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mittel, daß die Postverwaltung ihre Eisenbahnwagen durch
Posts chaffner begleiten ließ, die für möglichst schnelle Weiter-
beförderung sorgen sollten. Noch im September 1914 war
es nichts Außergewöhnliches, daß begleitete Bahnpostwagen
von Köln bis Valenciennes sieben Tage brauchten, auf einer
Strecke also, die im Frieden ungefähr in der gleichen Zahl
von Stunden zurückgelegt wurde. Gegen derartige Ver-
hältnisse ist die Post machtlos, da muß sie sich der höheren
Gewalt der kriegerischen Notwendigkeit fügen.
Die Erfahrungen, die die Postverwaltung während des
Vormarsches in Frankreich mit der Verzögerung in der
Postbeförderung machte, waren also wenig erfreulich und
ermutigend. Man suchte deshalb Wiederholungen dieser
Mißstände bei späteren Vormärschen, z. B. in Rußland
und Serbien dadurch vorzubeugen, daß man bei den Vor-
bereitungen alle bisherigen Feldzugserfahrungen verwertete
und alle in Betracht kommenden Feldpostdienststellen mit
erfahrenen Beamten besetzte, die bereits Vormärsche mit-
gemacht und die Verhältnisse kennen gelernt hatten. Der
Erfolg war — derselbe. Eine Verzögerung der Feldpost
um Wochen ist eben bei jedem Vormarsch eine selbstver-
ständliche Erscheinung. Es kommt ja unter solchen Ver-
hältnissen sogar vor, daß der Verpflegungsnachschub be-
denklich ins Stocken gerät. Aber da kann dann gewöhrlich
immer noch Rat geschafft und Ersatz aus dem Lande be-
sorgt werden. Das ist bei der Feldpost leider nicht mög-
lich, für sie läßt sich kein Ersatz schaffen, und ihr Aus-
leiben ist für den einzelnen immer schmerzl ich.
Ubrigens ist der Hinweis, daß 1870 die Felopost tadel-
lot geklappt hätte, und daß derartige Unzulänglichkeiten
damals nicht vorgekommen wären, durchaus irrtümlich. So-
lange die Truppen sich auf schnellem Vormarsch befanden,
waren die Verhältnisse damals genau so unerfreulich wie
heute, wie das aus der Denkschrift des General-Postamts
über die Norddeutsche Feldpost im Kriege 1870/71 klar her-
vorgeht. Erst als in die Truppenbewegungen im Laufe
des Krieges mehr Ruhe und in die Verkehrsverhältnisse
in der Etappe einige Ordnung gekommen war, trat auch
größere Regelmäßigkeit im Feldpostverkehr ein.
Umfang der Arbeitsleistung bei der Feldpost.
An mehreren Stellen sind schon Zahlen genannt worden,
die dem Leser ein Bild von dem Umfange der Arbeitsleistung
bei der Feldpost geben sollten. Ein Vergleich mit der
Friedensarbeit der Post ist nicht möglich, weil der Betrieb
ganz anders geartet ist. Dagegen ist es lehrreich, die
JZahlen aus dem Kriege von 1870/71 zum Vergleich heran-
zuziehen. Die Feldpost hat 1870 im Durchschnitt täglich
400 Ooo Sendungen befördert. Im Weltkriege hat sich die
Zahl der täglich verarbeiteten Sendungen schon Ende 1913
auf 16 Millionen gestellt, also das Vierzigfache der Leistung
von 1870 erreicht. Jahlen aus neuerer Zeit liegen mir
nicht vor. Da aber seitdem noch manche Formationen neu
aufgestellt und noch viele Männer zum Heeresdienst ein-
berufen sind, ist die Tagesleistung sicher noch um ein
Erkleckliches höher geworden, zumal das Mitteilungöobedürf-
nis im Kriege nicht abgenommen hat, sondern eher ge-
wachsen ist. In welcher Harmlosigkeit mit der Gebühren=
freiheit der Feldposteinrichtungen nicht selten Mißbrauch ge-
trieben wurde, hat wohl jede Feldpost zu beobachten Ge-
legenheit gehabt. So erinnere ich mich, daß mir im ersten
Winter einmal ungefähr 30 Feldpostkarten vorgelegt wur-
den, die ein einziger Absender im Felde gleichzeitig und
noch dazu an einen und denselben Empfänger aufgeliefert
hatte. Ahnliche Erfahrungen hat man aber auch schon 1870
gemacht.
