kompagnie, ein geschickter Gärtner, „den Josef“ nannten
wir ihn, sorgte fuͤr eine würdige Herrichtung und geschmack-
volle Bepflanzung der Gräber; in einer Werkstatt wurden
Holzkreuze — die Inschrift in Brandmalerei — und künsi-
lerische Grabsteine hergestellt. Der ganze Friedhof war so
recht eine Weihestätte, abgeschieden vom Verkehr, der drau-
ßen auf der Straße vorbeibrauste, umrauscht von den hohen
Bäumen, umhegt von lauter Grün, dabei so schmuck und
sauber gehalten, als ob treue Hände von Angehörigen die
Gräber pflegten.
Die Schützen hatten sich zuletzt von allen einen eigenen
Friedhof geschaffen. Ihre Frontfriedhöfe am Wald hinter
den Trümmern von Lazville-aux-bois und die „Walhalla“
an der Rheimser Straße unter dem großen wilden Birn-
baum lagen zu oft unter Feuer; die Gräber waren der Zer-
störung ausgesetzt. Da entschloß sich das Regiment, bei
Berrieux, dem Hauptruheort der Kompagnien, an einem
wundervoll gelegenen Platz einen ganz neuen Friedhof
anzulegen. Der Dreodener Kunstarchitekt, Leutnant d. R.
Ermisch, beraten von dem „Schützenpastor“ Leutnant d. R.
Köhler, der — im Frieden Pastor in Pulsnitz — seit
Juni 1915 mit der
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wieder zu seiner 9. Kompagnie zurücktreten zu dürfen. In
einem letzten Brief sprach er den Wunsch aus, wenn er
falle, auf dem Schützenfriedhof in Berrieuxr beigesetz zu
werden. Sein Wunsch konnte nicht erfüllt werden. Er fiel
am 4. September 1916 bei Chaulnes an der Spitze seines
Zuges, den er gegen feindliche Maschinengewehre auch dann
noch führte, als ihm die rechte Hand zerschossen worden
war. Seine Leiche blieb zwischen den Linien liegen und konnte
nicht geborgen werden. Möge ihm ein ehrliches Soldaten-
grab geworden sein, der seinen Schützen eine so würdige
— schaffen half!“)
Wie die Sachsen ihre geistlichen Lieder
singen können
Von Militäroberpfarrer O. K. R. Neumeister, Div.-Pfarrer der 23.J.-D.
Ich habe immer wieder meine helle Freude daran gehabt,
wie gut und kräftig und mit innerem Anteil unsere Sachsen
im Feld ihre geistlichen Lieder gesungen haben. Das trat
vor allem dann in die Erscheinung, wenn die Begleitung
( durch Orgel, Harmo-
Seelsorge im Regiment
beauftragt war, entwarf
den Plan. Am Hang
eines berasten Hügels
stieg der Friedhof hinab
in der Richtung auf den
Schloßpark von Belval,
oben bildeten alte
Bäume und Buschwerk
den Abschluß; Hecken
umrahmten die Flan-
ken des Friedhofs. Um
ein ragendes Riesen-
kreuz von Eichenholz
gruppierten sich auf
der Höhe mächtige Le-
bensbäume. Die Grä-
ber waren in Gruppen
geordnet;z die zusammen
gefallen waren, erhiel-
ten ein gemeinsames Grabdenkmal und außerdem jedes
Grab einen schlichten Stein oder ein Holzmal mit
dem Namen des Gefallenen. Geschmackvolle Steine
wechselten mit künstlerisch gestalteten und bemalten
Eichenkreuzen und mit schmiedeeisernen Grabkreuzen. Mit
viel feinem Sinn und mit erlesenem Kunstgeschmack
wurden die Denkmäler dem besonderen Fall angepaßt.
Hier ein Stein mit dem Reichsadler und der Kaiser-
krone für fünf Schützen, die gerade an Kaisers Ge-
burtstag gefallen waren. Dort ein Holzdenkmal in Marterl-
form mit allerhand Waidmannszeichen; ein Forstmann ist
dort zum letzten Schlaf gebettet. Dort eine stehende Platte
von Kalkstein mit dem Relief eines Reitero nach Art der
griechischen Kunst; an ihrem Fuß ruht ein Leutnant vom
20. Husarenregiment. Auf vielen Grabsteinen das Jäger-
born, das auch die Schützen als Abzeichen auf der Achsel-
klappe tragen. — Im. Ort befand sich eine geräumige Werk-
statt, wo K schler, Schriftmaler, Kunst-
schlosser unter der Oberaufsicht des künstlerischen Leiters, des
Leutnant Ermisch, arbeiteten. Von ihm stammten die meisten
Entwürfe; die Sprüche und Losungen, die die Denkmäler zier-
ten, die Gedanken, die sie verkörpern sollten, hatte meist der
feinsinnige „Schützenpastor“ Leutnant Köhler ersonnen. Er
hing an seinem Friedhof, auf dem er so manches Mal ge-
standen hatte, um einem Kameraden vom Regiment die Ge-
dächtnisrede zu halten. Als es an die Somme ging, bat er
für die Zeit der Schlacht seine geistliche Arbeit niederlegen und
Kirchhof Neuschätel
nium oder Musikkapelle
fehlte.
Mir sind einige Got-
tesdienste unvergeßlich
durch ihren machtvollen
und herzandringenden
Gesang.
Wir hielten am 5. 9.
1914 nach dem atem-
raubenden seiegreichen
Vormarsch am ersten
Rasttag Feldgottes=
dienste für die ganze
23.Division bei Isse vor
Chälons und bei Aigny
am Marnekanal. Wie
brauste damals das
„Nun danket alle Gott“
übers Feld. Die Her-
zen waren so voll Ju-
bels über die Erfolge und voll froher Hoffnung auf ein
nahes Ende des Krieges.
14 Tage später traten die zusammengeschossenen, von
Strapazen und Entbehrungen erschöpften und abgezehrten
Schützen und Kaisergrenadiere bei Juvincourt zu Gottes-
diensten an, die Schützen in einer Senke bei der Marien-
kapelle am Westausgang des Orts, die Kaisergrenadiere
eine Stunde später am Ostausgang unter rauschenden hohen
Pappelngegen Fliegersicht gedeckt. Wir simmten das „Harre
meine Seele“ an. Das klang wie ein herzergreifender Not-
scheei zu Gott und zugleich wie ein inniges Gebet voll
Mröchten, so tief aus der Seele beraus, daß mir's heiß
in die Augen stieg, und nicht bloß mir: über manches ge-
bräunte, von einem verwilderten Kriegsbart umrahmte
Gesicht sah ich lichte Tropfen rinnen. Von der nahen Front
ber grollte die Schlacht, und über dem Dorf platzten zum
Schluß der Gottesdienste die Schrapnells, zum Glück ab-
seits der Gottesdienstplätze.
Wenige Tage darauf hielt ich im ruhigen Montaigu vor
ruhenden Feldlazaretten und Kolonnen einen Gottesdienst
in der alten geräumigen Kirche des Orto. Der französische
Pfarrer wollte mir zuerst die Kirche nicht öffnen. Ich setzte
mich aber mit ihm im Guten auseinander, und merkwürdig,
er saß beim Gotteodienst selbst mit oben auf der Orgelempore.
Die Kirche war bis auf den letzten Platz gefüllt, in den
Gängen standen sie wie Mauern, meist Landwehrleute mit
*) Siehe auch Band 1, Seite 255.
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