rungen die Arbeit an sie stellt und ob und wie sie denselben
gerecht werden können. Von dem Ergebnis dieser Übungen
hängt es denn ab, in welcher Weise die weitere Ausbildung
in der Praxis zu erfolgen hat. Als Beispiel sei ein Fall
angeführt, der einen kriegsbeschädigten Steinbildhauer be-
trifft. Derselbe wurde in den Leipziger Lehrwerkstätten
und im Anschluß hieran bei einem tüchtigen Meister als
Metallbildhauer ausgebildet. Das erzielte Ergebnis war
derart, daß der Betreffende, der auch nebenher die Gewerbe-
schule besuchte, in dem neuen Berufe mindestens das gleiche
leistet als früher (ogl. die beigeg. Abbildungen).
Besonders wichtig und lehrreich sind die Erfahrungen
und Ergebnisse der Unterrichtslehrgänge für Kriegsbeschä-
digte aus dem Baufache. Hier hat es sich gezeigt, daß
ein wechselseitiges Ineinandergreifen des Maurer= und Zim-
mererhandwerkers, wozu
noch die neuzeitliche Ei-
senbetonarbeit kommt,
ebenso wünschenswert
wie durchführbar ist. Die
gründlichen elementaren
Kenntnisse dieser drei
wichtigsten Gebiete des
Baufaches, verbunden
mit einem Beherrschen
der notwendigen theo-
retischen Begriffe ermög-
lichen es manchem Bau-
handwerker, dessen kör-
perliche Schäden ihn sonst
vom Bauplatze entfernen
würden, als Aufseher,
Platzverwalter, in ge-
eigneten Fällen auch als
Polier, dem alten Be-
ruf treu zu bleiben.
Freilich muß auch hier,
wie auf allen andern Ge-
bieten vor einer Ver-
mittlung und Aneignung
oberflächlicher Kenntnisse
und Fertigkeiten gewarnt
werden. Auch hier spukt
das Gespenst des „Tech-
nikers“, d. h. eines solchen
letzten Grades! An der-
artigen „Kräften“ herrscht, ebenso wie in den graphischen
Berufen, kein Mangel, und die Zahl solcher Leute zu
vermehren, ist wenig verdienstlich. Aus diesem Grunde
sind auch die entsprechenden Lehrpläne an den staat-
lichen Bauschulen, die hier tonangebend sind, äußerst vor-
sichtig und mit Vermeidung alles überflüssigen Stoffes
ausgearbeitet worden. Entwerfen und Zeichnen nach der
formal architektonischen Richtung führt unbedingt auf Ab-
wege, sobald nicht hervorragende Begabung vorhanden ist.
uch umfassendere Bauzeichnungen und Konstruktionen
können nur auf Grund eingehender Berechnungen, die wie-
derum ein eingehendes Studium erfordern, ausgeführt werden.
Es liegt die Gefahr nahe, daß durch die Vermittlung ober-
flächlicher Kenntnisse und Fertigkeiten das Bauspekulanten=
tum großgezogen wird. Bei der Ausbildung und Förde-
rung der kriegsbeschädigten Bauhandwerker wird es im
allgemeinen genügen, sie außer in den rein praktischen
Arbeiten, theoretisch so zu unterweisen, daß sie vor allem
au-= und Werkzeichnungen richtig lesen und verstehen
lernen, also die Grundbegriffe der Projektionslehre, Mauer-
und Zimmerkonstruktionen, Baukunde über Vorbereitung
des Bauplatzes und die allgemeinen Vorgänge beim Aufbau
des Hauses. Hingegen ist das vielfach übliche Nachzeichnen
Osterwalds Arbeitshilfe
Oie durch den linken-F, iieebe Ginue. Sent, die Feile, während der rechte
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von Bauplänen zu kleinen Häusern, Grundrissen, Durch-
schnitten und Schauseiten aus den oben angeführten Grün-
den weniger zu empfehlen. Der Unterricht in deutscher
Sprache, soweit er hier auftritt, wird sich in der Haupt-
sache mit Geschäftskunde befassen, damit die Leute in den
Stand gesetzt werden, Wochenberichte, Meldungen über
Unfälle, einfache Gesuche zu verfassen und Lohnlisten u. dgl.
richtig zu führen.
In ähnlicher Weise, wie hier einige Handwerke be-
sprochen wurden, liegen die Verhältnisse auch bei anderen.
Die überwiegende Jahl der kriegsbeschädigten Gewerbs-
gehilfen findet wieder im alten Berufe Beschäftigung, sei
es in gewohnter Weise, oder in einer Tätigkeit, die ihren
Kenntnissen und Fertigkeiten entspricht.
Wie verhält es sich mit Berufsfremden im
Handwerk? Wenn im
allgemeinen der Grund-
satz aufgestellt wird, je-
den Kriegsbeschädigten
seinem Beruf zuerhalten,
Umschulungen möglichst
zu vermeiden und Außen--
stehende ohne Not nicht
in einen ihnen feemden
Tätigkeitskreis zu ziehen,
so gilt das vor allem auf
solchen Gebieten, die be-
stimmte Eignung, wenn
nicht Begabung oder auch
Nmfassende, längere Zeit
beanspruchende Einar-
beitung voraussetzen. So-
bald aber diese Bedin-
gungen erfüllt werden,
wird natü.lich dem
Kriegsbeschädigten gern
die Hand gereicht. Zu-
mal da, wo die bean-
spruchten Fähigkeiten
leicht erkennbar sind. Das
istbegreiflicherweise beim
Handwerk in erster Linie
der Fall. Die Gefahr,
daß sich hier Ungeeignete
zu einer Tätigkeit drän-
gen, ist ungleich geringer
als bei den schreibenden und zeichnenden Berufen. ÜUber die
geringere Wertschätzung der Handarbeiter gegenüber ihren
Mitbürgern „mit dem weißen Kragen“ wurde schon ge-
sprochen. Mag sich auch hier in der letzten Zeit manches
geändert haben, — hoffen wir's! —, aus rein äusserlichen
Gründen wird wohl kaum ein Kriegsbeschädigter zu einem
Handwerk greifen. Sicherlich geschieht dies au einem
inneren Drang, einer Wertschätzung und Freude an der
Tätigkeit, die den Mann „berufen“ erscheinen läßt. Und
solche Leute brauchen wir im Handwerk! Nur jene Liebe,
die in der Werkarbeit eine Kunst erblickt, erzeugt Gesellen
und Meister, die mit Stolz ihr Handwerk betrachten und
auf die auch ihre Zeitgenossen stolz sein können. Nicht die
kalte Berechnung, ob in der oder jener Tätigkeit höhere
Einnahmen zu erzielen sind, sondern die Freude an dem
Geschaffenen lassen beim Handwerk Ergebnisse zeitigen,
die allseitig befriedigen.
Aus diesem Grunde kann es fast immer gebilligt wer-
den, wenn sich ein Kriegsbeschädigter dem Handwerk zu-
wendet. Und wenn er ihm nicht seine volle Kraft zu-
wenden kann, so wird es ihm eine - sein, innerlich
und äußerlich wertvoller, als mancher Pförtnerposten.
Inwieweit das Handwerk als Nebenberuf für länd-