Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

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b) sie durften ihre Arbeitsstellen nur mit Genehmigung 
der zuständigen Behörde wechseln, wobei Übertritt 
aus der Landwirtschaft in die Industrie oder aus 
einem Kohlenwerke in einen anderen Betrieb nur 
in Ausnahmefällen gestattet wurde; 
c) die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses war nur 
auis geschäftlichen Gründen und nur zum Zwecke 
des Übertritts in ein neues Arbeitsverhältnis zu- 
lässig; 
d) Meinungsrerschiedenheiten zwischen Arbeitern und Ar- 
beitgebern über Beendigung des Arbeitsverhältnisses, 
sowie Lohn-, Unterkunfts= und Behandlungefragen 
wurden von Schiedsstellen, den Amtshauptmann- 
schaften und Stadträten, geregelt; die oberste In- 
stanz war das Generalkommando; 
e) verließ der Arbeiter unter Verletzung der bestehen- 
den Vorschriften seine Arbeitsstelle, so konnte er 
auf Antrag und Kosten des Arbeitgebers zwangs- 
weise zurückgeführt werden; 
) zur Vorbeugung gegen Vertragsverletzungen und Un- 
botmäßigkeiten konnte eine Kaution erhoben werden, 
die bei Juwiderhandlungen zur Bestreitung der Un- 
kosten verwendet oder auch für verfallen erklärt 
werden konnte. 
Um die Innehaltung und Uberwachung der Befolgung 
dieser Vorschriften zu erleichtern, war es verboten, 
a) ausländische Arbeiter ohne eine behördliche Bescheini- 
gung über die Genehmigung zur Annahme der Ar- 
beitostelle anzuwerben oder einzustellen, 
baausländische Arbeiter in irgendeiner Form zum Ver- 
lassen ihrer Arbeitsstellen, Verweigern oder Einstel- 
len der Arbeit zu verleiten oder sie in diesem Vor- 
haben zu unterstützen, 
I0) ausländischen Arbeitern ein Arbeitsverhältnis zu ver- 
mitteln, ohne daß sie einen Nachweis über die ge- 
nehmigte und ordnungsgemäße Beendigung ihres 
biöherigen Arbeitsverhältnisses erbrachten, 
d) ausländischen Arbeitern Eisenbahnkarten zu lösen. 
Außerdem war jeder verpflichtet, von Zuwiderhandlungen 
ausländischer Arbeiter gegen die bestehenden Vorschriften 
den Behörden Anzeige zu erstatten, selbst wenn die Verstöße 
erst geplant waren. Alle erforderlichen Genehmigungen und 
etwa erbetenen Befreiungen von der Meldepflicht wurden 
von den Amtohauptmannschaften und Stadträten erteilt, so- 
weit es sich um Tagereisen im Korpsbereiche, nach der 
Arbeitsstelle, um Lebensmittelgänge, Kirchgänge, Arbeits- 
wechsel im Bezirk und zwangsweise Zurückführung in den Be- 
zirk handelte. In allen übrigen Fällen war die Entscheidung 
des stellvertretenden Generalkommandos einzuholen. Eine 
besondere Nolle spielte das Sperrgebiet Leipzig. Auf Befehl 
des siellvertretenden Generalstabs der Armee hatte das stell- 
vertretende Generalkommando die Stadt Leipzig im No- 
vember 1914 aus militärischen Gründen in einem Um- 
kreise von 20 km für Sperrgebiet erklärt und bestimmt, daß 
feindliche Ausländer sich ohne Rücksicht auf Alter und 
Geschlecht hier nur dann aufhalten dürften, wenn sie sich 
seit vielen Jahren in Deutschland befanden und wenn an- 
gesehene Deutsche für die deutschfreundliche Gesinnung die- 
ser Aucländer volle Bürgschaft übernahmen. Zur Ver- 
hinderung neuen Zuzuges im Sperrgebiete und zur Uber- 
wachung der darin verbliebenen Ausländer waren daher 
alle diejenigen Fälle, die an sich zur Zuständigkeit der Amts- 
hauptmannschaften und Stadträte gehörten, sobald sie das 
Sperrgebiet betrafen, dem stellvertretenden Generalkom= 
mando vorzulegen. Was die Betätigung der feindlichen 
Ausländer in Handel und Gewerbe betraf, so war das 
stellvertretende Genkralkommando bestrebt, die Interessen 
der deutschen Kaufleute und Gewerbetreibenden in jeder 
Hinsicht zu schützen und die Abwanderung von Kapital in 
das Ausland zu verhindern. Zu diesem Zwecke wurden die 
Handels= und Gewerbebetriebe feindlicher Ausländer über- 
wacht, insbesondere ihr Geschäftogebahren kontrolliert. 
