sammenzusuchen und möglichst vollzählig dem Empfänger
zuzuführen, nicht dazu bei, die Arbeit zu beschleunigen.
Wer stundenlang sich an diesem Sortiergeschäft beteilegt
hatte, dessen blauer Rock war vollständig mit einer dicken
graubraunen Staubschicht überzogen.
Eine weitere bis dahin unbekannte Steigerung der Ar-
beitslast erwuchs uns dadurch, daß nunmehr die Rück-
briefe in großen Massen der Feldpost zuströmten. Das
sind die Sendungen, die den Truppenteilen falsch zuge-
gangen sind, weil der Empfänger sich gar nicht bei ihnen
befindet, sowie die, deren Empfänger inzwischen verwun-
det, erbrankt, vermißt oder gefallen sind. Die Zahl der
den Truppenteilen unrichtig zugegangenen Sendungen war
in den ersten Monaten des Krieges besonders hoch. Es
kam dies daher, daß die Aufschriften der Sendungen viel-
fach unrichtig waren. Und das wiederum war erklärlich,
weil viele Truppenkörper, namentlich die große Menge der
Korpstruppen: alle Proviant-, Fuhrpark-, Munitionskolon=
nen, Sanitätskompagnien, Lazarette usw., bei der Mobil-
machung neu zusammengestellt und aus Mannschaften der
verschiedensten Stammtruppen zusammengesetzt waren. Den
Absendern war vielfach die neue Aufschrift nicht oder nicht
genau bekannt geworden, und eine große Zahl von Sen-
dungen trug in der Aufschrift die Angabe des Stamm-
truppenteils oder der Formation, für die der Empfänger
ursprünglich einberufen war, während er längst einer an-
dern Formation angehörte. Bei der Schnelligkeit des Vor-
marsches hatten die Truppen keine Zeit gefunden, diese
Sendungen ordnungsmäßig mit einem zutreffenden Ver-
merk zu versehen und sie der Feldpost zurückzugeben;
zum Teil waren die Vorschriften über die Behandlung
der unanbringlichen Sendungen den Truppen auch noch
nicht genügend bekannt und geläufig gewesen. Nun, wo
der Bewegungskrieg abgeschlossen war, wurde das Ver-
säumte nachgeholt, und diese Sendungen überschwemmten
geradezu die Feldpost. Dazu kam noch, daß wir auch viel-
fach Nückbriefe von Truppen erhielten, die eigentlich zu
einer andern Feldpost gehörten. Wie aber damals die
Verhältnisse lagen, ließ es sich gar nicht durchführen, die
rückliefernden Formationen auf ihre eigene Feldpost zu
verweisen.
Endlich wuchs die Auflieferung von Sendungen nach der
Heimat, sobald der Stellungskrieg begonnen hatte, ganz
gewaltig, denn viele Leute fingen jetzt erst richtig den
Schriftwechsel mit der Heimat an, nachdem ihnen bei den
großen Märschen und Anstrengungen des Bewegungskrieges
dazu nicht die nötige Zeit geblieben war. Einen geradezu
riesenhaften Umfang nahmen um diese Zeit die Einzah-
lungen nach der Heimat an. Die meisten Leute hatten sich
von den Verhältnissen in Feindesland ganz irrige Vor-
stellungen gemacht, geglaubt, daß sie wie in der Heimat
nach Belieben einkaufen könnten, was sie brauchten, und
sich beim Ausmarsch mit Barmitteln versehen. Nun hatten
sie schon auf dem Vormarsch erkannt, daß die Wirklichkeit
diesen Erwartungen nicht im geringsten entsprach. Zu
kaufen gab es von der Bevölkerung des feindlichen Landes
so gut wie nichtsü; Marketendereien und ähnliche Ein-
richtungen zur Versorgung der Truppen waren noch nicht
vorhanden. Außerdem war auch längst bekannt geworden,
daß Mannschaften und Offiziere, die in französische Ge-
fangenschaft gerieten, ihrer Barmittel fast stets beraubt
wurden. So beeilte sich denn jeder, sein überflüssiges
Geld nun, wo Zeit und Gelegenheit sich bot, nach Hause
zu schicken. Auch hierbei ging der Verkehrsumfang beim
Feldpostamt weit über das hinaus, was dem Jahlenver-
hältnis der Korpstruppen entsprochen haben würde. Das
lag daran, daß das Feldpostamt in dieser Zeit der Front
näher und für viele Truppen bedeutend günstiger lag als
ihre eigenen Divisions-Postanstalten. Um eine Andeutung
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von dem Umfange des Verkehrs zu geben, kann ich es mir
nicht versagen, Zahlen zu nennen. In den 20 Tagen vom
20. September bis zum 10. Oktober wurden beim Feld-
postamt 3800 Postanweisungen über 360 Ooo Mark auf-
geliefert. Diese Zahlen sind in der Folgezeit nie wieder
erreicht worden. Der riesige Geldverkehr machte es nötig,
gerade zu jener Zeit, wo alle Kräfte dringend von früh
bis in die Nacht gebraucht wurden, zwei Beamte lediglich
mit der Postanweisungsannahme zu beschäftigen. Damalo
war noch viel Gold= und Silbergeld bei der Truppe vor-
banden, und die gesamten Einzahlungen wurden in barem
Gelde geleistet, nicht wie später bargeldlos. Eine Er-
schwerung für diesen Dienstzweig lag weiter darin, daß die
Feldpost noch mit alten Postanweisungsvordrucken arbeitete,
deren dunkelblaue Farbe sehr ungeeignet war und äußerst
störend wirkte, und daß diese alten Vordrucke nicht mit
einem anhängenden Einlieferungsschein versehen waren, so
daß zu jeder Postanweisung vom Feldpostpersonal eine be-
sondere schriftliche Empfangsbescheinigung ausgestellt wer-
den mußte.
