Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

jungen Wanderer besser gewöhnt als ihre Kameraden. 
Inmmer sind sie früh heraus nach kurzem Schlaf zur Wan- 
derung, die oft bis in die sinkende Nacht währte. Hilze 
und Durst, Kälte und Nässe haben sie getragen und dadurch 
Körper und Geist widerstandsfähig gemacht. Mit einfacher 
Nahrung haben sie fürlieb genommen, manches Mal haben 
sie auch gehungert. Die Nacht haben sie oft auf hartem 
Lager oder im Heu und Stroh verbracht. Vor allem waren 
sie an tüchtige Märsche gewöhnt, wußten Körper und 
Füße auf und nach dem Marsche richtig zu pflegen, 
wußten, was ihnen dienlich und schädlich war. Sie waren 
die Last des Gepäcks gewöhnt. So ist das Wandern nach 
allen diesen Beziehungen eine treffliche Wehrvorbereitung. 
Die jungen Soldaten aus den Wandervereinen wußten 
sich nach Karte und Kompaß zurechtzufinden. Ihr Orts- 
sinn war ausgebildet. Das Leben in der Natur hatte 
Augen und Ohren geschärft. Sie verstanden sich selbst 
eine Mahlzeit herzurichten, ein Feuer anzumachen, ein 
Nachtlager herzurichten und sonst auch mit dürftigen Hilfs- 
mitteln auszukommen. 
Und endlich: Oft hatten sie den schmalen Bissen mit 
dem Wandergenossen geteilt, oft ihm das schwere Gepäck 
tragen helfen. Die Selbsisucht war beherrscht vom Geiste 
der Kameradschaft. 
Dennoch erlangte die Wanderung während der Kriegs- 
zeit nicht die Bedeutung, die ihr als Wehrvorbereitung zu- 
kommt und die sie im künftigen Frieden wiedergewinnen 
muß. Die Schwierigkeiten und Widerstände wurden immer 
größer und zuletzt unüberwindlich. Zunächst wurde die 
knappe Zeit, die unserer Jugend neben Schule und Beruf 
zur Verfügung steht, von den eigentlichen Wehrübungen 
in Anspruch genommen. Dann traten die Ernährungs- 
schwierigkeiten ein. Das zugeteilte Brot reichte für die 
Wanderung nicht aus. Die mitgenommenen Gemüse und 
Kartoffeln konnten nicht mehr gewärmt werden. Der 
Staat hatte die Aluminiumkocher und Feldflaschen mit 
Beschlag belegt und eingezogen. Ein Gesuch der Aus- 
kunftastelle für Jugendwandern, das dahin ging, diese 
Wandergeräte erst in letzter Linie einzuziehen, war ab- 
schläglich beschieden worden. Es wurde schwerer, ein Nacht- 
lager zu finden, weil viele Jugendherbergen zu Lazaretten 
eingerichtet waren oder ihre Lagerstätten an solche abge- 
geben hatten. 
Die Beschaffung und Erhaltung der Wanderaubrüstung 
wurde immer sehwerer. Das Handwerkszeug des Wan- 
derers, gute Stiefel, waren nur noch für schweres Geld 
aufzutreiben. Anfang 1913 zahlten wir für Stiefel, die 
uns früher für die Wanderung nicht dauerhaft genug 
gewesen wären, 30 Mark, und später waren auch diese 
nicht mehr zu haben. Vielfach fehlte es an erfahrenen Lei- 
tern und Führern, da diese im Felde standen. 
Endlich kamen die Verkehrsnöte hinzu. Man konnte 
oder sollte die Eisenbahn nur benutzen, wenn eo dringend 
nötig war. Wer in Theater und Kino seine Erholung suchte, 
konnte das weiter haben, der Wanderer mußte von seiner 
Erholung und Neigung abstehen. 
So ging die Wandertätigkeit bedauerlich zurück. Man 
auhte sich auf Tagesmärsche beschränken. Nur nach einer 
Nichtung gewann sie: das Mädchenwandern kam mehr 
in Aufnahme als je zuvor. 
In der Schwimmstunde des Dresdner Turnlehrer= 
vereins 
Zahl und Namen der anwesenden zwölf= und dreizehn- 
jährigen Knaben aus verschiedenen Bezirksschulen sind fest- 
gestellt. Die Einteilung der Sechzig in fünf Gruppen ist 
getroffen, die Verhaltordnung nochmals eingeschärft. Be- 
wegungesfreiheit, Frohsinn und Heiterkeit sollen herrschen, 
Schulze oder Müller, sondern Nr. 197 oder 211. 
  
Die Oswald Sohre-Hütte des Allg. Turnvereins Dresden 
bei Rathen 
denn es sind ja die goldenen Tage der Sommerferien; über- 
mütige Streiche, Neckereien, die leicht einen üblen Aus- 
gang nehmen können, oder gar Rüpeleien sind von vorn- 
herein ausgeschaltet. 
Die erste Ubung kann beginnen. 
„Gruppe I der Nummer nach antreten!“ 
Für die Dauer des Lehrganges gibt jeder Teilnehmer 
seinen ehrlichen Vatersnamen auf. Er beißt nicht mehr 
Diese 
Maßnahme ist notwendig. Bei der Menge der Schüler, 
die dem Lehrer gänzlich neu entgegentritt, hält es für 
diesen schwer, sich unter den vielen fremden Gesichtern 
und Namen auszukennen. Auggekleidet und im Wasser 
plätschernd sehen sich die Kinder zum Verwechseln ähnlich. 
Jedes trägt seine Nummer groß und deutlich auf der 
rückwärtigen Seite der Badehose aufgenäht. 
„An die Angel!“ Die ersten Zwölf stellen sich auf den 
Laufbrettern bereit, jeder hinter einer Angel. Der Bilick 
ist in die unter ihnen hinrieselnde, leise glucksende, etwas 
trübe Flut gerichtet. Der Boden ist nicht zu erkennen. Jetzt 
wird es einzelnen ein wenig bänglich, vor allen denen, 
die nicht gewöhnt sind, im Strome zu baden. Es gibt 
jedes Jahr einige Wasserscheue. Ihre Angstlichkeit verrät 
sich bald. Die vorher so zuversichtliche Haltung verliert 
sich. Das Lächeln wird immer verlegener. Die Arme wer- 
den kreuzweise an die Brust gedrückt. Der Blick sucht in 
dem trügerischen Geriesel zu ihren Füßen die unbekannte, 
drohende Gefahr. Ein Bild des Wollens und doch Nicht- 
könnens, komisch und erbarmungswürdig zugleich. Es gibt 
Wasserscheue, die unheilbar sind. Einige andere freilich 
  
  
Vaterländische Fesispiele in Dresden 
Wasserspringen der Schwimmgruppe
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.