Stellten sich Mißbelligkeiten heraus, so wurde beim Mini- 
sterium des Innern Antrag auf Zwangsverwaltung oder 
Geschäftsauflösung gestellt. Bei groben Verstößen (z. B. 
Kriegswucher) wurde den Geschäftstreibenden durch Inter- 
nierung eine weitere Schädigung volköwirtschaftlicher In- 
teressen unmöglich gemacht. Neugründungen von Geschäften 
und Zulassung zum Gewerbebetriebe wurden nur nach ein- 
gehender Prüfung und in den allerdringendsten Fällen ge- 
stattet. Der Grundstückserwerb der feindlichen Ausländer 
wurde ebenfalls durch die Abteilung IIIa überwacht. Auf 
Veranlassung des stellvertretenden Generalkommandos hatte 
das Justizministerium die Grundbuchämter angewiesen, dem 
Generalkommando beim Ubergang dieses Grundstücks in 
das Eigentum eines feindlichen Ausländers sofort Mittei- 
lung zu machen. Für den Fall, daß der Erwerb von Grund- 
stücken durch feindliche Ausländer einen bedrohlichen Umfang 
annahm, war vom stellvertretenden Generalkommando be- 
absichtigt, auf Grund von § ob des Belagerungegesetzes 
ein entsprechendes Verbot zu erlassen. Im Anschluß an 
die allgemeinen vom Reiche erlassenen Zahlungsverbote gegen- 
über dem feindlichen Auslande und die Verbote der Mit- 
nahme von Goldgeld aus Bankdepots bei der Abreise aus 
Deutschland sind folgende Bestimmungen erlassen: Feind- 
lichen Ausländern durfte aus ihren Bankguthaben und aus 
den Guthaben von Geschäftsbetrieben auf einmal nur soviel 
ausgezahlt werden, als sie zu ihrem standesgemäßen Unter- 
halte für eine Woche brauchten. Die Stahlfächer in Banken 
und Geschäftsbetrieben, an denen sie beteiligt waren, durften 
sie mur in Gegenwart der betreffenden Angestellten öffnen. 
Ausgenommen hiervon waren Zahlungen an deutsche Gläu= 
biger, einseitige Verfügungen zugunsten Deutscher und un- 
verdächtige Zahlungen an das neutrale Ausland. Denselben 
Bedingungen unterlagen auch diejenigen feindlichen Aus- 
länder, die durch Kapitalien und Geschäftöbetriebe irgend- 
welcher Art in Deutschland beteiligt waren, sich jedoch außer- 
halb des Reiches und der besetzten Gebiete aufhielten. Außer- 
dem war feindlichen Ausländern die Ausübung von Jagd 
und Pachtung von Jagdrevieren, die Ausübung der Fischerei, 
der Besitz von Waffenscheinen, von Waffen, der Ankauf von 
Waffen und Munition sowie das Radfahren untersagt. 
Die im Osten eingetretene Waffenruhe führte zunächst in 
der Behandlung der Angehörigen des früheren russischen 
Kaiserreiches und des rumänischen Königreiches keine Ande- 
rung herbei. Die Erhaltung der Kräfte für die Landwirt- 
schaft, die Abwehr des Zustroms russisch-polnischer Juden 
und Anhänger bolschewistischer Ideen veranlaßte auch wei- 
terhin für die Angehörigen dieser Staaten die volle Aufrecht- 
erhaltung der genannten Verfügungen. 
Abteilung Ulb 
Die Abteilung llb griff durch folgende Verfügungen in 
die kriegswirtschaftliche Organisation ein: 
Einschränkung der Bautätigkeit, 
Tanzverbot, 
Verbot des Aufstellens von Geldspielautomaten, 
Verbot der Ausfuhr von Pferden und Heu, 
Einschränkung des Fahrradverkehrs, 
Verbot des Verkaufs von Fleisch usw. in Grenzbezirken, 
Einschränkung der Straßenbeleuchtung, 
Verbot des Abreißens von Blütenzweigen usw., 
Verbot des Handelns mit sogenannten Gedenkblättern, 
Verordnung betr. Sicherstellung der Ernte und 
Bekanntmachungen über Ausverkäufe von Web= und 
Wirkwaren. 
Außerdem ist das durch die Abteilung Illc erlassene Al- 
koholverbot anzuführen.
	        
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