sie freuten sich mit, und schrieben's nach Hause, wie mir
mehrfach von andern erzählt wurde.
Von einem Bataillonskommandeur wurde ich einmal
gebeten, die Leute an den Ostertagen im Graben zu besuchen,
da sie infolge des schweren, aufreibenden Dienstes der da-
maligen Stellung von La Bassêe der Aufmunterung sehr
bedürften und sich über den Besuch ihres Pfarrers freuen
würden. Später wurde ich mit einem Mitglied des christ-
lichen Jungmännervereins gebeten, Bibelstunden zu halten.
Ülber jede solche Anregung aus der Gemeinde freute man
sich sehr. Aber solche Rufe blieben leider sehr vereinzelt.
Nur in ruhigen Zeiten und an stillen Orten ist diese Seel-
sorge an den einzelnen möglich. Bei dem bewegten Leben
der Kavalleriedivision, mit der ich in den Augusttagen 1914
ins Feld zog, war es selten möglich, auf dem Marseh, beim
Sammeln der Division oder in den Quartieren mit ein-
zelnen Fühlung zu nehmen. Der Stellungskampf im Westen
und Osten bot weit günstigere Gelegenheit. Manch unver-
geßliche Erinnc- » —
rung knüpft sich «
an stille Zwie-
gespräche, die ich
mit Offizieren
und Mannschaf-
ten in den Quar-
tieren und Stel-
lungen Flanderns
und Nordfrank-
reichs hatte. Vol-
lends in Galizien,
wo Bataillone
zeitweisemonate-
lang in Stellung
an der Narajowka
und am Zbrucz
gelegen haben,
mußte der Pfar-
rer zu ihnen
gehen. Da wurde
regelmäßig der
Posten am Ma-
schinengewehr,
der Arbeiter im Graben, der Sanitäter um Unterstand, der
Kanonier am Geschütz aufgesucht und manche Bekanntschaft
geknüpft, die später wieder aufgefrischt werden konnte. Und
gerade im letzten Jahre 1918 war es wertvoll, in enger per-
sönlicher Fühlung mit den einzelnen zu bleiben. Nie werde ich
es vergessen, wie tiefer Ernst und feste Siegeszuversicht alle
in den Massenquartieren und in den Erdlöchern und Kellern
vor Cambrai beseelte, ehe die große Märzoffensive begann.
Niemand zweifelte, daß der große Plan gelingen und das
Ende des Krieges bringen werde. Aber als sie dann im Juli in
den zerfallenen Gräben an der Aisne vor Soissons lagen und
vergebens Woche um Woche auf Ablösung warteten, da tat
es bitter not, gerade auch durch persönliche Besuche und
aufmunternde Worte den Geist zu immer neuer Geduld,
festem Vertrauen und unerschütterlicher Treue anzuspornen.
Aber freilich, wenn die eigentliche Schlacht beginnt, wenn
die Granaten und Minen heulend und krachend einschlagen,
dann ist der Geistliche nicht mehr vorn. Wohl mancher hat
das ausgesprochen oder bei sich gedacht und seinem Pfarrer
zum stillen Vorwurf gemacht. Mit Unrecht. Denn dann hat
der Pfarrer nichts vorn zu suchen; dann hat niemand mehr
Zeit für ihn, dann muß jeder auf den Feind achten und
tun, was seine Pflicht ist. Dann muß der einzelne einmal
zehren von dem, was er an sittlicher Kraft und Gottver-
trauen in sich trägt. Der Geistliche aber wird in Zeiten
der Kämpfe viel dringender an andrer Stelle gebraucht:
im Lazarett.
*
Fliegerbeisetzung am 13. 5. 1015 (Somme)
Oberpfarrer Plah, Bapr. Fliegermajor, General v. Laffert, Fliegerhauptmann Barth
305
Aber am dankbarsien für solche Besuche waren die Schwer-
kranken und Schwerverwundeten. Wenn die Aufregung der
furchtbaren Schlacht noch in ihnen fortzitterte, wenn einer
merkte, wie die Kräfte immer mehr abnahmen, wenn einer
die Zähne zusammenbeißen musste, um den brennenden
Schmer, der Wunde auszuhalten, dann tat es ihnen so
wohl, wenn ihr Pfarrer kam und ihnen beruhigend und teil-
nehmend gegenübertrat, seine Hand auf die heiße Stirn
legte. Wie dankbar waren sie, wenn man ihnen den Becher
Tee an die fiebernden Lippen reichte, das Kissen zurecht-
rückte oder zu einer bequemeren Lage verhalf. Ich denke
noch an einen tapfern Dresdner Kämpfer, der mit vielen
Wunden schwer geplagt war, und mich inständig bat, doch
jeden Tag zu ihm zu kommen und mich an seinem Bett
niederzusetzen. Er war ganz unglücklich, wenn ich nur kurze
zeit bei ihm bleiben konnte. Wie viele baten um den Liebes-
dienst, der ihnen in solcher Stunde mit am wertvollsten
war, daß man einen Gruß und beruhigende Worte an die
» , .Angchörigenda-
heim schrieb. Zu
den schönsten
Kriegserinnerun-
gen gehören die
Dankschreiben,
die dafür aus der
Heimat zurück-
kamen und zeig-
ten, wie wertvoll
ihnen solche Mit-
teilung gewesen
war. In der Som-
meschlacht 19156
lag ein junger
Krieger mit
schwerem Brust-
schußim Lazarett.
Er fühlte seine
Kräfte schwinden
und bat mich je-
den Tag, ihm die
Losung der Brü-
dergemeinde vor-
zulesen. Dies Bibelwort gab ihm Mut, Kraft und inneren
Frieden. Oft mußte man gerade in jenen Tagen Antwort
geben auf die erregten Fragen nach dem Sinn und Zweck
des furchtbaren Blutvergießens, da doch die Völker alle
sich nach Frieden sehnten.
Weihnachtsgottesdienst im Felde
Von Ficker, 1914 bis 1916 freiwilliger Feldgeistlicher der 10. (Sächs.)
Ersatzdioision
Eindruckovoll war gleich der erste, den ich halten durfte.
Es war am Heiligabend 1914. Die kleine dürftige Kapelle
des lothringischen Grenzdorfen Igney war bis auf den
letzten Platz von Andächtigen gefüllt. Es waren Kameraden
vom Grenadier-Landwehrregiment loo mit ihrem Kom-
mandeur, Oberstleutnant von Seydlitz-Gerstenberg, an der
Spitze. Ein Teil war vor kurzem erst zus den Stellungen
gekommen. Die Freude leuchtete auf den Gesichtern, brauste
in den Chorälen. Welch ein Gegensatz auch: der Schützen-
graben und das weihnachtlich geschmückte Gotteshaus!
Kleiner war der Kreisg bei der Feier des Dioisionostabes.
Aber unvergeßlich wird auch sie geblieben sein jedem, der
daran teilnehmen durfte. Die kleine Kapelle von Rixingen
war in ein Lichtmeer getaucht. Mit außerordentlicher Liebe
und Sorgfalt war hier alles vorbereitet worden. Girlanden
zogen sich in Bogen von Wand zu Wand. Der Altar ver-
schwand fast unter einem wundervollen Aufbau von Tannen-
grün. Unter mächtigen Christbäumen war ein reicher Weih-