wochenlang unterwegs gewesen. Ahnlich war es den von
den Truppen aufgelieferten Briefen nach der Heimat er-
gangen. Diese Erfahrungen führten dazu, daß namentlich
in der Heimat laut Klage über die mangelhaften Ein-
richtungen der Feldpost geführt wurde. In den Zeitungen
erschienen Beschwerden und gehässige Angriffe, und es
wurde kühn behauptet, die Feldpost, die sich im letzten
großen Kriege 1870 so glänzend bewährt habe, versage
diesmal vollkommen. Einzelfälle von unglaublicher Ver-
zögerung und von angeblichen Verlustfällen wurden un-
gebührlich aufgebauscht und verallgemeinert, sie wurden
dem angeblich ganz unzulänglichen System zur Last gelegt,
und die Mißstimmung gegen die Post war allgemein. Dem-
gegenüber hat die Postverwaltung wohl versucht, durch Ver-
teilung von Denkschriften die Klagen auf das richtige Maß
zurückzuführen und die Mißstimmung zu beseitigen, aber
die große Masse der Bevölkerung ist dadurch kaum über
das Unzutreffende der all-
gemeinen Meinung aufge-
klärt worden. Esscheint des-
halb geboten, auch an dieser
Stelle den wirklichen Ver-
hältnissen, den Gründen für
angebliches Versagen der
Feldpost gerecht zu werden
und etwas zur Ehrenrettung
der Feldpost zu tun, die
wahrlich allen Volksgenossen
in schwerer Kriegszeit mit
allen ihren Kräften ein wil-
liger Helfer gewesen ist.
Daß die ersten Briessen-
dungen aus dem Felde, um
damit zu beginnen, erst nach
Wochen in der Heimat an-
langten, ist richtig, aber
nicht durch Schuld der
Posiverwaltung. Vielmehr
hatte die Oberste Heeres-
leitung angeordnct, daß alle
diese Sendungen zurück-
gehalten würden, um den
Auf= und Vormarsch unserer Heere dem Feinde gegen-
über zu verschleiern. Natürlich war die Posiverwal-
tung nicht befugt gewesen, der Offentlichkeit von dieser
militärischen Anordnung Kenntnis zu geben, und die Heeres-
verwaltung selbst — tat es leider nicht. Als sie nach Mo-
naten sich doch dazu entschloß, das Volk über diese Sperre
aufzuklären, war es zu spät; die Verärgerung war da,
und die nachträgliche Beschwichtigung verfehlte ihren
Zweck. Wäre von vornherein — und es ist nicht einzu-
sehen, weshalb das nicht hätte möglich sein sollen — eine
Veröffentlichung des Inhalts ergangen, daß Briefsendungen
vom Feldheer erst nach einer gewissen Zeit befördert werden
würden, so hätte jedermann Bescheid gewußt. Unter der
damalce entstandenen Mißstimmung hat die Postverwaltung
lange Zeit unverdient zu leiden gehabt.
Auf die Beschuldigung, die Postverwaltung habe nicht
die richtigen Vorkehrungen getroffen, um die schnelle und
richtige Beförderung der Briefe nach dem Felde sicherzu-
stellen, war ungerecht und haltlos. Man muß sich des-
halb die Umstände vergegenwärtigen, unter denen die Feld-
post zunächst in Tätigkeit zu treten hatte. Im Friedens-
verhältnis wird jeder Brief nach dem Orte geleitet, der
in der Aufschrift angegeben ist. Das mußte plötzlich auf-
hören, denn im Verkehr mit den mobilen Truppen kann
es keine Ortsbezeichnung geben, weil die Truppen eben nicht
an einen Ort gebunden sind. Dementsprechend sind auch
ihre Feldpostanstalten beweglich und befinden sich bei den
Briefabfertigung des Feldpostamts
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Stäben. Die Leitung der Sendungen auf die zuständige
Feldpostanstalt ist aber erst möglich, wenn die Sammel-
stellen, von deren Einrichtung ich bereits gesprochen habe,
die Feldpostanstalten kennen und die Feldpostübersicht, d. h.
das Verzeichnis, in dem alle Truppenteile mit der rich-
tigen Leitangabe enthalten sind, in Händen haben. Die
Unterlagen für diese Ubersicht kann natürlich nur die Heeres-
verwaltung liefern. Das ist aber selbstverständlich nicht im
voraus möglich, sondern erst nach ausgesprochener Mobil-
machung. Bei angestrengtester Arbeit aller beteiligten
Dienststellen war eo nicht möglich gewesen, die erste Uber-
sicht vor dem 14. August fertigzustellen. Sie konnte auch
noch keinen Anspruch auf Lückenlosigkeit erheben, weil doch
mancherlei neue Formationen erst bei der Mobilmachung
aufgestellt wurden. Von Mitte August ab war es also erst
den Sammelstellen möglich, die bis dahin angesammelte
Post abzusenden. Nun machten sich andere Verzögerungs-
gründe fühlbar. Im Reiche
selbst war mit der Mobil-
machung der Fahrplan der
Zügc aufgeboben und durch
cinen Militärfahrplan er-
setzt worden. Das gesamte
Eisenbahnnetz war in den
Dienst des Krieges gestellt,
die Züge verkehrten nur
mit einer Geschwindigkeit
von 25 km in der Stunde,
von den gewohnten Schnell-
zuganschlüssen war keine
Rede mehr. Das bedeutete
eine Umwälzung aller un-
serer Begriffe vom Reise-
und Beförderungsverkehr.
So brauchte die Post bis zur
Grenze statt eineinhalb Tage
deren drei und traf dann die
Feldpost nicht mehr an, weil
sie bereits auf dem Vor-
marsch begriffen war. Zwar
machte die Feldpost sogleich
von Kraftwagen Gebrauch,
aber bei der Schnelligkeit des Vormarsches lagen die Leit-
punkte und die Endstellen der heimischen Bahnen bald so
weit zurück, daß eine regelmäßige oder eine auch nur einiger-
maßen geordnete Nachführung der Post auogeschlossen war.
Zudem war der Nachschubverkehr auf den Landstraßen
überaus schwierig, zum Teil unmöglich, weil die Straßen
mit militärisch wichtigeren Transporten besetzt waren, denen
die Post nachzustehen hatte.
Ein Heer in Feindesland ist für seinen Nachschub auf
die Benutzung der Etappenstraße angewiesen. Die Post-
verwaltung hat deshalb die Leitpunkte eingerichtet. Natür-
lich bedeutet die Einschaltung des Leitpunktes in den Be-
förderungsweg eine gewisse Verzögerung, aber das läßt sich
mun einmal nicht vermeiden. Die Etappenstraße ist in der
Neuzeit selbstverständlich eine Eisenbahnlinie. Wie die in
der ersten Kriegszeit aber belastet waren, nachdem unsere
Eisenbahntruppen sie wieder betriebsfähig gemacht hatten,
davon hatte in der Heimat wohl kaum jemand eine richtige
Vorstellung. Von einem planmäßigen Betriebe auf diesen
Bahnsirecken konnte für Wochen noch keine Rede sein,
Züge wurden immer nur nach Bedarf gefahren, und dabei
haben alle militärischen Bedürfnisse — Munitions-, Ver-
pflegungs-, Lazarettzüge — unbedingt den Vorzug vor
dem, was nicht zum unabweisbaren Bedürfnis der Truppen
gehört. Zu letzteren aber zählte die Feldpost nicht. So kam
es denn, daß die Feldpostwagen überall stehen blieben und
sehr lange Zeit brauchten. Dagegen war es auch kein Abhilfs-