Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

rigkeiten wurde auch nicht in dem Umfang Urlaub erteilt, 
wie das preußische Kriegsministerium mit der Aufstellung 
eines Urlaubsplanes anregte, sondern es wurde bestimmt, 
daß in jedem einzelnen Falle die dringende Notwendigkeit 
zum vorübergehenden Aufenthalte in der Heimat nachgewie- 
sen und eine Summe, die sich zwischen 150 und 200 Mark 
bewegte, als Sicherheit für die Rückkehr binterlegt wurde. 
Eine bedeutende Erweiterung des Arbeitsgebietes von IIId 
hatte die Kaiserliche Verordnung vom 21. Juni 19#1 betr. 
anderweitige Regelung der Paspflicht zur Folge. Nunmehr 
war dem stellvertretenden Generalkommando die Möglich- 
keit gegeben, den Neiseverkehr aus dem Korpobereiche nach 
dem verbündeten, neutralen und feindlichen Auslande zu 
kontrollieren. In der Paßzentrale des stellvertretenden Ge- 
neralstabs in Berlin wurde eine Kontrollstelle für gewisse 
Arten von Reisen aus Deutschland nach dem Auslande ge- 
schaffen. Gründe wirtschaftlicher Art, wie die Erhaltung 
von Arbeitskräften für die hiesige Industrie sowie möglichste 
Entlastung des Eisenbahnverkehrs machten eine Zentralisa- 
tion und Beobachtung des gesamten Reiseverkehrs aus dem 
Korpsbezirke nach dem Auslande erforderlich. Infolge- 
dessen wurde die Vorlegung aller Sichtvermerksanträge aus 
dem Bereiche des XIX. Armeekorps bei Abteilung IIId ver- 
fügt. Damit wurde gleichzeitig die Möglichkeit einer wirk- 
samen Kontrolle der Sichtvermerksbehörden gegeben, die 
um so mehr geboten erschien, als in vielen Fällen die vor- 
bereitenden Arbeiten für Reisegesuche in den Händen unter- 
geordneter und deshalb für diese Tätigkeit nicht völlig ge- 
eigneter Organe lagen. Außerdem wurden auf diese Weise 
auch dann diejenigen Personen festgestellt, die häufig Reisen 
unternahmen, die aber, um frühere Reisen zu verbergen, 
einen Ortswechsel innerhalb des Korpsbereiches vorgenom- 
men hatten. Ferner wurde durch Ablehnung von überflüssi- 
gen Reisen (Verwandten-, Besuchs-, Vergnügungereisen 
usw.) und Genehmigung der als notwendig anerkannten 
für die Zeit nach den jeweiligen Feiertagen dem Eisenbahn- 
verkehr die besonders während der Festzeiten dringend nötige 
Entlastung geschaffen. Dadurch, daß alle Sichtvermerkö- 
anträge auo dem Korpsbezirke bei Abteilung IIId vorzulegen 
waren, wurde auch verhindert, daß gelernte Industriearbei- 
ter und zangestellte nach dem Auslande abgezogen wur- 
den, wo sie für die Zeit nach dem Kriege eine Konkurrenz 
für verschiedene heimische Industriezweige hätten gründen 
können. Zusammenfassend ist zu sagen, daß durch die Ab- 
teilung erreicht wurde: 
1. Einschränkung des Reiseverkehrs zur Entlastung der 
Eisenbahn, 
2. größtmögliche Erhaltung und Ausnutzung der vor- 
handenen Arbeitskräfte im Interesse der heimischen 
Kriegswirtschaft, 
3. Verhinderung der Abwanderung von Industrie und 
des Verrats von technischen Geheimnissen. 
