umfaßten in erster Linie Märsche, dann etwas Exerzieren,
erste Hilfeleistung, Kartenkenntnis und ähnliches.
Nicht lange, und es erschien schon am 8. September
1914 der Wehrübungserlaß der sächsischen Regierung, der
die Wehrübung als Teil der Jugendpflege forderte und da-
durch der zweite Markstein in der Geschichte der neuen
Jugenderziehung wurde. Wir geben ihn als ein Dokument
der Großen Zeit im Wortlaut wieder:
Dresden, am 8. September 1914.
Die große geit, die wir durchleben, macht es jedem Deut-
schen zur Ehrenpflicht, sich freudig und mit ganzer Kraft
dem Vaterlande zur Verfügung zu stellen. Auch die rei-
fere Jugend, die berufen ist, in absehbarer Zeit in das
Heer eingereiht zu werden, soll bereits jetzt für den Waffen-
dienst vorbereitet werden, damit die jungen Leute in ge-
steigertem Maße körperlich geschult und gekräftigt, an
Unterordnung gewöhnt und zur Hingabe für des Vater-
landes höchste Güter bereit in den Heeresdienst eintreten.
Es muß also auf alle Weise darauf hingearbeitet wer-
den, daß dem Nachwuchs des Heeres eine solche Vor-
bereitung und Anregung zuteil wird.
Wo auoreichend geschulte und sonst geeignete militärische
Lehrkräfte zur Verfügung stehen, können die Ubungen
schon in bestimmt militärische Bewegungsformen in ge-
schlossener und zerstreuter Aufstellung übergehen. Die Aus-
bildung mit der Waffe muß aber jedenfalls dem eigent-
lichen Heeresdienst vorbehalten bleiben.
ehr als auf das Vorgreifen bestimmt militärischer
Ubungen kommt es jedoch darauf an, Kraft und Anstellig-
beit, Schärfe der Sinne, Blick für die militärische Ver-
wendung des Geländes und vor allem Marschfähigkeit zu
erzielen. Hierzu können die in den letzten Jahren von den
Pfadfindern eingeführten Ubungen als besonders geeignet
bezeichnet werden.
Für die Veranstaltung solcher Ubungen wird besonders
auf die dem Landesausschuß für Jugendpflege im König-
reich Sachsen angeschlossenen Ortsausschüsse und Verbände
gerechnet, von den letzteren in erster Linie auf die mit einem
Netz von 1250 Vereinen im Lande verbreitete Deutsche
Turnerschaft. Auch von den Arbeiterturnvereinen kann eine
gleiche Unterstützung erwartet werden.
Für die in den Jahren vor der Wehrpflicht stehenden
Schüler höherer Lehranstalten, soweit sie sich nicht schon
gleich nach Kriegsaugbruch zum Dienst gemeldet haben,
muß grundsätzlich als wünschenswert bezeichnet werden,
daß die Schulen die erforderliche Ausbildung möglichst
selbst in die Hand nehmen und ihnen besonders zur Er-
zielung von Marschfähigkeit ausreichende Zeit widmen. Wo
dieso wegen der Einziehung gerade der hierzu geeignetsten
Lehrer nicht durchführbar ist, muß im Sinne der Ver-
ordnung des Ministeriums des Kultus und öffentlichen
Unterrichts an die Leitungen der höheren Schulen vom
25. August d. J. verfahren werden.
Als untere Alterogrenze für die Zulassung zu den Ubungen
kann das erfüllte 16. Lebensjahr empfohlen werden.
Das Kriegsmmisterium, das schon bis jetzt die Jugend-
pflegebestrebungen vielfach zu fördern gesucht hat, wird es
auch dieser Erweiterung ihrer Tätigkeit gegenüber tun,
soweit es die während des Krieges außerordentlich ge-
steigerte Beanspruchung der Personen wie der NRäume ge-
stattet. Insbesondere rechnet es darauf, daß sich geeignete
Offiziere a. D. und frühere Unteroffiziere, wo es nötig
ist, gemeinnützig in den Dienst der Sache stellen. Die Ge-
schäftssielle des Landesausschusses für Jugendpflege (Losch-
witz bei Dresden, Viktoriastraße 0) ist bereit, Anmeldungen
an die Ortsausschüsse für Jugendpflege zu vermitteln. Auch
die Militärvereine werden um Förderung der Sache gebeten.
