Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

kompagnie, ein geschickter Gärtner, „den Josef“ nannten 
wir ihn, sorgte fuͤr eine würdige Herrichtung und geschmack- 
volle Bepflanzung der Gräber; in einer Werkstatt wurden 
Holzkreuze — die Inschrift in Brandmalerei — und künsi- 
lerische Grabsteine hergestellt. Der ganze Friedhof war so 
recht eine Weihestätte, abgeschieden vom Verkehr, der drau- 
ßen auf der Straße vorbeibrauste, umrauscht von den hohen 
Bäumen, umhegt von lauter Grün, dabei so schmuck und 
sauber gehalten, als ob treue Hände von Angehörigen die 
Gräber pflegten. 
Die Schützen hatten sich zuletzt von allen einen eigenen 
Friedhof geschaffen. Ihre Frontfriedhöfe am Wald hinter 
den Trümmern von Lazville-aux-bois und die „Walhalla“ 
an der Rheimser Straße unter dem großen wilden Birn- 
baum lagen zu oft unter Feuer; die Gräber waren der Zer- 
störung ausgesetzt. Da entschloß sich das Regiment, bei 
Berrieux, dem Hauptruheort der Kompagnien, an einem 
wundervoll gelegenen Platz einen ganz neuen Friedhof 
anzulegen. Der Dreodener Kunstarchitekt, Leutnant d. R. 
Ermisch, beraten von dem „Schützenpastor“ Leutnant d. R. 
Köhler, der — im Frieden Pastor in Pulsnitz — seit 
Juni 1915 mit der 
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wieder zu seiner 9. Kompagnie zurücktreten zu dürfen. In 
einem letzten Brief sprach er den Wunsch aus, wenn er 
falle, auf dem Schützenfriedhof in Berrieuxr beigesetz zu 
werden. Sein Wunsch konnte nicht erfüllt werden. Er fiel 
am 4. September 1916 bei Chaulnes an der Spitze seines 
Zuges, den er gegen feindliche Maschinengewehre auch dann 
noch führte, als ihm die rechte Hand zerschossen worden 
war. Seine Leiche blieb zwischen den Linien liegen und konnte 
nicht geborgen werden. Möge ihm ein ehrliches Soldaten- 
grab geworden sein, der seinen Schützen eine so würdige 
— schaffen half!“) 
Wie die Sachsen ihre geistlichen Lieder 
singen können 
Von Militäroberpfarrer O. K. R. Neumeister, Div.-Pfarrer der 23.J.-D. 
Ich habe immer wieder meine helle Freude daran gehabt, 
wie gut und kräftig und mit innerem Anteil unsere Sachsen 
im Feld ihre geistlichen Lieder gesungen haben. Das trat 
vor allem dann in die Erscheinung, wenn die Begleitung 
( durch Orgel, Harmo- 
  
