Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

Presseabteilung 
In der Erkenntnis, daß in Kriegszeiten die Heereslei- 
tung einer verständnisvollen Mitwirkung der Presse nicht 
entraten, aber eine nicht oder gar falsch geleitete Presse der 
Kriegsführung mehr schaden als nützen kann, war bereits 
in H20 des Mobilmachungoplanes für den Kriegsfall eine 
Ülberwachung der Presse angeordnet. Durch das Presse- 
gesetz vom 7. Mai 1874 in Verbindung mit §& 35 der 
sächsischen bzw. & 68 der Reichsverfassung war der Presse 
Freiheit zugesichert, die nur im Rahmen der in 9# 14 bis 
19 des Pressegesetzes enthaltenen Bestimmungen einge- 
schränkt werden durfte. Deshalb waren Beschränkungen 
der Pressefreiheit nur dann zulässig, wenn sie unter Auf- 
hebung der erwähnten Bestimmungen des & 38 der sächsi- 
schen und & 68 der Reichsverfassung vom stellvertretenden 
kommandierenden General kraft seiner ihm im Belagerungs- 
zustandsgesetz vom 4. Jum 1851 übertragenen vollziehenden 
Gewalt ausdrücklich ausgesprochen wurden. Im Bereiche 
der beiden sächsischen Korps war hiervon zunächst kein 
Gebrauch gemacht worden. Daher blieb die Freiheit der 
Presse auch nach der Anordnung des Kriegszustandes fortab 
unangetastet. Nur in dem Gesetze über den Verrat mili- 
tärischer Geheimnisse vom 3. Juni 1914 und mit der 
damit im Zusammenhang stehenden Bekanntmachung des 
Reichskanzlers vom 31. Juli 1917 betr. das Verbot von 
Veröffentlichungen über Truppen= oder Schiffsbewe- 
gungen und Verteidigungsmitteln waren Einschränkungen 
gegeben. Gleich zu Anfang des Weltkrieges war vom Kfgl. 
Preuß. Kriegsministerium für die Presse ein Merkblatt her- 
ausgegeben worden, welches die Tätigkeit der Presse wäh- 
rend des Krieges nach den geschilderten Richtlinien begrenzte. 
In der Folgezeit machte sich aber das Bedürfnis zu dem 
Erlaß allgemeiner und besonderer Anweisungen für die 
Presse mehr und mehr geltend. Bis zum 1. Oktober 1914, 
an welchem Tage die Oberzensurstelle Berlin als Zentrale 
für derartige Anordnungen an die Presse geschaffen wurde, 
gingen derartige Anweisungen vom preußischen Kriegsmini- 
sterium und dem stellvertretenden Generalstab aus. Zu- 
ständig und verantwortlich für die Uberwachung der Presse 
und für die Weiterleitung der von den Zentralbehörden aus- 
gegebenen Richtlinien und Sondervorschriften waren nach 
& 20 des Mobilmachunggsplanes die stellvertretenden Gene- 
ralkommandos. Beim XIX. Armeekorps befaßte sich zu- 
nächst Abteilung la mit diesen Obliegenheiten, wobei sie 
sich der drei Kreishauptmannschaften zur Verständigung 
der einzelnen Tageszeitungen im Korpsbereiche bediente. 
Als wesentliche Aufgabe der militärischen Pressegenfur stellte 
sich bald die Notwendigkeit heraus, alle zur Veröffentlichung 
in den Tageszeitungen gelangenden Feldpostbriefe einer Vor- 
zensur zu unterziehen, da darin mehr oder weniger geheim 
zu haltende militärisehe Nachrichten enthalten waren. Das 
Überhandnehmen dieser Feldpostbriefe und ihre Uberwachung 
führten zur Schaffung einer besonderen Presseabteilung des 
stellvertretenden Generalkommandos, die dem keiter der 
Gerichtsabteilung IIIb, einem Oberkriegsgerichtsrat, unter- 
stellt wurde. Deshalb war die Presseabteilung zunächst 
beim Oberkriegsgericht untergebracht und versah das Per- 
sonal von IIIb auch zugleich die Arbeiten der neu gegründeten 
Abteilung. Da jedoch die nach dem verbündeten bzw. neu- 
tralen und feindlichen Auslande auszuführenden Bücher und 
Zeitschriften einer besonders genauen Zensur unterzogen wer- 
den mußten, machte sich allmählich eine gesonderte Auf- 
stellung der Presseabteilung mit eigenem Büropersonal nötig. 
Am 31. März 1918 wurde sie von der bisherigen Leitung 
abgetrennt und einem Hauptmann unterstellt. Sie glie- 
derte sich in folgende Arbeitsgebiete: 
a) Uberwachung der Presse in politischer Beziehung, 
b) Vereins= und Versammlungoregelung, 
P)Anordnungen der vollziehenden Gewalt, 
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d) Militärzensur, 
e) Druckschriftenausfuhr. 
