Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

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und bei denen sich die Truppe lebhaft beteiligt. Es ist er- 
staunlich, welche Kräfte und welcherlei Künstler ein Ba- 
taillon oder eine Artillerieabteilung, ja schon eine Reiter- 
schwadron oft birgt. Indes kann der Feldgeistliche hierbei 
nur Mithelfer, vielleicht auch Anreger sein; sein Amt läßt 
ihm nicht viele Zeit und Kraft frei. Er muß aber suchen, 
eine feste Höhenlage bei solchen Veranstaltungen zu sichern. 
Auch manche Offiziere und Arzte haben hier ihr Bestes 
gegeben. 
Doch nun wollen wir den Feldgeistlichen zu seinen Trup- 
pengottesdiensten begleiten! Wo Gotteshäuser vorhanden 
und noch unversehrt sind oder wo sie doch noch ein sicheres 
Obdach oder eine Orgel bieten, geht's in die französischen 
Kirchen. Doch wird der französische Ortsgeistliche rücksichts- 
voll um Uberlassung der Kirche gebeten. Ich persönlich habe 
ihm zugleich stets versprochen, um das Empfinden des 
Katholiken nicht zu verletzen, daß sein Altar nicht betreten 
werden solle. Der „curé“ oder sein Vikar oder beide wa- 
ren dann oft Zeugen unseres Gottesdienstes. Besonderen 
Eindruck machte auf sie der 
mächtige Gemeindegesang 
unserer Truppen, was sie 
nicht verhehlten. Mancher 
von ihnen hörte ein deut- 
sches, tausendstimmiges 
Kirchenlied zum ersten 
Male. Freilich meinte 
einer, es sei ihm der ge- 
waltige Gesang doch mehr 
chanson als cantiquc ge- 
wesen, mehr weltlicher Ge- 
sang, als die getragenc, 
alte Kirchenweise. Gewiß, 
unsere Choräle haben von 
volkstümlichen Weisen 
manches Übernommen. 
In den meisten franzö- 
sischen Kirchen fanden wir 
das Standbild der Jung- 
frau von Orleans, selbst 
noch auf deutsch-lothringi- 
schem Boden, und bei dem 
meist festlich und zur 
Verehrung geschmückten 
Standbilde eine gedruckte 
Anrufungstafel, auf der die Jungfrau als Beschirmerin 
Frankreichs bezeichnet war. Auf der Kanzel lag wohl ein 
Gebet um Frieden, in französischer Sprache, das vom 
jetzigen Papst verfaßt ist. 
Wenn in einer Kirche regelmäßiger Truppengottesdienst 
gehalten wurde, fand sich bald auch ein Häuflein franzö- 
sischer Protestanten herzu. Ein Teil von ihnen verstand 
Deutsch, freilich nur nahe an der Grenze. Die meisten 
sprachen aber nur französisch, und ich habe ihnen dann 
wohl in der Predigt einige französische Sätze zugerufen, 
deren Inhalt sie mit dankendem Kopfnicken bekräftigten. 
Die Feldgrauen sahen dann fragend zur Kanzel hinauf, 
worauf ihnen der Inhalt des glaubensbrüderlichen Grußes 
erst verdeutscht wurde. Die französischen Katholiken gingen 
ebenso in unsere katholischen Militärgottesdienste zur Messe 
— beides Beweise, wie friedlich und gesittet das Verhältnis 
der deutschen Truppe zur Einwohnerschaft war. 
Eine größere Anzahl völlig oder ziemlich erhaltener 
Kirchen lag in unserem Diovisionsbereiche, freilich auch 
manche gänzlich zerschossene. Wohl die meisten Gottes- 
dienste wurden aber im Freien gehalten, zwischen Dorf- 
trümmern, im Schutze stärkerer Hausgiebel, in Wäldern, 
in Felskesseln — selbst während der Wintermonate. Ein 
paar Beispiele zur Veranschaulichung. 
  
