glücklicherweise meist eine auffallende Besserung, wenn
die Kriegsbeschädigten längere Zeit in gleichmäßiger, ruhi-
ger Weise ihrem Berufe nachgehen. In manchen besonders
schwierigen Fällen ist es möglich, Buchdrucker, die nicht
mehr als Maschinenmeister tätig sein können, für Arbeiten
zu Jurichtungszwecken usw. auszubilden, bei denen sie
sitzend tätig sein können. Daß es fast immer möglich ist,
kriegsbeschädigte Buchdrucker und Schriftsetzer ihrem Be-
ruf zu erhalten, bestätigt die Tatsache, daß in Leipzig bie
jetzt nur ein einziger einer anderen Beschäftigung zugeführt
werden mußte.
Der Verlust der rechten Hand läßt oft die Meinung auf-
kommen, daß der Beruf eines Zeichners nun nicht mehr
völlig und lohnend ausgefüllt werden kann. Auf das
Frrige dieser Ansicht wurde schon bei der Besprechung der
Einarmerschulen hin-
gewiesen. Wenn, dort
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mäßigkeit der Form weniger liegen, als die freie unge-
bundene Lnie, wie sie aus dem Schwung des Handgelenkes
heraus entsteht, so kommt wiederum die strenge Form der
Kreislinie der kunstgewerblichen Strömung der Gegen-
wart mit ihrer Neigung nach Klarheit und unverschleierter
Formentwicklung entgegen. Der übliche Aufbau der Kreis-
konstruktionen, wie ihn die Lehrbücher der Mlanimetrie
zeigen, konnte hier nicht zugrunde gelegt werden. Ebenso-
wenig handelt es sich darum, den entwickelten Stoff durch
Beweise rein rechnerischer Natur zu erhärten, sondern diese
in dem befriedigenden Endergebnis zu suchen. Nur das
Rezept der Konstruktion ist erwünscht, aber in einer Form
zeichnerischer Darstellung und Erläuterung, die jeden Zwei-
fel über die Anwendung ausschließt, klar und überzeugend
wirkt.
die mehr schulmäßige
Eingewöhnung und
Ausbildung der Einar=
mer besprochen wur-
de, so beweist dic nach-
folgende Beschreibung
eines Zeichensystems,
daß auch vom rein
praktischen Stand-
punkt aus die Leistun-
gen der Linkshänder
als vollwertig ange-
sehen werden können.
Auf der Heimat-
dank-Ausstellung für
Kriegsbeschädigten-
fürsorge, die im Spät-
sommer 1917 in Leip-
zig stattfand, erfr. ute
sich unter den vorge-
führten Lehrgängen
das Zirkelsystem
für Linkshänder-
Zeichnen von H. W.
Loose in Meißen be-
sonderer Beachtung.
Da der Erfinder selbst
durch eine Verwun-
dung im Felde den
rechten Arm nicht mehr gebrauchen kann, also Linkshänder
ist, erhält seine Arbeit erhöhte Bedeutung. Loose ließ sich
von dem Gedanken leiten, daß die frühere Geschicklichkeit
der rechten Hand nicht ohne weiteres auf die Linke über-
tragen werden kann, daß vielmehr bei Linkshändern auf
eine der Schwerfälligkeit der Hand angepaßte erleichterte
Vorschulung zu achten sei. Die Erkenntnis, daß beim Ge-
brauche des Zirkels diese Vorbedingungen leicht erfüllbar sind
und daß vielleicht die kunstgewerbliche Erweiterung des geo-
metrischen Zirkelornamentes durchführbar ist, #rte zur
Idee des systematischen Auobaues eines besonderen Zirkel-
zeichnens für Linkshänder. Soweit es sich um mathematische
und rein technische Konstruktionen handelt, genügt der ein-
fache Hinweis und die damit verbnüpfte #und zur Er-
werbung der notwendigen Fertigkeit und praktischen Aus-
wertung des Gedankens. Loose geht aber weiter und ver-
sucht, ausschließlich durch Zirkelschläge ein kunstgewerb-
lich befriedigendes Ornament zu schaffen.
Er weist zunächst darauf hin, daß das rein geometrische
Ornament zu allen Zeiten, am vollendetsten aber bei den
alten Griechen und in der Gotik, bewußt angewendet wurde.
Wenn auch dem Künstler das Gebundene des Zirkelorna-
mentes und die sich daraus ergebende Strenge und Gesetz-
Lehrgang für autogenes Schweißen und Schneiden an der deutschen Fachschule für Eisenkonstruktion usw.
in Roßwein i. Sa
Die Klarheit und Mannigfaltigkeit der Formen, wie
sie Loose aus dem Kreis entwickelt, überrascht ebensosehr
durch die Einfachheit des elementaren Aufbaues, als auch
durch das geschmacklich befriedigende Endergebnis. Liegt
innerhalb dieser geometrischer Formen gewissermaßen ein
anmutiges, gefälliges Spielen, ein ständiges Suchen und
Finden neuer Formen durch Komposition von Zirkelschlägen,
so werden erhöhte Forderungen an die geistige Uberlegung
und den Blick für die charakteristischen Linien einer Erschei-
nung gestellt, sobald diese Versuche sich auf eine freiere
Ornamentierung ausdehnen. Hierbei zeigt es sich, daß der
Kernpunkt des Systemo weniger in der manuellen Fertig=
keit, der Handgeschicklichkeit, als in der geistigen Über-
legung, in der Kompositionsgabe des Lernenden zu suchen
ist. Damit wird auch von vornherein die Auowahl derer
bewirkt, die sich diesem Zirkelzeichnen mit Aussicht auf
Erfolg widmen können. Nicht jeder Linbshänder, auch wenn
er fachtechnisch einige Vorbildung besitzt, darf sich dieser
Arbeit zuwenden. Auodauer, Geschicklichkeit und natürlicher
Geschmack sind die Voraussetzungen. Wer schon im Buch-
kunstgewerbe als schmückender Zeichner tätig gewesen ist,
wird rasch die Vorteile und Eigenheiten des JZirkelentwurfes
begreifen.
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