Seelsorge im Regiment 
beauftragt war, entwarf 
den Plan. Am Hang 
eines berasten Hügels 
stieg der Friedhof hinab 
in der Richtung auf den 
Schloßpark von Belval, 
oben bildeten alte 
Bäume und Buschwerk 
den Abschluß; Hecken 
umrahmten die Flan- 
ken des Friedhofs. Um 
ein ragendes Riesen- 
kreuz von Eichenholz 
gruppierten sich auf 
der Höhe mächtige Le- 
bensbäume. Die Grä- 
ber waren in Gruppen 
geordnet;z die zusammen 
gefallen waren, erhiel- 
ten ein gemeinsames Grabdenkmal und außerdem jedes 
Grab einen schlichten Stein oder ein Holzmal mit 
dem Namen des Gefallenen. Geschmackvolle Steine 
wechselten mit künstlerisch gestalteten und bemalten 
Eichenkreuzen und mit schmiedeeisernen Grabkreuzen. Mit 
viel feinem Sinn und mit erlesenem Kunstgeschmack 
wurden die Denkmäler dem besonderen Fall angepaßt. 
Hier ein Stein mit dem Reichsadler und der Kaiser- 
krone für fünf Schützen, die gerade an Kaisers Ge- 
burtstag gefallen waren. Dort ein Holzdenkmal in Marterl- 
form mit allerhand Waidmannszeichen; ein Forstmann ist 
dort zum letzten Schlaf gebettet. Dort eine stehende Platte 
von Kalkstein mit dem Relief eines Reitero nach Art der 
griechischen Kunst; an ihrem Fuß ruht ein Leutnant vom 
20. Husarenregiment. Auf vielen Grabsteinen das Jäger- 
born, das auch die Schützen als Abzeichen auf der Achsel- 
klappe tragen. — Im. Ort befand sich eine geräumige Werk- 
statt, wo K schler, Schriftmaler, Kunst- 
schlosser unter der Oberaufsicht des künstlerischen Leiters, des 
Leutnant Ermisch, arbeiteten. Von ihm stammten die meisten 
Entwürfe; die Sprüche und Losungen, die die Denkmäler zier- 
ten, die Gedanken, die sie verkörpern sollten, hatte meist der 
feinsinnige „Schützenpastor“ Leutnant Köhler ersonnen. Er 
hing an seinem Friedhof, auf dem er so manches Mal ge- 
standen hatte, um einem Kameraden vom Regiment die Ge- 
dächtnisrede zu halten. Als es an die Somme ging, bat er 
für die Zeit der Schlacht seine geistliche Arbeit niederlegen und 
  
  
Kirchhof Neuschätel 
nium oder Musikkapelle 
fehlte. 
Mir sind einige Got- 
tesdienste unvergeßlich 
durch ihren machtvollen 
und herzandringenden 
Gesang. 
Wir hielten am 5. 9. 
1914 nach dem atem- 
raubenden seiegreichen 
Vormarsch am ersten 
Rasttag Feldgottes= 
dienste für die ganze 
23.Division bei Isse vor 
Chälons und bei Aigny 
am Marnekanal. Wie 
brauste damals das 
„Nun danket alle Gott“ 
übers Feld. Die Her- 
zen waren so voll Ju- 
bels über die Erfolge und voll froher Hoffnung auf ein 
nahes Ende des Krieges. 
14 Tage später traten die zusammengeschossenen, von 
Strapazen und Entbehrungen erschöpften und abgezehrten 
Schützen und Kaisergrenadiere bei Juvincourt zu Gottes- 
diensten an, die Schützen in einer Senke bei der Marien- 
kapelle am Westausgang des Orts, die Kaisergrenadiere 
eine Stunde später am Ostausgang unter rauschenden hohen 
Pappelngegen Fliegersicht gedeckt. Wir simmten das „Harre 
meine Seele“ an. Das klang wie ein herzergreifender Not- 
scheei zu Gott und zugleich wie ein inniges Gebet voll 
Mröchten, so tief aus der Seele beraus, daß mir's heiß 
in die Augen stieg, und nicht bloß mir: über manches ge- 
bräunte, von einem verwilderten Kriegsbart umrahmte 
Gesicht sah ich lichte Tropfen rinnen. Von der nahen Front 
ber grollte die Schlacht, und über dem Dorf platzten zum 
Schluß der Gottesdienste die Schrapnells, zum Glück ab- 
seits der Gottesdienstplätze. 
Wenige Tage darauf hielt ich im ruhigen Montaigu vor 
ruhenden Feldlazaretten und Kolonnen einen Gottesdienst 
in der alten geräumigen Kirche des Orto. Der französische 
Pfarrer wollte mir zuerst die Kirche nicht öffnen. Ich setzte 
mich aber mit ihm im Guten auseinander, und merkwürdig, 
er saß beim Gotteodienst selbst mit oben auf der Orgelempore. 
Die Kirche war bis auf den letzten Platz gefüllt, in den 
Gängen standen sie wie Mauern, meist Landwehrleute mit 
*) Siehe auch Band 1, Seite 255. 
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