Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

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Zu diesem Beispiele füge ich ein anderes. Vor Verdun 
war eine größere Feier, zu der 25 Divisionen eingeladen 
waren, ihre Abordnungen zu entsenden, und viele Mit- 
kämpfer der Verdunschlachten waren entsandt. Der preu- 
Kßische Kronprinz, der Oberbefehlshaber General v. Gallwitz, 
der kommandierende General de# XV. Armeekorps, sowie 
mehrere Divisionskommandeure (auch zwei sächsische) wa- 
ren zugegen. Es galt die feierliche Einweihung eines der 
zahlreichen Kriegerfriedhöse und die ÜUbernahme eines statt- 
lichen Denkmals, das ein feldgrauer Künstler ausgeführt 
hatte. Auch der Oberbefehlshaber sprach und von franzö- 
sischer Seite der zuständige Bürgermeister, der die Be- 
schützung des Friedhofes und des Denkmals versprach. Von 
deutscher Seite waren die zahlreichen Gräber der Fran- 
zosen, auch einige von russischen Kriegsgefangenen mit der 
gleichen Sorgfalt hergerichtet, wie die deutschen Gräber. 
In die Feier dröhnte starkes Trommelfeuer. Der Erzähler 
setzt seine bei dieser Einweihung gehaltene Ansprache zur 
Veranschaulichung solcher Feiern und der Ausstattung von 
Kriegerfriedhöfen hierher. Der Eigenart der ganzen Feier 
entsprechend, ist Sprache und Ton der Ansprache getragener; 
Feldpredigten werden einfacher, volkstümlicher, andringen- 
der gehalten. Eine sächsische Regimentskapelle leitete die 
Feier ein und beschloß sie. 
Rede bei der Weihung des Kriegerfriedhofes in 
La Mourière und seines Denkmals am 20. 9. 1917 
Der Choral, der unsere Feier einleitete, ist der König 
der Choräle genannt worden: „Wachet auf, ruft uns die 
Stimme der Wächter sehr hoch von der Zinne“. Mögen 
die Ewigkeitsklänge, die hell und stark aus diesem Choral 
uns anwehen, möge der weltüberwindende Glaubenstrost, 
der seine Töne verklärt, auf unsere Feier übergehen! Möge 
diese Stunde in uns nachhallen wie der Schluß dieses 
Chorals: 
Gloria sei dir gesungen 
mit Menschen= und mit Engelzungen, 
mit Pauken und mit Cimbeln schön! 
Von zwölf Perlen sind die Tore 
an deiner Stadt, wir stehen im Chore 
der Engel hoch um deinen Thron. 
Kein Aug' hat je gespürt, 
kein Ohr hat je gehört 
solche Wonnel 
Des jauchzen wir 
und singen dir 
das Hallelujah 
für und für. 
Aber noch ein anderer Choral umbraust uns seit Wochen 
mit größter Stärke: Der Geschützkampf dort an der Front, 
dieser tobende Orkan von Eisen und Tod. Nicht wahr, 
dieser Trommelwirbel hat seine eigene eisenhaltige, furcht- 
bare Musik? Wer aber in seiner Bibel lebt, hört aus diesen 
dumpfen Wogen den alten Trutz= und Siegespsalm heraus: 
Darum fürchten wir uns nicht, wenngleich das Merr wü- 
tete und wallete und von seinem Ungestüm die Berge ein- 
fielen; dennoch soll die Stadt Gottes fein lustig bleiben 
mit ihren Brünnlein, da die heiligen Wohnungen des Höch- 
sten sind; Gott ist bei ihr darinnen! Ob hochgetürmte 
Seen, ob rollende Feuerwogen, sie sollen uns den 46. Psalm 
in die Seelen hämmern! 
Unter solchen Eindrücken sieht unsere ernste Feier. Sie 
ist ein Werk des Friedens, des Glaubens, der Liebe, der 
Dankbarkeit. Wir wollen heute diesen großen Krieger- 
friedhof weihen und das eben fertiggestellte Denkmal feier- 
lich seinem Zweck übergeben, das künstlerische Kameraden= 
hand so würdig, markig und sinnvoll gestaltet hat. Wie 
die Schwertwächter dort am Denkmal den Ehrenschild und 
den Ehrenkranz hüten, so wollen wir, zumal alle diese 
Abordnungen der Kampftruppen, das Andenken an die 
toten Tapferen in Ehren halten. 
