Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

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zu vollziehen. Sie wurden an die Wand gestellt, sechs 
bis acht Schuß krachten und nie wieder sollten sie künftig- 
bin aus dem Hinterhalt die todbringenden Geschosse auf 
unsere braven Leute senden. So arbeitete sich unser Zug, 
schwer kämpfend, dem mörderischsten Infanteriefeuer aus- 
gesetzt, zusammen mit der Infanterie, der durch das kalt- 
blütige, heldenmütige Arbeiten der beiden Geschütze das 
Vorwärtskommen erleichtert wurde, schrittweise bis zum 
Marktplatz vor. 
Munition, viel Munition, war das einzige, was uns hier 
helfen konnte. Glücklicherweise trafen gerade jetzt zwei neue 
Munitionswagen ein, von dem Meldereiter des Leutnants 
Futtig, Trompeter Miltz, schneidig herangeholt. Sämtliche 
Häuser des Marktes wurden nun mit Granaten über- 
schüttet, so schnell, als es die Kräfte der Geschützbedienung 
ermöglichten, wurde gearbeitet. Leicht war es nicht, roll- 
ten doch die Kanonen auf der harten Straße bei jedem 
Schuß wie anno dazumal immer 4—8 Meter zurück. Da 
kommt der Regimentsadjutant vom Infanterieregiment 
Nr. 104, Oberleutnant Eulitz, angejagt und teilt mit, daß 
in unserem Rücken der Kampf aufs neue begonnen habe, 
überall in den brennenden Häuser hätten sich noch Frank- 
zu machen, sank nach wenigen Schritten gleich von mehreren 
Kugeln getroffen mit einem jähen Aufschrei um. Auch 
hatte nunmehr die feindliche Artillerie vom anderen Ufer 
uns wohl erkannt und begann in das Dorf hineinzuschießen. 
So suchten wir denn zusammen mit der Infanterie Deckung 
in den zunächst gelegenen Häusern, um abzuwarten, bis 
vom Dorfeingang an nochmals alle Häuser systematisch 
abgesucht wären. Endlich gegen s Uhr nachmittags war 
die Aufgabe gelöst. Bis dahin hatten unsere braven loer 
zusammen mit den Pionieren alle Schlupfwinkel durch- 
stöbert und sämtliche Häuser angezündet. Hastiere war 
in unserem Besitz. 
Gegen 9 Uhr abends dankte Oberst Hammer dem Zuge 
für seine tatkräftige, heldenhafte Unterstützung und ent- 
ließ uns zu unserem Regiment. So rückten wir auf der 
Straße, auf der wir kämpfend am Morgen schrittweise 
vorwärts gekommen waren, wieder zurück. Einen Sieges- 
zug konnten wir nicht abgeben. Zwei Pferde waren uns 
noch von unseren Bespannungen geblieben; die anderen 
waren tot. Doch wie durch Zufall fanden wir wenigstens 
noch vier Ackergäule in dem brennenden Dorfe. So zogen 
wir ab, das erste Geschütz richtig aufgeprotzt und mit sechs 
Pferden notdürftig bespannt; das zweite Ge- 
  
  
  
Anseremme, Anmarschgelände 
tireurs versieckt. Schnell will er wieder sein Pferd be- 
steigen, ein Fuß im Steigbügel, da bricht sein Pferd, töd- 
lich getroffen, unter ihm zusammen. 
Inzwischen sind fast sämtliche Häuser des Marktes durch- 
sucht und in unserem Besitz. Wir verlegen unser Geschiütz= 
feuer jetzt auf eine Barrikade vor der Maasbrücke, auf 
einen großen Park links der Straße und ein großes Csia- 
minet rechts derselben, aus dem unzählige Schüsse über uns 
binwegsausen. Mitten auf dem Marktplatz stehen unsere 
beiden Geschütze. Da setzt plötzlich ein mörderisches In- 
fanterie-Schnellfeuer ein von allen Seiten, aus den Häu- 
sern, die durchsucht, wir fest in unserem Besitz wähnten und 
vom gegenüberliegenden Maasufer. Kein Schild kann uns 
mehr Schutz bieten. Unser Zugführer sieht, wie aus einer 
Dachesse dauernd Schüsse aufblitzen und gerade jetzt gegen 
ihn selbst ein Gewehrlauf gerichtet ist, schon hat er den 
einen Nichtkanonier an der Schulter gepackt, vom Geschütz 
gezerrt, sich selbst auf den Richtsitz gesetzt, da kommandiert 
er auch „Feuer“ und weg flog die Esse samt den darin 
befindlichen Schützen. Aber ein weiteres Vordringen war 
unmöglich. 
Die Leute beider Geschütze waren fast alle schwer ver- 
wundet; Munition heranzuschaffen war unmöglich, da jeder 
einzelne abgeschossen wurde. Kanonier Krasselt, der es sich 
nicht hatte nehmen lassen, doch noch einen letzten Versuch 
schütz, dessen Richtbaum und Teile des 
Lafettenschwanzes abgeschossen waren, wurde 
mit Bindesträngen an die erste Kanone an- 
gekoppelt. Unser Zugführer, der einen Streif- 
schuß am Kopf erhalten und diesen fest 
verbunden hatte, vorneweg zu Fuß, auch 
sein Pferd hatte er nicht mehr vorgefunden. 
Von den Bedienungomannschaften waren 
nur noch spärliche Reste übrig; sieben schwer 
verwundete Kameraden ließen wir auf dem 
Verbandplatz zurück.“ 
Der Maasübergang bei Waulsort 
Rechts von der Gefechtsgruppe des Ober- 
sten Hammer war im rechten Abschnitt der 
40. Infanteriedivision bereits seit Morgen- 
grauen das 181. Infanterieregiment unter 
Oberst Stephani tätig. Ihm unterstand an 
diesem ersten Kampftag für sein abgegebenes 
I. Bataillon das I. Bataillon des Infanterie- 
regiments „Kronprinz“ Nr. 104. 
Noch während der Frühdunkelheit schoben sich die beiden 
Bataillone des Infanterieregiments 181 als Artilleric= 
schutz westlich von Falmignoul in Richtung auf die schmuk- 
ken Landhäuser von Waulsort, die lockend von jenseits der 
Maas herübergrüßten, an das Flußufer vor. Hinter ihnen 
bekämpften zwei Batterien des Feldartillerieregiments 32 
erfolgreich die feindliche Artillerie beiderseits von Lenne, 
das trotzig von breiter Felsbastion hoch oben jenseits des 
Flusses herüberglänzte. 
Schon 10 Uhr vormittags gelang es hier, drei Pontons 
im Maasbogen, dicht südöstlich, unterhalb von Lenne, zu 
Wasser zu bringen. 
Das III. Bataillon setzte als erstes über. Ihm folgte 
dann das zweite. Dann setzte bis zum Abend auch noch 
das I. Bataillon des Infanterieregiments „Kronprinz“ 
Nr. 104 über, das während des Uberführens der beiden 
Bataillone des Infanterieregiments 181 das Flußufer 
besetzt gehalten hatte. 
Die beiden Bataillone des Regiments 181 erstürmten 
unter ihrem tapferen Oberst Stephani alsbald das hart- 
näckig von den Franzosen verteidigte Dorf Lenne und machten 
130 Gefangene vom französischen Infanterieregiment 208. 
Der Gegner wich auf Onhaye. Bevor wir den nach- 
stürmenden 18 lern dorthin folgen, soll der Flußübergang 
noch im Bereich der 24. Infanteriedivision dargestellt werden.
	        
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