Soldatengräler vor Dper#n 
Aus den Tagebüchern des Königs von Sachsen 
Der Pfarrer hat am Vormittage in einer größeren über- 
füllten Kirche gepredigt, nachdem vier Berufssänger aus 
der Truppe mit einem kunsigerechten Chorsatze den Gottes- 
dienst eingeleitet hatten; am Nachmittage hat der Prediger 
noch etwa zwei Stunden weit zu der vordersten Truppe 
durch ein günstiges Waldgelände vorzureiten. Die ganze 
Front ist in lebhafte Unruhe gekommen, seitdem wenige 
Tage zuvor bei Verdun den Franzosen eine wichtige Panzer- 
feste entrissen worden war. Der Feind streut auf der Ver- 
längerung der Verdunfront weithin alle ihm bekannten 
Schützengräben, Ortsunterkünfte, Zufuhrstraßen, die Feuer- 
stellungen der Batterien mit erbittertem Eifer ab. Sogar 
Waldschluchten, die seit langem unbehelligt geblieben waren, 
belegt er mit unberechenbaren Feuerüberfällen. Also ist 
vorsichtiges Reiten und Ausnutzen der Geländedeckungen 
ratsam. Der Weg führt durch einen von keinem Franzosen 
mehr bewohnten Ort, in dem jetzt deutsche Truppen liegen. 
Er wird seit einigen Tagen öfter beschossen. Also in einem 
flotteren Trabe durch die lange Dorfgasse. Ebenso über 
ein gern vom Feinde heim- 
gesuchtes Wegekreuz. Noch 
eine ungeschützte Strecke 
bis zum Walde. Das Ge- 
wehrfeuer der vorderen 
Linie schwillt schon an. 
Auch die dumpfen Schläge 
der platzenden Minen er- 
krachen näher. 
In dem einstigen Orte, 
dem Ziele des Rittes, ist 
nur die ganz geschützt lic- 
gende Kirche bis auf einen 
Dachtreffer unversehrt und 
neben ihr das Nachbar- 
haus; sonst nichts als 
Trümmer. Von hier sind 
die Gräben der Truppe 
nicht mehr weit und nä- 
hern sich denen des Fein- 
des bis auf fünfzig Meter, 
selbst auf dreißig Meter 
Abstand. Der Gottesdienst 
für einige abgelöste Kom- 
pagnien läßt sich in der 
Kirche halten, nur muß 
die Ansammlung den feindlichen Fliegern verborgen bleiben. 
Als während der Feier ein paar feindliche Minen näher 
einschlagen, lauscht die Gemeinde nur einige Augen- 
licke, in welcher Richtung die Geschosse kommen und 
welche Größe sie haben bönnen, dann sind alle wieder 
bei der Sache. Doch vor völliger Dunkelheit ist der 
Rückritt nötig. Ob die kurze Kunststraße reitbar ist, die 
bisher, weil vom Feinde eingesehen, verboten war, aber 
nun seit einigen Tagen durch eine Reisigmaske dem Ein- 
blick des Feindes versperrt ist? Die Offiziere meinen, wenn 
einzelne Reiter in flottem Trabe und in Abständen ritten, 
sei der nahe Weg zu empfehlen. Also los! Mit dem Bur- 
schen komme ich auch ungefährdet bis an ein zertrümmer- 
tes Dorf, das schon im Talkessel vor uns liegt. Da setzt 
die Bescherung ein. Ein Sanitätswagen rast mit scheu ge- 
wordenen Pferden an uns vorüber. Doch nach einigen 
Granaten wird's stille. Nun eiligst durch das Dorf, das 
wir leider der eingeschnittenen Gräben wegen nicht umgehen 
können. Doch hart hinter uns her folgen neue Schüsse auf 
den Ostausgang. Nach einer guten halben Stunde sind wir 
wohlbehalten im Quartier. So geht's wochenlang, monate- 
lang bei manchem Vorritt zur vorderen Linie. Gleich der 
nächste Tag brachte ein gefährlicheres Gegenstück. An einer 
anderen Frontstelle ist der Feldgeistliche zu einem Begräbnis 
 
	        
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