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Man mag über den Wert des Looseschen Systems
denken wie man will, jedenfalls fesselt das Zirkel-
ornament durch den straffen Aufbau und den Reich-
tum von Formen. Die farbige Behandlung, auf deren
Wiedergabe hier aus technischen Gründen abgesehen
werden mußte, ist unbeschränkt. Die strenge Formen-
begrenzung drängt zu einer klaren Entscheidung, alles Ver-
schwommene, Unklare scheidet aus. Die beifolgenden Ab-
bildungen können kein umfassendes Bild des Systemauf-
baues geben. Sie zeigen nur einige Anwendungen für die
Praxis. Der Lehrgang beginnt mit den einfachen Kreis-
formen. Wie dieser auch verwendet wird, ob in= oder neben-
einandergesetzt, ob als Einzelteil oder Flächenmuster, stets
ergibt er bei richtiger Raumverteilung gefällige Formen.
Die weitere Stufe führt zur ornamentalen Bildung und
Ausgestaltung geometrischer Formen, die aus Kreisstücken
zusammengesetzt sind. Bereits hier wird die reiche Varia=
tionsmöglichkeit der einzelnen Formen dergestalt erkennbar,
daß durch kleine Anderungen zum Teil völlig neue Ge-
bilde entstehen. Gleichzeitig erweitert sich bei Flächen=
mustern der Spielraum der Formenwelt, der Zwischenraum
nebeneinandergesetzter feststehender Formen bietet zu neuen
Anlaß, wobei durch Zufall oft eigenartige, reizvolle Ge-
bilde entstehen. Mit dem Fortschreiten zu Stern= und
Rosettenformen ergibt sich die Notwendigkeit geometrischer
Kenntnisse, wie denn auch mit der weiteren Einbeziehung
von Blatt, Blüte usw. die eigentliche gehobene geistige Tätig-
keit beginnt. Wenn auch infolge der natürlichen Grenzen
des Systems und der Gebundenheit der Linie nur Schema=
tisierungen und Stilisierungen zustande kommen, die einer
gewissen Freiheit entbehren, so wird doch die Naturform
gebührend berücksichtigt, da sie ja geometrischer Gesetz-
mäßigkeit unterliegt.
Das System Loose kann natürlich nur den Weg, nicht
das Endziel zeigen. Auch eignet es sich, das sei wiederholt
gesagt, nicht für jeden Linkshänder, selbst wenn er von Be-
ruf Zeichner ist. Sicher aber zeigt es manchem eine neue
Bahn, die zu betreten ebenso interessant wie lohnend ist.
Auch wenn das Zirkelzeichnen nach Loose nicht zu dem
Zwecke getrieben wird, ein ornamental eigenartiges, technisch
neues Verfahren praktisch zu verwerten, bilden die Ubungen
eine schätzenswerte Bereicherung der Lehrbeispiele zur Ein-
gewöhnung und Ausbildung von Linkshändern. —
Alo dritte größere Gruppe von Industriearbeitern sind
die Angehörigen der Metallindustrie zu nennen. Wenn
dieser Berufszweig mit seinen überaus verzweigten Sonder-
betrieben in Sachsen auch nicht die ausschlaggebende Be-
deutung hat, wie z. B. im Westen Deutschlands, so sind
doch in unserem engeren Vaterland eine große Anzahl von
zu verzeichnen, die mehr als örtliche Bedeutung
aben.
Es wurde schon besprochen, daß das Heeresinteresse
es erforderte, viele Kriegsbeschädigte aun ihrem Berufe
u entfernen und sie der Schwerindustrie, also haupt-
söohih, der Metallarbeit zuzuführen. Es ist selbstverständ-
lich, daß es sich hierbei nur um ein „Provisorium“ handelte,
eine vorläufige, einstweilige Einrichtung, die für viele nur
den Uberganz in den ehemaligen Beruf bildet. Aus diesem
Grunde handelte es sich auch bei der Um= und Einschulung
von berufsmäßigen Metallarbeitern, d. h. solchen, die schon
früher in diesem Industriezweig tätig waren, um andere
Maßnahmen, als bei Leuten, die hier nur vorübergehend
arbeiteten.
Im großen und ganzen sind die hierfür aufgestellten
Grundsätze denen der anderen Berufe ähnlich. In ein-
gehender Weise hat sich Oberregierungsrat Dipl.-Ing. Mühl-
mann in Chemnitz der Sache angenommen und Leitsätze
aufgestellt, die ungefähr die folgenden Gedanken enthalten:
Die kriegebeschädigten Metallarbeiter sollen möglichst im
Metallgewerbe weiterbeschäftigt werden. Sie sind entweder
für die Fabrik= und gewerblichen Werkstätten oder für die
verschiedenen technischen Geschäftsabtellungen der Ma-
schinenfabriken anzulernen und weiterzubilden.
