Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

Zurückkehrenden besetzten, zum anderen mußte einer Ver- 
größerung des Kapitalbesitzes der Ausländer und dem Ka- 
pitalabfluß ins Ausland gesteuert werden. Die Durchfüh- 
rung und ÜUberwachung der zu diesem Zwecke vom Reiche 
erlassenen Vorschriften wurden im Bereiche des stellver- 
tretenden Generalkommandos XIX der Abteilung IIla über- 
tragen. Sie wurde angewiesen, im Einvernehmen mit den 
zuständigen Militär= und Zivilbehörden auf Grund der §4 
und 9 des Gesetzes über den Belagerungszustand sowie 
auf Grund der polizeilichen Befugnisse des kommandieren= 
den Generals die sich notwendig machenden Vorschriften 
zu erlassen. Mit der Verlängerung des Krieges, der Ver- 
mehrung unserer Feinde, der Vergrößerung des von den 
deutschen Truppen besetzten Gebietes sowie der Verschlechte- 
rung der wirtschaftlichen Lage im Reichsgebiete übernahm 
die Abteilung nach und nach die Bearbeitung folgender 
Aufgaben: 
a) Allgemeine Behandlung sämtlicher Ausländer. 
1. Aufenthaltsbeschränkung, 
2. Legitimation, 
3. Meldepflicht, 
4. Aufenthaltswechsel, 
5. Zuzug, 
6. Wegzug, 
7. Erwerbstätigkeit, 
8. Vermögensverfügung und Vermögensabwanderung, 
# Besondere Bestimmungen; 
b) Besondere Behandlung der 
1. Neutralen, 
2. Verbündeten, 
3. Staatenlosen; 
JP) Allgemeine Behandlung der Angehörigen derjenigen 
Staaten, die 
1. sich mit Deutschland in Kriegszustand befanden, 
2. zu Deutschland die diplomatischen Beziehungen ab- 
gebrochen hatten, 
d) Besondere Behandlung nach einzelnen Nationen, 
e) Besondere Behandlung der russischen, polnischen und 
bulgarischen Landwirtschafts= und Grubenarbeiter, 
f) Austausch von Zivilgefangenen, 
9) Rückführung und Urlaub, 
1. der Polen und Russen, 
2. der Belgier, 
) Einführung russisch-polnischer und belgischer Arbeiter 
aus den besetzten Gebieten, 
i) Sozlale Fürsorge für Ausländer, 
k) Anordnungen und Verbote der vollziehenden Gewalt, 
1) Internierung, 
m) Zwangsmaßregeln, 
n) Gegenmaßregeln, 
o) Abschiebungen und Ausweisungen. 
Zur Durchführung dieser Aufgabe mußte zunächst fest- 
gestellt werden, wer im Korpsbereiche nicht Reichöodeutscher 
war, welcher Nation er angehörte und wo er seinen Wohnsitz 
hatte. Diese Ermittelungen wurden mit Hilfe der Polizei- 
behörden getroffen. In jeder Gemeinde wurden Listen über 
die Angehörigen sämtlicher Nationen angelegt, sodann wur- 
den alle Personen daraufhin geprüft, ob sie im Besitze eines 
von ihrer zuständigen Behörde ausgestellten, gültigen Passes 
oder einer Paßkarte waren. Wenn dies nicht der Fall war 
und wenn sie derartige Ausweispapiere von ihren Behörden 
nicht erhalten konnten, so wurden ihnen mit Genehmigung 
des Generalkommandos durch die Polizeibehörden als Paß- 
ersatz Personalausweise auogestellt. Den Angehörigen der 
verbündeten und neutralen Staaten sowie den Staaten- 
losen wurden zunächst außer der Paßpflicht keinerlei Be- 
schränkungen auferlegt. 
Franzosen, Engländer, Belgier, Russen und Serben wur- 
den im Anfang des Krieges gleichmäßig behandelt. So- 
  