Am 29. September erhielten wir zum erstenmal Post
aus der Heimat durch Vermittlung des Armee-Posidirektors
der 7. Armee, dem wir bereits seit dem 15. zugeteilt waren;
die Beutel waren meist am 18. und 19. abgesandt, die
Sendungen also 11—12 Tage alt. Von nun an wurde
die Verbindung über die Etappenstraße der 7. Armee die
Regel, wenn und auch daneben immer noch Post vom Armec-
Postdirektor der 3. Armee zuging, der inzwischen nach
Rethel übergesiedelt war. Diese Verbindung hörte erst
Mitte Oktober gänzlich auf.
Am 8. Oktober wurde der Sitz des Generalkommandos
von Amifontaine nach Neudchatel verlegt, und damit sie-
delte auch die Feldpost dorthin über. Die Unterkunft in
Neufchatel war wesentlich besser, das französische Postamt,
das für die Annahme und zur Bearbeitung der abgehenden
Post diente, größer als das in Amifontaine; die eingehende
Post wurde in einem leerstehenden Hause bearbeitet, das
genügend Naum dafür bot. Die Post ging uns zunächst
mit einiger Regelmäßigkeit von Laon mit Kraftwagen zu.
Nach etwa acht Tagen traten Unregelmäßigkeiten ein, weil
der Standort des Armee-Posidirektors von La Fere nach
Montcornet und gleichzeitig der Leitpunkt für die 7. Armee
von Köln nach Trier verlegt wurde. Im allgemeinen besser-
ten sich die Postverhältnisse von Woche zu Woche, die Be-
förderungsdauer der Briefe von der Heimat betrug, als wir
am 21. Oktober Neufchatel verließen, im Durchschnitt nur
noch acht Tage. Die Zeit des Aufenthalts dort hatten wir
benutzt, um unsere Einrichtungen etwas mehr den Anforde-
rungen des gewaltigen Verkehrs anzupassen, als es die
Feldpostdienstordnung vorgesehen hatte. Wie bereits er-
wähnt, musste die ankommende Post auf etwa 100 Beutel
verteilt werden. Das ließ sich, wenn jeder Zeitverlust ver-
mieden werden sollte, nur durchführen, wenn man die
nötige Zahl von Beuteln, wie es auch im Friedenobetriebe
geschieht, handgerecht in Reichweite aufhängen konnte. Unter
den Verhältnissen des Bewegungskrieges half man sich
mit Stangen, Leitern und ähnlichen Mitteln, an denen die
Briefsäcke mit Nägeln befestigt wurden. Das ist indeo
nur ein Notbehelf, der auch nicht zur Erhaltung der Säcke
beiträgt. Wir ließen also in der französischen Schmiede
aus leichten Eisenstangen mehrere jederzeit auseinander-
nehmbare Gestelle anfertigen, an denen die Säcke mit
Klammern, die wir aus der Heimat bezogen hatten, auf-
gehängt werden konnten. Ferner vervollständigten wir unsere
Ausrüstung, wie es die fortschreitende Jahreszeit nötig
machte, durch Beschaffung einer Neihe von Petroleum-
lampen, Kochtöpfen usw. .
Nach einigen Wochen, am 21. Oktober, siedelte das
Generalkommando nach Montaigu über. Da dort nicht