Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

glücklicherweise meist eine auffallende Besserung, wenn 
die Kriegsbeschädigten längere Zeit in gleichmäßiger, ruhi- 
ger Weise ihrem Berufe nachgehen. In manchen besonders 
schwierigen Fällen ist es möglich, Buchdrucker, die nicht 
mehr als Maschinenmeister tätig sein können, für Arbeiten 
zu Jurichtungszwecken usw. auszubilden, bei denen sie 
sitzend tätig sein können. Daß es fast immer möglich ist, 
kriegsbeschädigte Buchdrucker und Schriftsetzer ihrem Be- 
ruf zu erhalten, bestätigt die Tatsache, daß in Leipzig bie 
jetzt nur ein einziger einer anderen Beschäftigung zugeführt 
werden mußte. 
Der Verlust der rechten Hand läßt oft die Meinung auf- 
kommen, daß der Beruf eines Zeichners nun nicht mehr 
völlig und lohnend ausgefüllt werden kann. Auf das 
Frrige dieser Ansicht wurde schon bei der Besprechung der 
Einarmerschulen hin- 
gewiesen. Wenn, dort 
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mäßigkeit der Form weniger liegen, als die freie unge- 
bundene Lnie, wie sie aus dem Schwung des Handgelenkes 
heraus entsteht, so kommt wiederum die strenge Form der 
Kreislinie der kunstgewerblichen Strömung der Gegen- 
wart mit ihrer Neigung nach Klarheit und unverschleierter 
Formentwicklung entgegen. Der übliche Aufbau der Kreis- 
konstruktionen, wie ihn die Lehrbücher der Mlanimetrie 
zeigen, konnte hier nicht zugrunde gelegt werden. Ebenso- 
wenig handelt es sich darum, den entwickelten Stoff durch 
Beweise rein rechnerischer Natur zu erhärten, sondern diese 
in dem befriedigenden Endergebnis zu suchen. Nur das 
Rezept der Konstruktion ist erwünscht, aber in einer Form 
zeichnerischer Darstellung und Erläuterung, die jeden Zwei- 
fel über die Anwendung ausschließt, klar und überzeugend 
wirkt. 
  
die mehr schulmäßige 
Eingewöhnung und 
Ausbildung der Einar= 
mer besprochen wur- 
de, so beweist dic nach- 
folgende Beschreibung 
eines Zeichensystems, 
daß auch vom rein 
praktischen Stand- 
punkt aus die Leistun- 
gen der Linkshänder 
als vollwertig ange- 
sehen werden können. 
Auf der Heimat- 
dank-Ausstellung für 
Kriegsbeschädigten- 
fürsorge, die im Spät- 
sommer 1917 in Leip- 
zig stattfand, erfr. ute 
sich unter den vorge- 
führten Lehrgängen 
das Zirkelsystem 
für Linkshänder- 
Zeichnen von H. W. 
Loose in Meißen be- 
sonderer Beachtung. 
Da der Erfinder selbst 
durch eine Verwun- 
dung im Felde den 
rechten Arm nicht mehr gebrauchen kann, also Linkshänder 
ist, erhält seine Arbeit erhöhte Bedeutung. Loose ließ sich 
von dem Gedanken leiten, daß die frühere Geschicklichkeit 
der rechten Hand nicht ohne weiteres auf die Linke über- 
tragen werden kann, daß vielmehr bei Linkshändern auf 
eine der Schwerfälligkeit der Hand angepaßte erleichterte 
Vorschulung zu achten sei. Die Erkenntnis, daß beim Ge- 
brauche des Zirkels diese Vorbedingungen leicht erfüllbar sind 
und daß vielleicht die kunstgewerbliche Erweiterung des geo- 
metrischen Zirkelornamentes durchführbar ist, #rte zur 
Idee des systematischen Auobaues eines besonderen Zirkel- 
zeichnens für Linkshänder. Soweit es sich um mathematische 
und rein technische Konstruktionen handelt, genügt der ein- 
fache Hinweis und die damit verbnüpfte #und zur Er- 
werbung der notwendigen Fertigkeit und praktischen Aus- 
wertung des Gedankens. Loose geht aber weiter und ver- 
sucht, ausschließlich durch Zirkelschläge ein kunstgewerb- 
lich befriedigendes Ornament zu schaffen. 
Er weist zunächst darauf hin, daß das rein geometrische 
Ornament zu allen Zeiten, am vollendetsten aber bei den 
alten Griechen und in der Gotik, bewußt angewendet wurde. 
Wenn auch dem Künstler das Gebundene des Zirkelorna- 
mentes und die sich daraus ergebende Strenge und Gesetz- 
  
Lehrgang für autogenes Schweißen und Schneiden an der deutschen Fachschule für Eisenkonstruktion usw. 
  
in Roßwein i. Sa 
Die Klarheit und Mannigfaltigkeit der Formen, wie 
sie Loose aus dem Kreis entwickelt, überrascht ebensosehr 
durch die Einfachheit des elementaren Aufbaues, als auch 
durch das geschmacklich befriedigende Endergebnis. Liegt 
innerhalb dieser geometrischer Formen gewissermaßen ein 
anmutiges, gefälliges Spielen, ein ständiges Suchen und 
Finden neuer Formen durch Komposition von Zirkelschlägen, 
so werden erhöhte Forderungen an die geistige Uberlegung 
und den Blick für die charakteristischen Linien einer Erschei- 
nung gestellt, sobald diese Versuche sich auf eine freiere 
Ornamentierung ausdehnen. Hierbei zeigt es sich, daß der 
Kernpunkt des Systemo weniger in der manuellen Fertig= 
keit, der Handgeschicklichkeit, als in der geistigen Über- 
legung, in der Kompositionsgabe des Lernenden zu suchen 
ist. Damit wird auch von vornherein die Auowahl derer 
bewirkt, die sich diesem Zirkelzeichnen mit Aussicht auf 
Erfolg widmen können. Nicht jeder Linbshänder, auch wenn 
er fachtechnisch einige Vorbildung besitzt, darf sich dieser 
Arbeit zuwenden. Auodauer, Geschicklichkeit und natürlicher 
Geschmack sind die Voraussetzungen. Wer schon im Buch- 
kunstgewerbe als schmückender Zeichner tätig gewesen ist, 
wird rasch die Vorteile und Eigenheiten des JZirkelentwurfes 
begreifen. 
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