In die Lehrgänge der Werkstätten werden die gelernten
und ungelernten Kriegsbeschädigten des Metallgewerbes,
sowie auch solche, die in diesen Beruf eingeführt werden
sollen, aufgenommen. Sofern sie nicht handwerksmäßig
als Mechaniker, Schlosser, Klempner, Schmied usw. ler-
nen, sind sie für das Arbeiten an den Werkzeugmaschinen
zu schulen. Als Ausbildungsstätten werden die Lehrwerk-
stätten der Fachschulen und die eigens für diesen Zweck ge-
schaffenen Anlern= und Ubungswerkstätten, sowie die Ersatz-
gliederwerkstätten der Lazarette benutzt. Im Anschluß hieran
werden Kriegsbeschädigte von diesen Unterrichtsstätten in
Fabriken und andere gewerbliche Betriebe untergebracht,
um dort eine rein praktische Ausbildung zu erhalten. Die
Werkstätten, die mit den Lazaretten, in denen die Leute
wohnen, unmittelbar verbunden sind, haben den Vorzug,
daß die Kriegsbeschädigten als Kranke und als Lernende
unter einer Leitung stehen und dadurch die Überwachung
am einfachsten wird. Es empfiehlt sich, die Arbeitenden
durch eine Bezahlung, vielleicht in der Gestalt sog. Fleiß-
prämien, zur Arbeit anzuspornen. Zu diesem Zwecke kön-
nen Lehrwerkstätten Einzelteile für Fabriken bearbeiten.
Es ist nötig, daß die Leute, soweit es ihr Gesundheits-
zustand zuläßt, den vollen Arbeitstag ausnützen.
Aus den Erfahrungen ergibt sich, daß Arbeiter mit
einem Bein sich an Hobel-, Bohr= und Stanzmaschinen
leichter einrichten als an Drehbänken. Das Arbeiten an
den letzteren strengt die Muskeln des vorhandenen Beines
mehr an, als die Tätigkeit an den anderen Maschinen. Ein-
armer scheinen sich besonders für Feilmaschinen und Re-
volverbänke zu eignen. Gegenüber den künstlichen Arbeits-
händen und Armprothesen werden mit Vorliebe oft die an
den Werkzeugmaschinen selbst angebrachten Einrichtungen
bevorzugt, bei denen der Fuß die Arbeit der fehlenden
Hand übernimmt.
Die Ausbildung zu Maschinenwärtern und Kesselheizern
muß vor allem in praktischer Weise an Maschinen und
Kesseln selbst erfolgen. Höchstens den Leuten, die schon
früher als Heizer tätig waren, kann eine Vortragoreihe
Auen bringen.
ur die kriegsbeschädigten Metallarbeiter, die infolge
ihrer Verletzungen für die praktische Werkstattätigkeit un-
fähig sind, sollen in die theoretischen Lehrgänge aufgenom-
men werden, um sie für die Tätigkeit in den verschiedenen
technischen Geschäftsabteilungen der Maschinenfabriken an-
zulernen, sie also zu Lagerhaltern, Anreißern, Werkstatt-
schreibern, Lohnrechnern, Veranschlagern u. ä. auszubilden.
Leute, die nicht aus dem Metallgewerbe kommen, sind
für eine derartige Ausbildung nicht geeignet. Zeichnen wird
nur soweit getrieben, daß die Unterrichteten Werkzeich-
nungen verstehen und lesen lernen, vielleicht sich auch noch
einige Fertigkeit in Skizzieren aneignen. In den verhält-
nismäßig kurzen Lehrgängen können und sollen niemals
Techniker ausgebildet werden. Ist es bei guter Veranlagung
und besonderer Befähigung empfehlenswert, kriegsbeschä-
bigten Metallarbeitern eine höhere Ausbildung zuteil werden
zu lassen, so bieten die Maschinenbauschulen in ihren ord-
nungsgemässen Lehrgängen dazu Gelegenheit.
Mit sehr guten Ergebnissen sind viele Kriegsbeschädigte
im autogenen Schneiden und Schweißen ausgebildet worden.
Diese technischen Verfahren sind im Metallgewerbe von so
großer Wichtigkeit und ihre Erlernung mit verhältnismäßig
nicht allzu hohen Voraussetzungen verknüpft, daß viele
Kriegsbeschädigte, in erster Lnie selbstverständlich Metall-
arbeiter, die Gelegenheit wahrnehmen, eine in der Praxis
sehr lohnende Arbeitsmöglichkeit zu erlernen.