Etwa 900 Gräber vereint biöher dieser Friedhof. In 
seinen Reihen ruhen die Gebeine deutscher Krieger von 
Elsaß-Lothringen bis an die Ostmarken, von der nieder- 
deutschen Ostsee bis zu den bayerischen Bergen. Diese Toten 
sind verschieden nach Alter und Beruf, nach Lebensstellung 
und Lebensanschauung. Jünglinge und Familienväter — 
aber sie alle sind mit dem Gelübde hinausgezogen: „Leb 
Vaterland, magst ruhig sein“, und sie alle haben ihre 
Treue bis zum Tode bewährt. 
Bewegten Herzens gedenken ihrer Gefallenen zumal die 
Vertreter der Korps, der Dwisionen und der Regimenter, 
die hier schwere Blutarbeit zu bestehen hatten. Für diese 
Truppe ist jede Erinnerung an die grausige Größe ihrer 
Kämpfe so anschaulich, so seelenzwingend, daß ihr Herz 
eben wieder stärker an die Rippen pocht, daß auch wohl 
manche verheilte Wunde von neuem aufbricht. 
Mit den Unseren vereint liegen auf diesem Friedhof 
viele Krieger Frankreichs, auch eine Anzahl Russen; Freund 
und Feind in denselben Reihen, mit denselben Ehren be- 
stattet, die Gräber mit derselben Treue gepflegt. Wir ehren 
die Toten der uns zu unserem Bedauern so feindseligen 
Völker und bedenken, daß auch die feindlichen Krieger für 
ihr Vaterland ihr Leben gelassen haben, daß die Anver- 
wandten dieser Toten mit weinendem Herzeleid ihrer ge- 
denken, daß wir vor demselben Gott leben und sterben. 
Auch diese Toten ehrt unsere Feier, dieser Friedhof, dieses 
Denkmal! 
Doch nicht allein die hier Ruhenden umfaßt unsere Ge- 
denkfeier. Unsere Seele spannt ihre Flügel und grüßt heute 
vor Gottes Angesicht unsere Opfer alle, deren Hüllen wir 
auf den Schlachtgefilden von Verdun und weiter, weiter 
hinaus auf den Kampfgefilden wissen. 
Wer von hier frontwärts marschiert, trifft zerstreute 
Gräber in langer Kette, einzelne oder Sammelgräber, die 
keine Namen tragen. Beim Vormarsch ist es zeitweise 
nicht möglich gewesen, alle Toten alsbald so zu bestatten, 
wie es die Liebe und die Sitte gebieten. Auch diese Grab- 
stätten der Namenlosen grüßen wir heute und rufen das 
Wort des Lebensfürsten über ihre Stätten und in den 
Schmerz ihrer Hinterbliebenen: „Freuet euch, daß eure 
Namen im Himmel geschrieben sind!“ 
Noch eines anderen Gräberfeldes gedenkt unsere Treue. 
Vorne liegt es im zerwühlten, zerschossenen, mit Granat- 
trichtern übersäeten Gelände. Wie haben wir dort die Leiber 
von Helden bestatten müssen! Und dennoch sagen wir es 
ihren Lieben mit getroster Zuversicht, daß selbst die Großen 
der Erde in Fürstengrüften und Nuhmesstätten oder in ge- 
weihten Domen nicht ehrenvoller bestattet liegen, als diese 
Helden der Treue. Auch hier um Verdun kommt uns das 
Wort des Neuen Testamentes in die Seele, mit dem die 
Heilige Schrift die Blutzeugen des Glaubens ehrt: „Sie 
wurden zerhackt, zerstochen, durchs Schwert getötet; sie 
sind umhergegangen mit Mangel, mit Trübsal, mit Un- 
gemach, deren die Welt nicht wert war, und sind im Elend 
gegangen in den Wüsten, auf den Bergen und in den 
Klüften und Löchern der Erde.“ Uber die Granatfelder mit 
allen ihren Gräbern dringt Christi Wort: „Eine größere 
Liebe hat niemand, denn die, daß er sein Leben lasse für 
seine Freunde“ — und das andere Heilandswort: „Wer 
mein Wort wird halten, der wird den Tod nicht sehen 
ewiglich.“ 
Über alle diese Gräberfelder nah und fern, von diesem 
Friedhofe an bis zu den Städten des heißesten Schlachten= 
odems strecken wir heute die Hände aus — segnend, 
dankend, fürbittend. Für diese Opfer der Treue ist kein
	        
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