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zu vollziehen. Sie wurden an die Wand gestellt, sechs
bis acht Schuß krachten und nie wieder sollten sie künftig-
bin aus dem Hinterhalt die todbringenden Geschosse auf
unsere braven Leute senden. So arbeitete sich unser Zug,
schwer kämpfend, dem mörderischsten Infanteriefeuer aus-
gesetzt, zusammen mit der Infanterie, der durch das kalt-
blütige, heldenmütige Arbeiten der beiden Geschütze das
Vorwärtskommen erleichtert wurde, schrittweise bis zum
Marktplatz vor.
Munition, viel Munition, war das einzige, was uns hier
helfen konnte. Glücklicherweise trafen gerade jetzt zwei neue
Munitionswagen ein, von dem Meldereiter des Leutnants
Futtig, Trompeter Miltz, schneidig herangeholt. Sämtliche
Häuser des Marktes wurden nun mit Granaten über-
schüttet, so schnell, als es die Kräfte der Geschützbedienung
ermöglichten, wurde gearbeitet. Leicht war es nicht, roll-
ten doch die Kanonen auf der harten Straße bei jedem
Schuß wie anno dazumal immer 4—8 Meter zurück. Da
kommt der Regimentsadjutant vom Infanterieregiment
Nr. 104, Oberleutnant Eulitz, angejagt und teilt mit, daß
in unserem Rücken der Kampf aufs neue begonnen habe,
überall in den brennenden Häuser hätten sich noch Frank-
zu machen, sank nach wenigen Schritten gleich von mehreren
Kugeln getroffen mit einem jähen Aufschrei um. Auch
hatte nunmehr die feindliche Artillerie vom anderen Ufer
uns wohl erkannt und begann in das Dorf hineinzuschießen.
So suchten wir denn zusammen mit der Infanterie Deckung
in den zunächst gelegenen Häusern, um abzuwarten, bis
vom Dorfeingang an nochmals alle Häuser systematisch
abgesucht wären. Endlich gegen s Uhr nachmittags war
die Aufgabe gelöst. Bis dahin hatten unsere braven loer
zusammen mit den Pionieren alle Schlupfwinkel durch-
stöbert und sämtliche Häuser angezündet. Hastiere war
in unserem Besitz.
Gegen 9 Uhr abends dankte Oberst Hammer dem Zuge
für seine tatkräftige, heldenhafte Unterstützung und ent-
ließ uns zu unserem Regiment. So rückten wir auf der
Straße, auf der wir kämpfend am Morgen schrittweise
vorwärts gekommen waren, wieder zurück. Einen Sieges-
zug konnten wir nicht abgeben. Zwei Pferde waren uns
noch von unseren Bespannungen geblieben; die anderen
waren tot. Doch wie durch Zufall fanden wir wenigstens
noch vier Ackergäule in dem brennenden Dorfe. So zogen
wir ab, das erste Geschütz richtig aufgeprotzt und mit sechs
Pferden notdürftig bespannt; das zweite Ge-
Anseremme, Anmarschgelände
tireurs versieckt. Schnell will er wieder sein Pferd be-
steigen, ein Fuß im Steigbügel, da bricht sein Pferd, töd-
lich getroffen, unter ihm zusammen.
Inzwischen sind fast sämtliche Häuser des Marktes durch-
sucht und in unserem Besitz. Wir verlegen unser Geschiütz=
feuer jetzt auf eine Barrikade vor der Maasbrücke, auf
einen großen Park links der Straße und ein großes Csia-
minet rechts derselben, aus dem unzählige Schüsse über uns
binwegsausen. Mitten auf dem Marktplatz stehen unsere
beiden Geschütze. Da setzt plötzlich ein mörderisches In-
fanterie-Schnellfeuer ein von allen Seiten, aus den Häu-
sern, die durchsucht, wir fest in unserem Besitz wähnten und
vom gegenüberliegenden Maasufer. Kein Schild kann uns
mehr Schutz bieten. Unser Zugführer sieht, wie aus einer
Dachesse dauernd Schüsse aufblitzen und gerade jetzt gegen
ihn selbst ein Gewehrlauf gerichtet ist, schon hat er den
einen Nichtkanonier an der Schulter gepackt, vom Geschütz
gezerrt, sich selbst auf den Richtsitz gesetzt, da kommandiert
er auch „Feuer“ und weg flog die Esse samt den darin
befindlichen Schützen. Aber ein weiteres Vordringen war
unmöglich.
Die Leute beider Geschütze waren fast alle schwer ver-
wundet; Munition heranzuschaffen war unmöglich, da jeder
einzelne abgeschossen wurde. Kanonier Krasselt, der es sich
nicht hatte nehmen lassen, doch noch einen letzten Versuch
schütz, dessen Richtbaum und Teile des
Lafettenschwanzes abgeschossen waren, wurde
mit Bindesträngen an die erste Kanone an-
gekoppelt. Unser Zugführer, der einen Streif-
schuß am Kopf erhalten und diesen fest
verbunden hatte, vorneweg zu Fuß, auch
sein Pferd hatte er nicht mehr vorgefunden.
Von den Bedienungomannschaften waren
nur noch spärliche Reste übrig; sieben schwer
verwundete Kameraden ließen wir auf dem
Verbandplatz zurück.“
Der Maasübergang bei Waulsort
Rechts von der Gefechtsgruppe des Ober-
sten Hammer war im rechten Abschnitt der
40. Infanteriedivision bereits seit Morgen-
grauen das 181. Infanterieregiment unter
Oberst Stephani tätig. Ihm unterstand an
diesem ersten Kampftag für sein abgegebenes
I. Bataillon das I. Bataillon des Infanterie-
regiments „Kronprinz“ Nr. 104.
Noch während der Frühdunkelheit schoben sich die beiden
Bataillone des Infanterieregiments 181 als Artilleric=
schutz westlich von Falmignoul in Richtung auf die schmuk-
ken Landhäuser von Waulsort, die lockend von jenseits der
Maas herübergrüßten, an das Flußufer vor. Hinter ihnen
bekämpften zwei Batterien des Feldartillerieregiments 32
erfolgreich die feindliche Artillerie beiderseits von Lenne,
das trotzig von breiter Felsbastion hoch oben jenseits des
Flusses herüberglänzte.
Schon 10 Uhr vormittags gelang es hier, drei Pontons
im Maasbogen, dicht südöstlich, unterhalb von Lenne, zu
Wasser zu bringen.
Das III. Bataillon setzte als erstes über. Ihm folgte
dann das zweite. Dann setzte bis zum Abend auch noch
das I. Bataillon des Infanterieregiments „Kronprinz“
Nr. 104 über, das während des Uberführens der beiden
Bataillone des Infanterieregiments 181 das Flußufer
besetzt gehalten hatte.
Die beiden Bataillone des Regiments 181 erstürmten
unter ihrem tapferen Oberst Stephani alsbald das hart-
näckig von den Franzosen verteidigte Dorf Lenne und machten
130 Gefangene vom französischen Infanterieregiment 208.
Der Gegner wich auf Onhaye. Bevor wir den nach-
stürmenden 18 lern dorthin folgen, soll der Flußübergang
noch im Bereich der 24. Infanteriedivision dargestellt werden.