Von der deutschen Jugend im wehrfähigen Alter aber,
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die sich in den letzten Wochen in geradezu überwältigender
Zahl freiwillig zum Kriegodienst gemeldet hat, kann er-
wartet werden, daß sie freudig die Ehrenpflicht ernster Vor-
bereitung für biesen Dienst auf sich nimmt, so lange sie zu
ihm selbst nicht herangezogen werden kann.
Der Minister des Kultus und des öffentlichen Unterrichts.
Der Minister des Innern. Der Kriegsminister.
Während bei der Begründung der Jugendpflege der säch-
sische Erlaß vorausgegangen war, folgte er jetzt bei Ein-
richtung der Wehrübung dem preußischen, der schon am
16. August erschienen war, nach. Dafur enthielt er einige
wesentliche Anderungen, die sich im Laufe der Zeit als
entschiedene Verbesserungen herausstellten. Die preußische
Einrichtung war den Generalkommando übertragen und
nahm stark den militärischen Charakter an. Der sächsische
Erlaß legte den Wert mehr auf die allgemeine Vorbildung
zum Heeresdienste, und das hat sich in der Folge als das
Richtige erwiesen. Damit hängt es zusammen, daß auf
die Turnvereine besonders hingewiesen wurde. Auch darin
gingen die sächsischen Bestimmungen der preußischen vor-
aus, die erst viel später auf das Turnen einlenkte. Sachsen
stellte die freiwilligen Organisationen unter den Landes-
ausschuß für Jugendpflege, machte daneben aber die Wehr-
übungen für die Jugend der höheren Schulen verbindlich.
Damit löste er diese aus der Allgemeinheit heraus. Das
erschien vielen als ein Fehler und wurde zunächst heftig
bekämpft, und doch hat es sich als der richtige Weg heraus-
gestellt. In Preußen, wo es im Anfang nicht so voraus-
gesehen war, haben sich an vielen Orten von selbst ge-
schlossene Kompanien aus den höheren Schulen entwickelt,
die nunmehr auch von der allgemeinen Wehrübung abge-
sondert sind.
Die Richtlinien für den Betrieb der Wehrübung
Der sächsische Wehrübungserlaß hatte nur die allgemeinen
Grundsätze für den Betrieb der Wehrübungen festgelegt,
während dem preußischen eine Stoffsammlung und Metho-
dik beigegeben war, die bis auf Einzelheiten einging. Diese
Beigabe führte den Namen „Nichtlinien für die militärische
Vorbildung". Sie wurde auch in Sachsen vielfach als
Grundlage der Wehrübung benützt, besonders von den Ver-
einen, die die Wehrvorbereitung in militärischer Art be-
trieben. Das preußische Ministerium ließ später „Erläute=
rungen und Ergänzungen zu den Nichtlinien“ folgen, die
von der ersten Vorschrift so vielfach abwichen, daß sie nach
allgemeinem Urteil eigentlich neue „abgeänderte Richt-
linien“ darstellten. Diese wurden vom Landesausschuß für
Jugendpflege nun auch für die Wehrübung in Sachsen
empfohlen und daraufhin allgemein benutzt. So bilden
die beiden „Nichtlinien“ weitere Dokumente der großen
Zeit auch für Sachsen, und darum müssen wir näher dar-
auf eingehen.
Die ersten Richtlinien waren nur ein Blatt von vier
kleinen Oktavseiten. In 33 kurzgefaßten Abschnitten wur-
den die neuen Aufgaben aufgestellt. Unter ihnen befanden
sich solche, die schon als rein militärische bezeichnet werden
müssen, wie: Einnisten von Schützenlinien, Anlage von
Schützengräben, Erklärung des Vorpostendiensteo, Aufstel-
lung von Vorposten, Unterricht über Feld-, Wacht= und
Lagerdienst. Irgendein Zusammenhang mit der seitherigen
Leibesübung der Jungmannen war nicht zu erkennen. Das
Wort Turnen kam nicht einmal vor. Nur an einer Stelle
war das Wort Gymnastik genannt. Alles das bekümmerte
die Vereine sehr, die sich seither mit der Ertüchtigung der
Jugend beschäftigt hatten. Sie gingen gar nicht oder mit
Unlust an die Durchführung der Nichtlinien, und nur die
neu gegründeten Jugendkompanien bielten sich daran.
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