Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

mit der feindlichen Ortsbevölkerung zusammen in blutigem 
Heckenkrieg aussichtslos die Verfolger aufzuhalten such- 
ten, zersprengt, vernichtet oder gefangen. 
Aber die Hauptkräfte der französischen fünften Armee 
waren nicht mehr zu fassen. Dafür gelang es weiter rechts, 
rückwärts der Brigade Hempel, in Bioulr dem entschlos- 
senen Zugreifen des Artilleriemajors Richter, des Komman- 
deurs der II. Abteilung des Reserve-Feldartillerieregiments 23, 
einen besonders glücklichen Fang zu tun. 
Die Gefangennahme der Belgier in Bioulr 
Major Richter hatte am 23. August abends zunächst 
auf dem rechten Maasufer bei Houx mit seinen Batterien 
zurückbleiben müssen, als sich die 45. Reservebrigade, der 
seine Abteilung am Kampftage beigegeben war, über die 
zerstörte Eisenbahnbrücke von Houx hinüber vorgearbeitet 
hatte. Er sollte folgen, sobald die Pioniere die Brücke für 
seine Geschütze fahr- 
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wagen und Truppenfahrzeuge stürzten in die Straßengräben. 
Dann sandte die Batterie Rößler mehrere Lagen in das 
Dorf. Der Gegner dachte nicht daran, seine zahlreiche 
Artillerie antworten zu lassen. 
Wohl aber tauchte plötzlich 400 Meter vor der Batterie 
ein Reiter mit einer weißen Flagge auf. Auch am Rande 
von Bioulr wurden weiße Tücher geschwenkt. 
Nun ritt der schon am Kampftage zuvor besonders be- 
währte Adjutant des Major Richter, der junge Leutnant 
Garke, der sein kurzes Heldenleben leider schon in der 
Marneschlacht 14 Tage später beschließen sollte, kühn mit 
zwei Begleitern ins Dorf. Das Feuer wurde inzwischen ein- 
gestellt. Währenddem kamen die beiden Hauptleute Moras 
und Reinhardt, auf den Kanonendonner sofort losmarschiert, 
heran und entwickelten sofort ihre Kompagnien zum Vor- 
gehen gegen das Dorf. 
Da Leutnant Garke gegen die Verabredung innerhalb der 
nächsten 10 Minuten nicht zurückkehrte, galoppierte Major 
Nichter mit acht Rei- 
  
bar gemacht hätten. 
Selbsttätig war er 
dann nach Leffe ge- 
zogen, um bald- 
möglichst mit sinen 
Batterien über die 
dortige Kriegsbrücke 
der 32. Infanteric- 
division vorwärts zu 
kommen. 
Nur mit der 4. 
Batterie war ihm 
dies bis Mittag des 
24. Augustgelungen. 
Gegen 12,30 Uhr 
nachmittags erreich- 
te er über Bouvignes 
den Ort Haut le Wa- 
  
tern — alles, was 
noch verfügbar war 
— nach Bioulr und 
traf dort den Leut- 
nant Garke in Ver- 
bandlung mit bel- 
gischen Offizieren 
wegen der Übergabe. 
Während die Be- 
gleiter des Majors, 
sich im Dorfe ver- 
teilend, das Nieder- 
legen der Waffen 
voranlaßten, an- 
drohend, daß an- 
dernfalls die zwölf 
Batterien, die rings 
das Dorf umstellt 
  
stia, etva 3 Kilo- 
meter westlich von 
Houx. Dort wurde er 
von Generalleutnant von Larisch, dem Kommandeur der 
23. Reservedivision, der 46. Reservebrigade, die dringend 
der Artillerieunterstützung bedurfte, nachgeschickt. 1,45 Uhr 
nachmittags sollte er Warnant erreichen. 1 Kilometer 
westlich des Orts traf er auf zwei Kompagnien des 
Reserve-Infanterieregiments 102 unter den Hauptleuten 
Moras und Reinhardt und auf die 3. Batterie seines eigenen 
Regiments unter Oberleutnant Rößler, die gleichfalls An- 
schluß an ihre weiter westwärts vorgedrungene Brigade 
Hempel suchten. 
Die erschöpfte Infanterie mußte einen Halt einlegen. 
So trabte Major Nichter mit der 3. und 4. Batterie allein 
weiter. Auf der Höhe, 2 Kilometer östlich Bioulz, meldete 
ihm dann eine Unteroffizierspatrouille des Reserve-Husaren- 
regiments, daß sie seit 7 Uhr früh aus dem vorliegenden 
Dorfe durch feindliche Truppen beschossen werde. Dort 
hatte der Husarenunteroffizier starke Massen von Belgiern 
mit zahlreichen Fahrzeugen fesigestellt. Major Richter er- 
kannte dann mit dem Glase, daß eben aus Bioulx eine 
lange Kolonne von Truppen, Geschützen und Kraftwagen 
in wesilicher Nichtung abzuziehen begann. Das Dorf war 
anscheinend noch mit zahlreichen Truppen angefüllt. 
Die vorderste Batterie Rößler eröffnete sofort — 2 Uhr 
45 Minuten nachmittags — das Feuer gegen die feind- 
liche Marschkolonne. Mehr Geschütze gestattete das mit 
festen Drahtzäunen übersponnene Gelände zunächst nicht 
in Stellung zu bringen. Schon die ersten Schüsse saßen. 
Die Kolonne stob auseinander, ganze Reihen von Be- 
deckungomannschaften sanken wie niedergemäht hin, Kraft- 
Linkes Maasufer bei Anseremme (Friedensansicht) 
bielten, feuern 
würden, bahnte sich 
der Major Richter 
mit seinem Adjutanten durch die Masse der Belgier zwischen 
den Fahrzeugen, die alle Dorfgassen füllten, den Weg zum 
Schloß. Dort erklärte er die zahlreichen dahin zusammen- 
strömenden belgischen Offiziere zu Gefangenen und erfuhr 
aus ihren Reden, daß er starke Teile der vierten belgischen 
Division vor sich habe, die mit dem Auftrag, sich westwärts 
durchzuschlagen, Namur in der letzten Nacht verlassen hatte. 
Glücklicherweise waren inzwischen auch die beiden Infan- 
teriekompagnien im Dorfe angekommen. Sie vollzogen 
die Abführung der Tausende von Menschen in das freie 
Gelände außerhalb des Dorfes. Dort übernahm dann 
Major Freiherr von Welck mit drei Kompagnien, die 
Generalleutnant Hempel auf die Kunde des Geschehenen 
hin sofort hergeschickt hatte, den Weitertransport der Ge- 
fangenen. Etwa 7000 Mann mit gegen 100 Offizieren, 
40 Geschütze und Munitionswagen, Tausende von Pferden 
und 600 bis 700 Fahrzeuge, darunter mehrere hundert 
Kraftwagen, endlich Tausende von Handwaffen bildeten 
die willkommene Beute. — 
Bei der weiteren, allmählich immermehr nach Süden 
drehenden Verfolgung am 25. August fiel dem XII. Reserve- 
korps auf dem äußersten rechten Flügel der dritten Armee 
der weiteste Weg zu. Dabei wurde in rastlosem Vorwärts- 
dringen das menschenmögliche geleistet. Die Vorhut der 
23. Reservedivision erreichte bereits am Nachmittag des 
August Mariembourg, das stark vom Feinde besetzt 
war. Während das Gros zum umfassenden Angriff ausbog, 
stürmte Major von Egidy mit seinem II. Bataillon des 
Reserve-Grenadierregiments loo zusammen mit Teilen der
	        
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