportmittel vermieden.
Zu den Arbeiten, welche die Abteilung Ib in kriegswirt-
schaftlicher Beziehung leistete und die zu Beginn schon ge-
nannt sind, kam im Dezember 1917 die Aushebung von
Luruspferden. Im Januar 1918 wurde eine Bekannt-
machung erlassen, die sich gegen rauhe und rücksichtslose
Behandlung von Zugtieren wandte. In den größeren
Städten war vielfach beobachtet worden, daß mit Zug-
tieren namentlich von jugendlichen Geschirrführern unsach-
gemäß, roh und rücksichtslos umgegangen wurde. Diese
Bekanntmachung lenkte die Aufmerksamkeit der Zivilver-
waltungsbehörden auf diese Umstände und forderte auch
die Offentlichkeit in dein Bestreben zur Unterstütgung auf,
zur Erhaltung des in der Kriegszeit besonders wertvollen
Pferdematerials nach Kräften beizutragen. Die durch die
Abteilung Id erfolgte Uberwachung und Bewrrtschaftung
der Rohstoffe reichte nach kurzer Zeit nicht mehr aus, da
die Bekanntmachungen immer zahlreicher und verwickelter
wurden und zu deren Bearbeitung branchekundige Personen
erforderlich waren. Deshalb wurde am 30. Mai 1915
in der Weise eine Dezentralisation der Beaufsichtigung ver-