  
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weit sie Offiziere des Aktiven- und Beurlaubtenstandes 
waren, wurden sie als Kriegsgefangene betrachtet und durch 
die militärischen Stellen untergebracht. Die übrigen wehr- 
pflichtigen Angehörigen dieser Staaten wurden nur dann 
in Gefangenenlagern interniert, wenn sie im Verdachte 
der Spionage oder Sabotage standen, andernfalls wurden 
sie in geeigneter Weise überwacht. Zu diesem Zwecke wurde 
ihnen die Meldepflicht auferlegt. Die feindlichen Ausländer, 
welche als Saisonarbeiter Dienst leisteten, wurden unter 
polizeilicher Uberwachung an ihren bisherigen Arbeitsstellen 
belassen. Der Auereise aller unverdächtigen und nicht 
wehrfähigen feindlichen Ausländer stand nichts im Wege; 
sie wurde im Einvernehmen mit dem Chef des stellvertreten- 
den Generalstabes der Armee in Berlin geregelt. Wegen 
der wachsenden Zahl der Feinde und ihres Verhaltens gegen- 
über den in ihren Händen befindlichen Deutschen erwiesen 
sich jedoch bald Abänderungen dieser Bestimmungen als not- 
wendig. Diese Anderungen sind alle vorwiegend politischer 
Natur und sollen hier nur insoweit erwähnt werden, ale 
sie unmittelbar in das wirtschaftliche Gebiet eingriffen, 
namentlich die Verwendung der feindlichen Ausländer zu 
Arbeitszwecken festlegten. Für die in landwirtschaftlichen 
Betrieben beschäftigten russisch-polnischen Arbeiter beider- 
lei Geschlechts fiel die Karenzzeit in den Wintermonaten 
fort. Die mit ihnen abgeschlossenen Arbeitsverträge sind 
jeweils auf die Wirtschaftojahre lols, 1916, 1917, 1918 
verlängert worden. Der Aufenthalts= und Stellenwechsel 
russisch-polnischer Arbeiter und die Benutzung der Eisen- 
bahn durch diese wurde von behördlicher Genehmigung ab- 
hängig gemacht. Da die große Zahl der über die Ausländer= 
behandlung ergangenen Verfügungen zu einer allgemeinen 
Unsicherheit führte, erließ das Generalkommando unter dem 
12. Dezember 1917 eine diesbezügliche einheitliche Ver- 
fügung. Hiervon sei folgendes hervorgehoben. Jeder Aus- 
länder war unter Vorlegung seines Passes bzw. Paßersatzes 
verpflichtet, sich bei der Polizeibehörde seines Wohnsitzeo 
anzumelden, gleichviel ob er seit Kriegsbeginn dort wohnte 
oder erst später zugezogen war. Ebenso mußte er sich 
abmelden, sobald er seinen Wohnsitz verließ, auch wenn 
diese Abwesenheit nur vorübergehender Natur war. Die- 
selbe An= und Abmeldepflicht bestand in Ortschaften, in 
denen sich der Ausländer nur vorübergehend aufhielt. Er 
war außerdem verpflichtet, jeden Wohnungswechsel inner- 
halb seines Wohnsitzes zu melden. Die Kontrolle über die 
Erfüllung dieser Verpflichtungen übte die Polizeibehörde 
aus. Feindliche Ausländer unterlagen außerdem fol- 
genden Sonderbestimmungen. Ihnen war eine regelmäßige 
Meldepflicht auferlegt, die mindestens einmal in der Woche, 
höchstens zweimal am Tage bei der Polizeibehörde ihres je- 
weiligen Wohnsitzes oder Aufenthaltsortes zu erfüllen war. 
Wenn der Aufenthalt nicht länger als zwei Tage an einem 
Orte dauerte, so konnten An= und Abmeldung verbunden 
werden. Jeder feindliche Ausländer bedurfte zum Betreten 
und Verlassen des Korpsbereiches der Genehmigung des 
Generalkommandos und unterlag im übrigen innerhalb des 
Korpsbereiches der Aufenthaltsbeschränkung, d. h. er durfte 
seinen einmal gewählten und genehmigten Wohnsitz nur 
mit Genehmigung der zuständigen Behörde verlassen, ohne 
Rücksicht auf die Dauer der Abwesenheit. Diese Erlaubnis 
wurde ihm nur gewährt, wenn triftige Gründe vorlagen. 
Über die Erlaubnis, die von der Erlegung eines Haftgeldes 
abhängig gemacht und außerdem jederzeit widerrufen werden 
konnte, wurde ein besonderer Ausweis ausgestellt. So- 
weit feindliche Ausländer als Arbeiter in Landwirtschaft, 
Industirie, Handel und Gewerbe beschäftigt waren, galten 
für sie noch folgende besondere Bestimmungen: 
a) sie waren zur Arbeit verpflichtet und hatten die 
ihnen von der zuständigen militärischen oder sonsti- 
gen Dienststelle überwiesenen Arbeiten auozuführen;
	        
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