Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

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Wegen des verhältnismäßigen Raummangels soll hier 
nur auf den ersten Punkt näher eingegangen werden. Hin- 
sichtlich des zweiten Punktes erstreckte sich die Tätigkeit der 
Kriegsamtstelle auf Bescheinigung von Anträgen auf vor- 
zugsweise Wagengestellung und auf Stückgutbeförderung, 
wenn Stückgutsperre verfügt war. Was die Vermehrung 
der Betriebsmittel anbetrifft, so fiel der Kriegsamtstelle 
die Aufgabe zu, Anträge auf Beschaffung neuer Wagen 
und auf Erweiterung oder Neubau von Anschlußanlagen auf 
ihre Notwendigkeit hin zu prüfen. 
Den Wagenmangel suchte die Kriegsamtstelle zu heben 
durch 
1. Maßnahmen zur Sicherstellung fristgerechter Ent- 
ladung angedienter Wagen, 
2. Veranlassung auoreichender Wagengestellung bei den 
Linienkommandanturen, 
3. Vermeidung unwirtschaftlicher Transporte, 
4. Ausnutzung unbenutzten oder nicht völlig benutzten 
Materials. 
Noch Ende Dezember 1916 wurden die Firmen des 
Korpsbereiches durch Vermittlung der Kgl. Amtshaupt- 
mannschaften und der Stadträte der exemten Städte auf 
die Notwendigkeit rechtzeitiger Entladung aus eigenen Kräf- 
ten hingewiesen. Da aber die erforderlichen Arbeitskräfte 
vielfach fehlten, wurden verschiedene Garnisonkommandos 
angewiesen, Mannschaften für militärische Entladekomman- 
dos bereitzuhalten und sie auf Anfordern der Güterabfer- 
tigungen an besonders bedrohten Bahnhöfen zu siellen. 
Um der Aufforderung zur rechtzeitigen Entladung mehr 
Nachdruck zu verleihen, wurde am 27. 12. 16 durch das 
stellvertretende Generalkommando XIX bei Androhung von 
Zwangsentladung zunächst für bestimmte sächsische Bahn- 
höfe ein Verbot von Wagenstillständen über die gesetzliche 
Entladefrist hinaus erlassen. 
Zur Vermeidung von Entladestockungen an Sonn= und 
Festtagen wurden die Unternehmer zur Entladung an diesen 
Tagen aufgefordert. Die der Sonntagcentladung entgegen- 
stehenden polizeilichen Bestimmungen über Sonntagsruhe 
wurden durch Bekanntmachung des stellvertretenden Ge- 
neralkommandos XIX vom 31. 1. 17 aufgehoben. End- 
lich wurden Anfang Februar 17 die Anschlußgleisbesitzer 
Leipzigs durch Vermittlung der Handelskammer auf- 
gefordert, ihre Entladeanlagen benachbarten Firmen zur 
Beschleunigung der Entladung zur Verfügung zu stellen. 
Neben den planmäßigen Entladekommandos, die haupt- 
sächlich für die Bedürfnisse der Eisenbahnverwaltung selbst 
bestimmt waren, wurde auf Ersuchen von Privaten in sol- 
chen Fällen, in denen überraschend aufgetretene Entlade- 
schwierigkeiten nicht durch die betreffenden Firmen behoben 
werden bonnten, vorübergehend militärische Entladehilfe ge- 
währt. Besondere Schwierigkeiten ergaben sich hierbei da- 
durch, daß die Mannschaften bei der geringen Entlohnung 
natürlich keine Neigung zu fleißiger Arbeit zeigten, anderer- 
seits die Industrie diese Kommandos wegen der gegenüber 
den Löhnen, welche die freien Arbeiter beanspruchten, außer- 
ordentlich geringen Kosten über den notwendigsten Bedarf 
hinaus anforderte. Eine Verfügung des stellvertretenden Ge- 
neralkommandos vom 23. 6. 17, die einen Auogleich durch 
Fesisetzung eines Stundenlohnes anstrebte, trat infolge 
Widerspruchs der Kgl. Generaldirektion der Sächsischen 
Staatseisenbahnen nur für die preußischen Bahnen des 
Korpobezirkes in Wirkung. Uberholt wurden sie durch eine 
Verfügung des Kriegsamtes, wonach zu gewerblichen Ar- 
beiten kommandierte Soldaten für die Dauer ihres Kom- 
mandos dasselbe Einkommen gewährt werden mußte, das 
freie Arbeiter für die gleiche Tätigkeit erhielten. 
Trotzdem bediente sich die Industrie dieser militärischen 
Hilfe mit besonderer Vorliebe, so daß die Anforderungen 
einen ungeahnten Umfang annahmen. Aus diesem Grunde 
  
