rer Lehrgänge beherzigen. Größere Betriebe und Fach-
schulen sind ja in der Regel derart fachmännisch geleitet,
die Berufsverhältnisse und ihre wirtschaftlichen Folgen sind
ihnen so bekannt, daß sie auf diesen Ubelstand wohl kaum
hingewiesen zu werden brauchen. Aber manche Privat-
betriebe und die daraus hervorgegangenen, oft schwer nach-
zuprüfenden „Lehrgänge“ und „Außenkurse“ veranlassen
vielfach eine Umschulung in diesem Sinne. Ee sei dahin-
gestellt, ob hier Eigennutz oder Unkenntnis des Unter-
nehmers die treibenden Kräfte sind. Dem Laien imponiert
es vielleicht, wenn er hört, daß z. B. ein Kuhmelker in
einem halben Jahre zum Musterzeichner ausgebildet wor-
den ist, ein Metalldreher nach kurzer Zeit Berufsphoto-
graph wurde oder ein Fleischer, der als Liebhaber in seiner
Freizeit ganz nette Bildchen malte, sich fernerhin der Litho-
graphie widmet. Der Fachmann betrachtet derartige Fälle
als Auswüchse, die nicht energisch genug bekämpft werden
können. Bei dem heißen Ringen, das nach dem Krieg auf
wirtschaftlichem Gebiet einsetzen wird, werden nur lei-
stungsfähige Kräfte bestehen können, während alle anderen
schonungslosem Beiseitedrängen ausgesetzt sind. Mancher
Kriegsbeschädigte, den die künstlerische Seite des neuen
Berufes reizte,
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schnittsleistung nicht hinaus, weil der fachgewerblichen
Grundlage meist die theoretische Weiterbildung nicht folgte.
Die meisten dieser Graphiker sind gezwungen, bald nach Be-
endigung der Lehrzeit, oft auch schon während derselben,
auf Broterwerb auszugehen. Dies beeinträchtigt natürlich
den Bildungsgang. Dazu kommt, daß Schule und Arbeits-
stätte oft, man kann fast sagen meist, äußerlich und inner-
lich in keinem festen Zusammenhang stehen, daß sie sich
nicht, wie es doch der Fall sein muß, ergänzen. Der Lehr-
ling des kleineren Betriebes einer Provinzstadt wird, ent-
sprechend den Aufträgen seines Lehrherrn mannigfachere
Aufgaben erhalten, als sein Kamerad im Großbetrieb, der
in der Regel auf Sondergebiete eingerichtet ist. Wiederum
trägt das nebenherlaufende Schulstudium in der Groß-
stadt bei weitem mehr den Bedürfnissen des einzelnen Rech-
nung, als es in Schulen der Fall sein kann, die schon der
geringen Schülerzahl wegen eine Trennung nach Berufen
allerhöchstens nach einigen rein äußerlichen Gesichtspunkten
hin vollziehen können. Das hat zur Folge, daß die jungen
Gehilfen der ersteren Gattung sich wohl in den ver-
schiedenen Einzelheiten ihres Berufes rein handwerklich be-
wegen können, ihnen aber die fachtheoretische und auch
allgemein zeich-
und derdaglaubt,
im graphischen
Beruf einen Ab-
glanzderheiteren
Kunst im ernsten
Leben zu finden,
wird jäh aus sei-
nem Traum ge-
rissen werden und
sich nach seinem
früheren Arbeits-
platz sehnen.
Ist somit vor
dem Zuzug zum
graphischen Be-
.
»z-
nerische Durch-
bildung fehlt. Die
in den Großbe-
trieben herange-
bildeten Lehr-
linge wiederum
sind meist als
Spezialisten aus-
gebildet, wenig-
stens soweit es
sich um die tech-
nische Seite ihres
Berufes handelt.
