Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

werden solle, dringend geboten, daß die dritte Armee diesen 
Angriff, der mit dem linken Flügel der zweiten Armee auf 
Mettet gehen sollte, durch einen Angriff in der Richtung 
Ost—West unterstütze.“ 
Dieser Hilferuf der zweiten Armee stellte das Oberkom- 
mando der dritten Armee vor die schwerwiegende Entschlie- 
ßung, ob es an seinem vor 1½ Stunde bekanntgegebenen 
Armeebefehle, das heißt: an der Fortsetzung der Offensive 
in südwestlicher Richtung festhalten oder dem von der 
zweiten Armee gestellten Antrage — Vorrücken von Ost 
nach West — Gehör geben sollte. Die kurze Frist, die 
dem Oberkommando der dritten Armee zur Entschließung 
zur Verfügung stand, wollte doch die zweite Armee mit 
Tagesanbruch — also in etwa 2½ Stunden — antreten, 
schloß jede weitere Verhandlung, sei es mit dem Ober- 
kommando der zweiten Armee oder mit der Obersten Heeres- 
leitung, völlig aus. 
Gegen ein Vorgehen von Ost nach West sprach auch der 
von der vierten Armee in den beiden letzten Tagen erfochtene 
Sieg und die am 24. August beginnende Verfolgung der 
vierten Armee auf Charleville. Diese versprach der Süd- 
westoffensive der dritten Armee besonders förderlich zu 
werden, weil sie die Trennung der beiden in Frage kommen= 
den französischen Heeresgruppen (Charleville bzw. Phi- 
lippeville) bereits in die Wege geleitet hatte. 
Dennoch entschloß sich das Oberkommando der dritten 
Armee, dem Rufe der zweiten Armee Gehör zu geben und 
zwar in Rücksicht darauf, daß nach den Weisungen der 
Obersten Heeresleitung das Vorgehen der zweiten Armee 
neben dem der ersten Armee für die Südschwenkung des 
Heeres maßgebend sein sollte und daher nach Ansicht des 
Oberkommandos der dritten Armee jede durch den Feind 
veranlaßte Störung dieser Bewegung den Erfolg der deut- 
schen Gesamtoperationen in Frage zu stellen drohte. Dieser 
Notwendigkeit, einem etwaigen taktischen Rückschlage des 
rechten Heeresflügels vorzubeugen, opferte das Oberkom= 
mando der dritten Armee seine sich ihm insonderheit bie- 
tenden operativen Vorteile und funkte an das Oberkom= 
mando der zweiten Armee: „Wir greifen in Nichtung 
Mettet und südlich an. Fouqus ist hier.“ 
Das Oberkommando der dritten Armee erließ sofort, 
trotz der Gefahr, daß eine Aufhebung des soeben erst 
ergangenen Armeebefehls Nr. 1 durch neue Anordnungen 
zahllose Reibungen in der Befehlsübermittelung und in 
den Truppenbewegungen zur Folge haben könnte, einen 
Armeebefehl Nr. 2 — Toviet 24. Augusi ",# Uhr früh, 
der dem Angriffe die gewünschte Richtung Ost—West gab. 
Durch dieses Entgegenkommen seitens des Oberkomman= 
dos der dritten Armee war in kritischer 
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erfuhr das Oberkommando der dritten Armee durch die Luft- 
aufklärung, daß der französische Rückzug in südlicher und süd- 
westlicher Richtung und d Iwar in breiter Front über die Linie 
Givet t vor sich ging. Diese Tat- 
sache sowie der Umstand, daß der von der zweiten Armee 
erwartete Kampf scheinbar nicht zur Auswirkung kam, ver- 
anlaßte das Oberkommando der dritten Armee, seinen ur- 
sprünglichen Gedanken der südwestwärts gerichteten Offen- 
sive unverzüglich wieder aufzunehmen und die vom Ober- 
kommando der zweiten Armee erbetene Bewegungerichtung 
Ost—- West aufzugeben. Dementsprechend wurden die Nach- 
bararmeen verständigt und ein neuer 
Armeebefehl Nr. 3 — Dinant 9,45 Uhr früh 
erlassen, wonach die Wege einzuschlagen waren (Skizze 4): 
23.Reservedivision über Florennes—hilippeville —Ma- 
riembourg—Gouvin—Bruly, 
XII. Armeekorps Nosée — Franchimont — Fagnolle — 
Dourbes—Nismes—Nocroi, 
XIX. Armeekorps, Teile westlich der Maas über Rome- 
denne—Romerée —Oignies—Fumay, 
die anderen Teile Richtung zumhNeoin. 
Nachdem das Oberkommando der dritten Armee, hart 
östlich Dinant stehend, am 24. August Gewißheit gewonnen 
hatte, daß der Brückenschlag bei Leffe seiner Beendigung 
entgegensah und dort der Uferwechsel der noch rechts der 
Maas stehenden Kräfte der 32. Infanteriedivision und der 
23. Reservedivision anstandslos vor sich gehen würde, be- 
gab es sich nach Les Rivages zu der für die 23. Infanterie- 
division erwählten Brückenstelle, wo das Leibgrenadierregi- 
ment loo gegen 1 Uhr nachmittags noch in zeitraubendem 
Ülbersetzen begriffen war. Nach langem Warten wurde 
der engere Stab des Oberkommandos auf das linke Maas- 
ufer übergesetzt. Er fuhr über das Gefechtsfeld bei Lenne 
zunächst nach Onhaye, in der Erwartung, dort Näheres 
durch die Vorhut der 23. Infanteriedivision über den Ab- 
zug des Feindes zu hören. Die Divisionskavallerie weiter 
vorn vermutend, setzte das Oberkommando seine Fahrt 
über Gérin—Anthée bis dicht vor Nosée fort, kehrte aber, 
ohne auf der Straße Freund oder Feind angetroffen zu 
haben, um, beobachtete während der Rückfahrt ein auf 
der Höhe südwestlich Morville zwischen den Spitzen der 
24. Infanteriedivision und einer französischen Nachhut sich 
entspinnendes Gefecht und gewann dann später die Straßen-= 
gabel nördlich von Flavion. Dort kam dem Oberkommando 
eine belgische Infanterieabteilung — ungefähr 60 Mann 
verschiedener Regimenter, Zerrbilder von Soldaten — in 
geordnetem Zuge marschierend, voran eine weiße Fahne, 
hinterher zwei Kraftwagen, entgegen, die sich ohne weiteres 
  
Stunde eine vornehmlich den Interessen 
der zweiten Armee dienende Vereinbarung 
zwischen diesen Armeen zustande gekommen. 
Einheitliche Leitung der ersten, zweiten, 
dritten und vierten Armee als Heeres- 
gruppe würde der Gefahr vorgebeugt haben, 
die hier der Verwirklichung eines taktischen 
Zusammenwirkens der zweiten und dritten 
Armee drohte. Sie allein konnte über- 
sehen, ob und wie die operativen Wege, 
welche die dritte Armee einzuschlagen be- 
absichtigte, mit den Verhältnissen an der 
Sambrefront in Einklang zu bringen waren. 
Diese Lücke in der sonst so vortrefflich 
organisierten deutschen Heeresführung isi 
ja im Verlauf des Krieges behoben und 
die Gliederung der gewaltigen Heeres- 
massen in Heeresgruppen später durch- 
geführt worden. — 
Am frühen Vormittag des 24. Augusi 
  
Freyr, Flsen am rechten Maasufer
	        
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