Abteilung IV 
Ein Organ, dessen Tätigkeit sich zwar auf den militäri- 
schen Bereich beschränkte, das aber, wenn ein vollständiges 
Bild der kriegswirtschaftlichen Organisation des stellvertre- 
tenden Generalkommandos gegeben werden soll, nicht fehlen 
darf, ist die Intendantur. ## auch diese nicht mit beson- 
deren Maßnahmen in das Wirtschaftsleben eingriff, so 
haben doch einige ihrer Verordnungen und Handlungen teils 
fördernd, teils hemmend auf die kriegswirtschaftlichen Ver- 
hältnisse eingewirkt. Hier seien kurz verschiedene rein wirt- 
schaftliche Maßnahmen der Intendantur erwähnt, wobei zu- 
gleich bemerkt sei, daß manche dieser Tätigkeiten später- 
bin auf die Kriegoamtsstelle, die Zentralabteilung der Kriegs- 
wirtschaft, übergegangen sind. Die Intendantur hatte sich 
in der ersten Kriegszeit mit den verschiedenartigsten Fragen 
der Volksernährung, der landwirtschaftlichen und industriel- 
Sachsen in großer Jeit. Band II 
360 
len Nahrungsmittelerzeugung, der Nährmittelheranziehung 
und Sverteilung, der Lebensmittelwucherbekämpfung und 
vielen anderen ähnlichen Angelegenheiten zu befassen, die 
dem kommandierenden General von den verschiedensten Per- 
sonen und Stellen im Vertrauen auf die ihm während 
des Kriegszustandes zustehenden Machtbefugnisse vorgetra- 
gen wurden, seiner Entscheidung unterlagen und der Natur 
der Sachlage nach größte Beschleunigung in der Erledigung 
erforderten. Auch die Heeresverpflegung selbst gab Anlaß 
zu Eingriffen in die Kriegswirtschaft. Als die neu aufge- 
stellten Truppenkörper an Zahl immer größer wurden, war 
e# nicht möglich, deren Brotversorgung durch die bestehenden 
Militärbäckereien sicherzustellen. Deshalb trat die stellver- 
tretende Korpointendantur mit 40 Unternehmern in Ver- 
bindung, die diese Brotlieferung übernahmen. Dabei zeigte 
sich, daß die für die Mobilmachung aufgestellten Lieferungs- 
verträge den durch den Krieg verursachten Preisen nicht in 
genügender Weise hatten Rechnung tragen können. Dadurch 
traten schon nach kurzer Zeit Schwierigkeiten in der Beliefe- 
rung ein, die die Brotversorgung einzelner Garnisonen ge- 
fährdeten. Auf Grund der Berichterstattung der Intendan- 
tur an das Kgl. Sächs. Kriegsministerium wurden die Preise 
geändert, so daß die Weiterversorgung gewährleistet war. 
Weiterhin wurden auf Anregung der Intendantur im Korps- 
bereiche sieben Militärschlachtanstalten errichtet und von vier 
Truppenteilen Schlachtungen in gemieteten Fleischereien 
ausgeführt. Welchen wirtschaftlichen Wert diese Einrichtung 
hatte, geht daraus hervor, daß die Garnisonschlachtanstalten 
ohne besondere Unkosten eingerichtet werden konnten und 
daß es ihnen möglich war, den Truppen die Fleischwaren 
erheblich unter den festgesetzten Marktpreisen zu liefern. 
Die wirtschaftliche Tätigkeit der Intendantur erstreckte sich 
in gewissem Sinne auch auf die allgemeine Preioregelung. 
Als die Preise infolge der gesteigerten Nachfrage und des 
immer geringer werdenden Angebotes geradezu eine phan- 
tastische Höhe erreichten, wurden zur Bekämpfung dieses 
üÜbels bei den öffentlichen Verbänden die sogenannten Preis- 
prüfungsstellen eingerichtet, deren Mitglieder dem Erzeu- 
ger= sowie dem Verbraucherkreise entnommen wurden. Da 
die Heeresverwaltung ein Hauptverbraucher war, so war 
es nur recht und billig, daß auch Angehörige der Heeres- 
verwaltung zu Mitgliedern der Preisprüfungsstellen berufen 
wurden. Als positive Maßnahmen zur Bekämpfung des 
Wuchers seien hier die Verordnungen der Intendantur er- 
wähnt, durch die unzuverlässige Personen vom Handel aus- 
geschlossen wurden. 
Mit dem zunehmenden Mangel an Fleisch, Kartoffeln, 
Gemüse usw. veranlaßte die Intendantur die Truppen und 
Lazarette zum eignen Anbau und zur Haltung von Tieren, 
damit hierdurch einigermaßen ein Ausgleich erreicht würde. 
In den Wirtschaftsjahren 1916—18 wurden von den Trup- 
penteilen des Korpsbereiches auf einer Gesamtfläche von 
rund 170 doo qm mit einem Kostenaufwande von 10 500 
Mark etwa 600 Zentner Gemüse und 3 700 gentner Kar- 
toffeln gebaut. Mit wenigen Ausnahmen wurde der eigene 
Anbau von fast allen Truppenteilen als lohnend bezeichnet. 
Die Tierhaltung der Truppen erreichte lols# folgenden 
Stand: 599 Schweine, 21 Ninder, 603 Schafe, 12 Ziegen, 
271 Hühner, 27 Enten und 49 Kaninchen. Von den ge- 
schlachteten Tieren sind 33000 Kilo Fleisch gewonnen wor- 
den. Die Hühnerzucht ergab außer dem Fleische des 
Schlachtgeflügels rund 10 000 Stück Eier. Wenn man be- 
denkt, daß diese Angaben sich nur auf die Truppenteile 
beziehen, die Lazarette im allgemeinen noch günstigere Er- 
fahrungen gemacht haben, so muß diese von der Intendantur 
auögegangene Anregung als wirtschaftlich wertvoll bezeichnet 
werden. Auch in den durch die Intendantur organisierten 
Papier= und Schilfsammlungen ist eine gewisse wirtschaft- 
liche Tätigkeit zu erblicken. Dieses Material wurde zum 
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