Durch die Uberwachung von Fachzeitschriften, in denen 
viel fachtechnische und chemische Neuerungen eingehend be- 
schrieben wurden und auf diese Weise wirtschaftliche Fort- 
schritte, die wir unter dem Zwange der Kriegoverhältnisse 
gemacht hatten, unseren Feinden zugute gekommen wären, 
hat die Presseabteilung nicht nur politische, sondern in hohem 
Grade auch wirtschaftliche Arbeit geleistet. Die zunehmende 
Wichtigkeit, die mit längerer Kriegsdauer neben anderen 
Fragen der Ausfuhr auch dem Auslandversand der ge- 
samten Druckschriften zuzubilligen war, machte eine grund- 
sätzliche Regelung der auf diesem Gebiete geltenden Bestim- 
mungen notwendig. Den Anstoß hierzu gab ein Bericht 
der Presseabteilung XIX, der im Sommer 1916 dem kom- 
mandierenden General vorgelegt und von diesem an die 
Oberzensurstelle, den stellvertretenden Generalstab sowie an 
das Kgl. Preuß. Kriegsministerium weitergeleitet wurde. 
Im Anschluß hieran fanden wiederholt Besprechungen teils 
in Leipzig, teils in Berlin mit den genannten Zentralstellen 
statt. Durch eingehende Verhandlungen mit den Vertretern 
des Deutschen Buchhandels in Leipzig wurden die Vorteile 
und Nachteile bzw. die möglichen Folgen einer Anderung 
des bisherigen Systems und die einzuschlagenden prakti- 
schen Wege, soweit sie den Buchhandel betrafen, erörtert. 
Da die Entscheidung Berlins wegen der umfangreichen Be- 
teiligung der verschiedenen sachlich interessierten Stellen 
länger ausblieb als anfangs anzunehmen war, entschloß 
sich das stellvertretende Generalkommando XIX, zunächst 
innerhalb seines eigenen Bereiches versuchsweise diejenigen 
Nichtlinien in die Praxis umzusetzen, deren Anwendung ihm 
als notwendig empfohlen worden war. Bei dieser örtlichen 
Regelung waren zunächst gewisse Widerstände zu über- 
winden, die weniger bei den Firmen des Korpobereiches, als 
vielmehr außerhalb lagen; denn in Anbetracht der über- 
ragenden Bedeutung Leipzigs auf dem Gebiete des Buch- 
handels mußte jede Leipziger Maßnahme den übrigen deut- 
schen Buchhandel ebenfalls treffen. Immerhin konnte schon 
nach relativ kurzer Zeit der Beweis erbracht werden, daß 
die von Leipzig aus vorgenommene Uberwachung dee deut- 
schen Buchhandels und der Bücherauefuhr Erfolg verspre- 
chend arbeitete, daß der Buchhandel die durch diese Rege- 
lung verursachten Hemmungen überwinden würde und 
daß das gesteckte militärische Ziel erreicht wurde. Infolge- 
dessen gelang es denn auch, eine Einigung mit den Zentral- 
behörden herbeizuführen, worauf im April 1917 vom Kol. 
Preuß. Kriegsministerium eine Verordnung erlassen wurde, 
die für alle deutschen Kommandobehörden galt. Die in 
dieser Verordnung zum erstenmal erwähnte „Jentralregi- 
stratur“ ging in ihrem Entwurfe auf die Vorschläge zurück, 
die die Presseabteilung XIX im Zusammenhang mit den 
anderen Fragen gemacht hatte. Das Arbeitsgebiet der 3N. 
gliederte sich in die folgenden Zweige: 
a) Karteimäßige Verarbeitung der von den zuständigen 
Kommandobehäörden getroffenen Entscheidungen über 
die Ausfuhrfähigkeit von Druckschriften jeder Art 
mit Ausnahme der Tageszeitungen sowie der Musi- 
kalien mit und ohne Terxt; 
b) karteimäßige Benachrichtigung aller Kommandobe- 
hörden hierüber, einschließlich derjenigen Uber- 
wachungsstellen, die mit der Druckschriftenausfuhr 
technisch zu tun hatten; 
c) Prüfung aller Neuerscheinungen des deutschen 
Büchermarktes, unabhängig von der Arbeit der für 
die Zensur zuständigen Kommandobehörden; 
d) Unterstützung der Kommandobehörden in gleicher 
Richtung, damit möglichst keine Druckschriften in 
den Handel kamen, die nicht hinsichtlich ihrer Aus- 
fuhrfähigkeit geprüft waren;
	        
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