Im Kriege von 1870 hat sich die Kopfzahl der Feldpost-
beamten einschließlich derjenigen im EStappengebiet auf 1906
belaufen. Ende 1915 hatten wir inögesamt "400 Feld-
postbeamte, also nicht ganz dreimal soviel wie 13870, während
die Arbeitsleistung das Vierzigfache betrug. Seitdem ist die
Jahl der Feldpostbeamten nur noch wenig gewachsen, die
Arbeit aber zweifellos bedeutend.
Recht unangenehm machte sich das in der Personalfrage
bemerkbar. Im Kriege von 1870 waren die Feldpostan-
stalten folgendermaßen zusammengesetzt gewesen:
Feldpostamt 5 Beamte, 3 Schaffner, 8 Postillione, 19
Pferde, 4 Fahrzeuge;
Feldposterpedition 4 Beamte, 3 Schaffner, 3 Posiillione,
10 Pferde, 2 Fahrzeuge.
W planmäßige Stärke betrug bei Auobruch des Welt-
ieges:
Feldpostamt s Beamte, s Schaffner, 8 Postillione, 21
Pferde, s Fahrzeuge;
Feldpostexpedition Beamte, 2 Schaffner, 4 Posiillione,
13 Perde, 3 Fahrzeuge.
Diese Bemessung des Personals erwies sich vielfach als
unzulänglich. Eine große Jahl von Feldpostanstalten mußte
deshalb Verstärkung erhalten. Andere, besonders die Feld-
postexpeditionen der Divisionen, die recht ungünstig ge-
stellt waren, halfen sich dadurch, daß sie sich von den
Divisionen Hilfskräfte, wenn möglich Postbeamte aus der
Truppe, kommandieren ließen. Als sich Ende 1916 die
Heranziehung weiterer Kräfte zum Heeresdienst notwendig
machte, wurde für ein Feldpostamt 4 Beamte, s Schaffner,
8 Postillione, 14 Pferde, s Wagen; für eine Feldpost-
expedition 4 Beamte, 3 Schaffner, 4 Postillione, 8 Pferde,
3 Wagen festgesetzt. Alle Vorstellungen gegen diese Ver-
schlechterung waren erfolglos. Die Feldpostanstalten waren
deshalb, wenn sie ihren Betrieb ordnungsmäßig durchführen
wollten, nach wie vor darauf angewiesen, ihre Kommando-
behörden um Kommandierung geeigneter Mamschaften an-
zugehen. Ungünstig beeinflußt wurden die Personalverhält-
nisse bei der Feldpost noch dadurch, daß im Laufe des Jahres
1917 ein Teil des Personals, der kriegsverwendungsfähig
war, herausgezogen und durch garnisonverwendungofähige
Leute ersetzt wurde. Damit verloren die Feldpostanstalten
einen Teil ihrer gut eingearbeiteten Beamten.
Wenn allen diesen Schwierigkeiten zum Trotz die Feld-
post die gewaltigen Leistungen vollbracht hat, die ihr auf-
erlegt wurden, so ist das lediglich der vollen Hingabe jedes
einzelnen an seinen Dienst zu danken. Dabei darf nicht
vergessen werden, daß das Personal in dem langen Stel-
lungskriege tagaus, tagein von früh bis spät den gleichen
mechanischen Dienst zu verrichten hatte, der durch seine
Eintönigkeit allmählich abstumpfen und die Kräfte zer-
mürben muß, zumal wenn von irgendeiner Erholung oder
Abwechslung nirgends die Rede sein konnte, und wenn die
Nachtruhe häufig durch Fliegerangriffe gestört wurde. Aber
auch die Leistungen im Bewegungskriege können nur dann
richtig eingeschätzt werden, wenn man sich vergegenwärtigt,
daß nach Beendigung des meist recht anstrengenden Mar-
sches, wenn für andere Formationen die Ruhe eintrat,
für die Feldpost erst die Zeit der eigentlichen Arbeit begann.
Zweifellos wird jeder, der einen Einblick in die Arbeit der
Feldpost gewonnen hat, uneingeschränkt der Überzeugung
sein, daß die Feldpost mit ihrer Arbeitsfreudigkeit und
ihren Erfolgen keinem andern Diensizweige des Heeres
nachsteht, und daß das, was die Feldpost im Welt-
kriege geleistet hat, ein Ruhmesblatt in der
Geschichte des deutschen Postwesens bedeutet.
Postrat Schwarz.