und infolge der gesteigerten Ersatzansprüche des Feldheeres 
machten sich sehr bald Maßnahmen zur Herabsetzung der 
genannter Anforderungen notwendig. Diese Ermäßigung 
wurde durch eine Ablösung der Kommandos durch andere 
Arbeitskräfte sowie durch eine zweckmäßige Kontrolle und 
bessere Auonutzung der gestellten militärischen Hilfe zu er- 
reichen gesucht. 
Solche Arbeitskräfte waren z. B. Hilfsdienstpflichtige, 
Frauen und Schüler. 
Die Erfahrungen, die man mit den Hilfodienstpflichtigen 
machte, waren aber ungünstig, denn diese Arbeitskräfte 
waren den Ansirengungen vielfach nicht gewachsen. Die 
Bildung von besonderen Entladekolonnen aus Hilfsdienst- 
bflichtigen erwies sich vor allem wegen der geringen der 
im Korpobereich zur Verfügung stehenden Kräfte als un- 
durchführbar. Gegen den Erlaß einer Verordnung über 
allgemeine Arbeitshilfe auf Grund des Belagerungszustand- 
gesetzes oder des Kriegsleistungsgesetzes zur Gewinnung von 
Arbeitskräften erhoben sich nach eingehender Prüfung in 
Würdigung der besonderen Verhältnisse des Korpsbezirkes 
so starke Bedenken, daß davon abgesehen werden mußte. 
Mit Vorteil wurden dagegen weibliche Arbeitskräfte als 
Ersatz herangezogen. Auch Kriegsgefangene wurden nament- 
lich durch die Arbeiterauögleichstellen beschäftigt, doch war 
ihre Verwendungsmöglichbeit beschränkt. Erstens stieß die 
Verständigung auf Schpwierigkeiten, zweitens schloß die 
Gefahr der Sabotage ihre Beschäftigung an vielen Stellen 
aus, endlich gestattete die notwendige Bewachung nur die 
Verwendung in geschlossenen Trupps und machte besondere 
Vorsicht bei der Unterbringung erforderlich. 
Wertvolle Mithilfe leisteten namentlich bei der Abladung 
und Abfuhr der Kartoffeleingänge im Herbst 1917 die 
Jungmannen. 
Erfolgreich waren die Gründungen von Arbeiteraus- 
gleichstellen auf der Grundlage von G. m. b. H.-# in Leipzig 
und Chemnitz, durch die der Bedarf an militärischen Ar- 
beitskräften weiter herabgesetzt wurde. Die in Leipzig am 
25. 10. 17, in Chemnitz am 14. 11. 17 gegründeten Ar- 
beiterausgleichstellen traten als selbständige Arbeitgeber auf 
und warben Hilfsdienstpflichtige und Kriegsgefangene an; 
in Rlauen übernahm der städtische Arbeits#achweis dieselbe 
Aufgabe. 
Das ziel der Hilfsmaßnahmen für den Personenverkehr 
war die Sicherstellung alles kriegswichtigen Zivilverkehrs. 
Die in Betracht kommenden Maßnahmen ersireckten sich auf: 
1. Die Vermittlung der Wagengestellung für Trans- 
porte von Hilfsdienstpflichtigen und Helferinnen, 
2. Die Befürwortung oder Beantragung der Erleichte- 
rung für den kriegswirtschaftlich notwendigen Ver- 
kehr insbesondere der Arbeiter, 
3. Beschränkung alles nicht unbedingt nötigen Per- 
sonenverkehrs. 
Im Straßenbahnverkehr war das Ziel der Maßnahmen: 
I. Aufrechterhaltung des Betriebes zur Durchführung 
des kriegswirtschaftlich unbedingt notwendigen Per- 
sonenverkehrs, 
2. Ausnutzung der Straßenbahn für Gütertransporte. 
Zur Erreichung dieses Zieles wies die Kriegsamtstelle der 
Straßenbahn Material und Personal zu. Außerdem wurde 
eine Staffelung der Arbeitszeit in den grösseren briegs- 
wichtigen Betrieben angestrebt, damit sich der Andrang zur 
Straßenbahn in den Hauptverkehrszeiten verringerte. 
Der Fuhrverkehr, vor allem die An= und Absuhr der 
Bahngüter, erforderte: 
1. Hilfsmaßnahmen zur Sicherstellung der notwen- 
digen Zugmittel, 
2. Die Förderung ber Beschaffung von Arbeitskräften. 
Die Binnenschiffahrt wurde durch Beschaffung fachkun- 
 
	        
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