Kriegsverletzte mit inneren Leiden und Nervenkranke
können vielfach den Lärm der Maschinen, den oft aufregen-
den Betrieb oder die mit der Arbeit verbundenen Erschüt-
terungen nicht vertragen. Ebenso können Epileptiker nicht
an Maschinen arbeiten, da sie leicht sich und ihre Mit-
arbeiter in Gefahr bringen können. In einem größeren
Betriebe wird es leicht sein, diese Bedauernswerten in
maschinenlosen, ruhigen Räumen, z. B. bei der Ausgabe
von Material oder Werkzeug unterzubringen. Hierbei ist
die erfreuliche Tatsache festzustellen, daß nach ärztlichem
Urteil sich die Krankheitserscheinungen, sofern sie im Kriege
erworben sind, nach der Rückkehr in ruhige, geregelte
Verhältnisse in den meisten Fällen nach und nach ver-
lieren.
Zu warnen ist davor, Leute, die noch gut in den Werk-
stätten arbeiten können, den Zeichenstuben zuzuführen. Es
ist klar: Auf den ersten
Blick dünkt manchem-
das als erstrebenswer-
tes Ziel, die Arbeit vor-
nehmer, die Stellung
angesehener. Dem ist
entgegenzuhalten, daß
die Tätigkeit am
Zeichentisch, sofern sie
untergeordneter Natur
ist, bei weitem geringer
bezahlt wird, als die
Werkstattarbeit. Ferner
können Leute mit ober-
flächlichen Kenntnissen
und Fertigkeiten, wie
sie kurzfristige Lehr-
gänge bei aller Vorzüg-
lichkeit doch nur ver-
mitteln, nicht mit den
auf technischen Schulen
mehrjährig ausgebilde-
ten Technikern in Wett-
bewerb treten. Es ist
mit Sicherheit anzu-
nehmen, daß auch hier
die sichtbaren Ver-
schiedenheiten der Ent-
lohnung wenigstens in
den nächsten Jahren
die Kriegsbeschädigten
abhalten werden, nur
auf rein äußerliche Vorteile hin, die zudem in Wirklichkeit
gar nicht vorhanden sind, einen für sie wenig vorteilhaften
Zweig ihres Berufes zu wählen.
Die Besprechung der verschiedenen Industrien und die
Verwendungsmöglichkeiten der Kriegsbeschädigten innerhalb
derselben führt von selbst zu einer Nebeneinanderstellung
der ungelernten bzw. angelernten Arbeiter mit den be-
rufsmäßigen Handwerkern. Auf die grundsätzlichen
Unterschiede wurde schon hingewiesen. Es fragt sich nun,
wie sich das Handwerk gegenüber den Kriegsbeschädigten
verhält, bzw. wie letztere den verschiedenen Berufen wieder
zugeführt werden können. Wenn immer wieder betont
wurde, daß es stets anzuraten sei, jeden Kriegsbeschädigten
seiner früheren Tätigkeit zu erhalten, so kann das Hand-
werk diese Forderung noch dahin verstärken, den Verwun-
deten nach jeder Richtung hin eine berufliche Förderung zu
bieten. Das beißt mit anderen Worten, diejenigen, die
aus irgendeinem Grunde die Lehrzeit nicht beenden konn=
ten, das Versäumte nachholen zu lassen, strebsame Ge-
hilfen aber dahin zu bringen, daß sie mit Erfolg die
Meisterprüfung bestehen. Daneben kbann es nichts schaden,
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wenn dem Handwerk möglichst viel geschulte Kräfte zu-
geführt werden, denn von einer Uberfüllung der Berufe
konnte hier wohl selten gesprochen werden, ebensowenig,
daß ein tüchtiger Handwerksgeselle sich vergeblich nach
Arbeit bemühte.
Freilich liegen die Verhältnisse im Handwerk anders
als in der Industric, wenigstens so weit, als dieselben
nicht Hand in Hand mit ersterem arbeitet. Während die
Tätigkeit des Industriearbeiters, auch des angelernten, in der
mehr oder weniger mechanischen Ausübung bestimmtertech-
nischer Fertigkeiten besteht, die von dem Geübten je nach
dem Geschick bis zur virtuosen Vollendung vollzogen wer-
den, muß der Handwerker nicht ein Teilgebiet, sondern
sein Gewerbe im ganzen Umfang beherrschen. Darauf muß
die Ausbildung Rücksicht nehmen. Im großen und ganzen
kommen bei den Kriegsbeschädigten demnach in Frage:
Lehrgang für Dampfkesseltedienung an der deutschen Fachschule für
isenkonstruktion usw. in Roßwein i. Sa.
1. eine Ergänzung und Vertiefung der vorhandenen
Kenntnisse und Fertigkeiten,
2. Einführung in ein Sondergebiet des betreffenden
Handwerkes und
3. in Ausnahmefällen die Anlernung Berufsfremder.
Eine große Anzahl kriegsbeschädigte Handwerker wurde
durch die Mobilmachung nicht bloß ihrer Tätigkeit entfernt,
sondern auch gehindert, ihre Ausbildung zu vollenden und ab-
zuschließen. Das ist von größerer Bedeutung, als wenn es sich
um Industriearbeiter handelt. Wie auf den meisten Gebieten
unseres Wirtschaftslebens ist es nicht möglich, vielleicht
sogar nicht wünschenswert, da anzuknüpfen, wo seinerzeit
aufgehört wurde. Mancher, der als blutjunger Geselle,
oft noch als Lehrling hinausging, kehrt als gereifter
Mann zurück. Jedenfalls haben derartige Leute von der
Welt und ihrer Stellung zu derselben jetzt einen andern
Begriff als vorher. Sie wissen, was ihre Arbeit zu be-
deuten hat und treten ernsthafter und zielbewußter an die-
selbe heran. Aus diesem Grunde werden alle einsichtovollen
kriegsbeschädigten Handwerber die ihnen gebotene Gelegen-
beit zur Fortbildung gern ergreifen und eifrig benutzen.