Diese Erschei-
nungen sind für
ruf zu warnen,
so muß anderer-
seits auch dafür
Sorge getragen werden, daß die geschulten Kräfte, die sich
unter den heimkehrenden verwundeten Kriegern befinden, dem
Gewerbe erhalten bleiben. Die Eigenart der graphischen Be-
rufe, sowohl der rein mechanischen, als auch der in Ver-
bindung mit der Photographie stehenden, bringt es mit
sich, daß viele Kriegsbeschädigte voraussichtlich nicht wieder
ihre frühere Arbeit aufnehmen können, da sie ihre Ver-
letzung hieran hindert. Ein Lithograph, der nur noch ein
Auge besitzt, dessen Sehkraft außerdem geschwächt ist, kann
schwerlich wieder von früh bis abends am Zeichentische
sitzen, mancher Chemigraph verfügt nicht mehr über den
Vollbesitz seiner Füße und Hände, oder ein Musterzeichner
kann langes Stillsitzen nicht vertragen. Allen ist zu helfen,
denn alle nennen einen kostbaren Schatz von Fachkennt-
nissen ihr Eigen, der nur in einer anderen Weise ausge-
münzt zu werden braucht. Mit anderen Worten: ihre
Kenntnisse sind zu erweitern und zu vertiefen, damit sie
Eie der zahlreichen Sonderstellen ihres Berufes bekleiden
önnen.
Der Ausbildungsanstalten zählt Sachsen viele, und in
Verbindung mit industriellen Betrieben kann jeder Wunsch
befriedigt, jedes erstrebte Ziel erreicht werden. Auf zeichne-
rischem Gebiete sich weiter auszubilden, ist jedem geboten,
dessen Lazarett in einem Orte liegt, der eine Fachschule be-
sitzt. Außerdem stehen auch der Verlegung des Kriegs-
beschädigten nach einer größeren Stadt keine Schwierig-
keiten entgegen. Viele Lithographen, Holzschneider und
Musterzeichner kommen deshalb über eine gewisse Durch-
Sachsen in großer Zeil. Be. 1
Zeichnungen nach dem Zirkelsystem für Linkshänder von H. Loose
einen Arbeits-
wechsel innerhalb
des Berufes hin-
derlich. Bei den Kriegsbeschädigten macht sich das oft in
hohem Maße bemerkbar. Die fürsorgende Berufsausbildung
muß demnach vor allem an diesem Punkte einsetzen und
einen Ausgleich herbeizuführen suchen. Es gilt also, die An-
gehörigen der verschiedenen graphischen Gewerbe einmal theo-
retisch so zu fördern, daß sie ihre Arbeitstätigkeit nicht rein
mechanisch verrichten, dann ihnen aber auch die Möglichkeit
zu geben, sich in verwandte Techniken einzuarbeiten oder den
Arbeitsvorgang ihrer vormaligen Beschäftigung weiter zu
verfolgen. Auf diese Weise ist es möglich, daß der Lthograph
beispielsweise der photo-mechanischen Vervielfältigung sich
zuwenbet, der Steindrucker statt den vollendenden, den vor-
bereitenden Druckprozeß ausführt, der speziell aufnehmende
Potograph etwa die Vorgänge des Entwickelns und Re-
tuschierens vollzieht oder die allgemeine Lichtbildnerei mit
einem der vielen Sondergebiete der Photochemigraphie ver-
tauscht. Während demnach das Spezialistentum dem ein-
seitig Vorgebildeten hemmend entgegentritt, bietet es ander-
seits demjenigen, der tiefer in das Wesen der Sache
eindringt, fast unbegrenzte Möglichkeiten, sich zu be-
tätigen.
#aes sich hier um Leute handelt, die einmal die Trag-
weite ihrer Tätigkeit ermessen, dann aber auch hinreichende
praktische Kenntnisse und Fertigkeiten besitzen, auf die sich
die weitere Ausbildung gründen kann, dauert der Ubergang
in einem neuen Berufszweig in der Regel nicht allzu lange.
Nur die Lehrgänge an den höheren Fachschulen sind ihrem
Wesen nach in der Regel auf einen größeren Zeitraum zu-
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