Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

  
  
Ausladen der angekommenen Post für das 12. A.-K. und die Divisionen auf Bahnhof Neufchätel Süd 
willkommene Beute, die für das Generalkommando mit- 
genommen wurde. Dann brachen wir auf und marschierten 
über Liory durch Waldstücke, in denen noch viel Spuren 
der vorangegangenen Kämpfe zu sehen waren, über Les 
Grandes Loges und Vaudemange nach Ambonnay, wo das 
Generalkommando bereits eingetroffen war. Bei diesem 
Marsch wurde die große Straße Reims—Chalons gekreuzt, 
und dort trafen wir zufällig Wagen, die Post zum Armee- 
Posidirektor zurückführten. Natürlich bekamen diese Wagen 
schleunigst von uns alle Post nach der Heimat, die wir 
bei und hatten. Kurz vor Ambonnay erhielten wir Post 
aus der Heimat. In Ambonnay entwickelte sich wieder 
ein äußerst lebhafter Postverkehr, namentlich war die An- 
nahme von Postanweisungen sehr stark. Dort erhielten 
wir auch vom Generalkommando so viel Gewehre, daß 
von unsern Mannschaften jeder bewaffnet war. Das gab 
den Leuten für die Märsche, die die Feldpost allein aus- 
führte, ein größeres Gefühl der Sicherheit. 
Mit der zweiten Staffel des Generalkommandos konn- 
ten wir am 6. nicht abrücken, weil die Bearbeitung der Post 
noch nicht beendet war. So wurde es wieder 2.30 mittags, 
bis wir aufbrechen konnten. Kurz vor dem Abmarsch er- 
reichte uns noch Post aus der Heimat. Einer von den 
Wagen mit 40 Beuteln mußte mitgenommen werden, 
weil alle unsere Wagen schwer beladen waren. Der Weg 
ging über Conde, wo der Marnekanal und die Marne über- 
schritten wurden, und Jalons auf die große Straße Epernay 
—Chalons. Zuerst hatten wir mit bedeutender Geschwin- 
digkeit vorwärts marschieren können. Je mehr wir uns 
aber Chalons näherten, desto mehr war die Straße mit 
Kolonnen gefüllt, und schließlich war an ein schnelleres 
Vorwärtskommen nicht mehr zu denken. Wir zogen an 
Chalons vorbei und bogen scharf nach Süden ab. Bei 
Nuisement holten wir das Generalkommando ein. Weiter 
wurde Quentin fur Coole erreicht, wo eine Scheune küm- 
merliche Schlafgelegenheit bot. Die erste Staffel des 
Generalkommandos rückte noch in der Nacht weiter, die 
zweite folgte am nächsten Morgen, so daß die Feldpost 
am nächsten Tage wieder die einzige Truppe am Ort war. 
An Mitmarschieren war nicht zu denken, das verbot die 
Masse der mitgeführten Post. Wir batten auch eine Menge 
Beutel für die Feldposterpedition der 23. J.-D. mitgebracht. 
Da nicht abzusehen war, wie sich der Weitermarsch ent- 
wickeln würde, auch nicht genau bekannt war, wo jene 
Feldpost steckte, und da endlich unsere Pferde durch die 
starken Märsche der letzten Tage sehr angestrengt waren, 
mußte zur Beförderung jener Beutel ein Bauernfuhrwerk 
beigetrieben werden. Leicht war das nicht, denn viel ver- 
fügbare Gespanne gab es in dem kleinen Dorfe nicht. Wie 
ein Bauer erzählte, hatten die Franzosen die Pferde schon 
im Mai eingezogen. Endlich gelang es aber doch, einen 
Bauern zu finden, der nach vielen Bedenklichkeiten sich 
bereit erklärte, die Fahrt auszuführen, nachdem ihm zu- 
gesichert war, daß er mit Wagen und Pferden noch im Laufe 
des Tages mit dem ihm beizugebenden Begleiter zurück- 
kehren würde. Im Sonntagsanzug und frisch rasiert mel- 
dete er sich nach einer Stunde zum Antritt der Fahrt. 
Wieder diente uns in Quentin die Schule als Arbeits- 
raum, abends waren wir glücklich mit der Arbeit fertig. 
Am folgenden Morgen wurde sodann südwärts abgerückt, 
und wir erreichten über Cernon, Coupetz, Fontaine fur 
Coole, Vesigneul und Faux das Dorf Coole, wo das Gene- 
ralkommando schon tags zuvor eingetroffen war. Weiter 
südlich war das Gefecht bei Sompuis im Gange. Zu- 
nächst wurde der Postbetrieb wieder im Freien auf dem 
Biwaksplatz eröffnet. Aber schon mittags kam neue Post, 
so daß wir wieder auf die Benutzung des Schulraums 
angewiesen waren. Am nächsten Tage, 9. September, traf 
wieder ein Kraftwagen mit 60 Beuteln Post ein. Das 
Verteilungsgeschäft war noch im besten Gange, als gegen 
* Uhr der Befehl kam, sofort einzupacken und nach Norden 
abzurücken. So ordneten wir uns denn dem berühmt 
gewordenen Rückzug von der Marne ein. Noch in der fol- 
genden Nacht zogen wir durch Chalons und machten 
2 Uhr 30 in La Veuve halt. Von dem so oft behaupteten 
siegreichen Vordringen der Franzosen war so wenig die 
Rede, daß die zweite Staffel des Generalkommandos den 
ganzen Tag des 10. September bis zum 11. vormittags 
in La Veuve zubrachte. Diese Zeit brauchten wir sehr 
nötig, um die in Coole am Tage vorher erhaltene Post 
aufzuarbeiten. Am 11. früh nahm uns glücklicherweise 
ein durchfahrender Kraftwagen die Post nach der Heimat 
ab, und wir marschierten mit der zweiten Staffel zu- 
nächst nach St. Hilaire au Temple. Nachmittags ging 
von dort der Marsch weiter über St. Etienne au Temple 
nach Cuperly Ferme und von dort abends weiter nach 
Mourmelon le Grand. Das war der schlimmste Marsch, 
den wir erlebt haben. Es regnete, die Straßen waren mit 
Kolonnen überfüllt, manchmal marschierten drei nebenein- 
ander, darunter schwere Artillerie. Dabei war es stock- 
finster. Aber auch dieser Marsch nahm ein Ende, gegen 
3 Uhr langten wir in Mourmelon an und fanden leid- 
liches Nachtlager in den französischen Mannschaftsbaracken 
des Lagers von Chalons. Der nächste Morgen brachte uns
	        
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