Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

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Man war bereits seit Stunden in Fühlung mit langsam 
weichenden Franzosentrupps, anscheinend zur 51. Reserve- 
division gehörig. 
Gleichzeitig wie die Vorhut, erhielt auch der Anfang des 
Gros Feuer aus den Wäldern ringsum. Von rückwärts 
hallte der Kanonendonner von Givet herüber. Er galt der 
großen Bagage der Division in und bei Felenne. Die Dörfer 
waren verlassen. Eine kurze Nachtruhe in der Marschkolonne 
wurde den übermüdeten Truppen gegönnt, mehrfach von 
unaufgeklärten Schießereien unterbrochen. 
Dann griff die Vorhut bei Morgengrauen Willerzie an. 
Von dort wich der Feind, zwei Bataillone des Regiment 245, 
rechtzeitig nach Süden in die Wälder aus. Ein Bataillon 
des Infanterieregiments 134 blieb als Flankenschutz bei 
Willerzie. Die Division nahm den Marsch auf Fumay 
wieder auf. 
Die neue Vorhut, Oberst von Kotsch mit seinem Infan- 
terieregiment 133, stieg, scharf rechts ausbiegend, zur Maas 
hinab in Richtung auf Fumay, das jenseits der Maas auf 
maasumflossenem Bergvorsprung sich ausbreitet. Vorher 
erreicht die Marschstraße, aus einer langen Bergschlucht tre- 
tend, das Dorf Haybes mit einer Fabrikbevölkerung von 
mehr als 2000 Menschen. Das Dorf lehnt sich breit an 
die Maas, hoch überragt von den Felskanzeln des jenseitigen 
Maasufers, die es in engem Bogen umschließen. Von 
Haybes nach der Brücke von Fumay führt der Weg der 
Maas entlang im Bereich der Felshoͤhen des linken Ufers 
und vorbei an einer hohen Bergwerkshalde links der Straße. 
Die Vorhut der Division erhielt beim Heraustreten aus 
dem Gebirge auf Haybes zu heftiges Feuer aus dem Dorf 
sowie von den Höhen jenseits des Flusses. Das Dorf wurde 
bis zum Abend zum größeren Teil von den französischen 
Forst= und Grenzbeamten, die zusammen mit der Bevölke- 
rung den Ort hartnäckig verteidigten, gesäubert. Aber wieder 
war ein kostbarer Tag verstrichen. Die langgedehnte Marsch- 
kolonne der Division mußte in dem endlosen Wald= und 
Gebirg#engpas abwarten, bis die Vorhut im Stirnkampf 
auf schmalster Front ohne jede Möglichkeit von Artillerie= 
entwicklung sich von einer Widerstandsstelle bis zur nächsten 
vorgerungen hatte. Nach den französischen Quellen, denen 
Hermann Stegemann in seinem Buch über den Weltkrieg 
(Band 1, Seite 14 5) folgt, hatte sich ein französisches Jäger- 
bataillon, auf Kraftwagen aus Remwvez herangeführt, recht- 
zeitig an den Felshängen gegenüber von Haybes eingenistet. 
Sein Widerstand zusammen mit dem der Ortseinwohner 
ermöglichte den dahinter von der Sambre her zurück- 
marschierenden Truppen der französischen fünften Armee 
den Abzug in letztmöglicher Stunde. 
In der Frühe des 25. August wurde der Vormarsch auf 
Fumay wieder aufgenommen. Alsbald überschütteten feind- 
liche Schützen von den Felshängen links der Maas sowie 
Zivilschützen aus Hecken und Häusern längs der Vormarsch- 
straße, insbesondere auch von dem ausgedehnten Schiefer- 
bergwerk auf hoher Halde links vorwärts das Vortrupp- 
bataillon mit Feuer, nachdem es kaum aus Haybes heraus- 
getreten war. 
Der ruhig besonnene Führer des Vortruppbataillons 
III./170, Major Bleyl, der wenige Tage später bei Day die 
Todeswunde empfing, entwickelte kaltblütig sein Bataillon 
und nahm nach kurzer Feuervorbereitung die Bergwerks- 
halde in frischem Ansturm. Vorbildlich brachte dabei der 
Führer der Maschinengewehrkompagnie, der tapfere Ober- 
leutnant Schräber, seine Maschinengewehre trotz größter 
Geländeschwierigkeiten und tollen Kreuzfeuers bis in die 
vorderste Infanterielinie vor. Trotzigen Mutes bahnte sich 
die Spitzenkompagnie, die 9. Kompagnie 179 unter Haupt- 
mann Mater, nichtachtend die schnell wachsenden Verluste, 
den Weg zur Maasbrücke von Fumay. Doch diese war 
längst gesprengt. Brückenmaterial war nicht zu beschaffen. 
Vergeblich hatte der Divisionsführer schon tags zuvor beim 
VIII. Armeekorps der vierten Armee um einen Brückentrain 
ersucht. Die vierte Armee, im Kampfe am Semois und 
die Maasfront von Sedan auf Tagesmarschweite vor sich, 
brauchte ihr gesamtes Brückenmaterial selbst. 
So blieb nichts übrig, als weiter oberstrom den Ubergang 
zu versuchen. Als nächste Brückenstelle lockte Revin, in der 
Luftlinie kaum 8 Kilometer südlich von Fumay, aber rechts- 
ufrig durch wegeloses, stark zerklüftetes Waldgebirge, mit 
schroff zur Maas abstürzenden Felshängen von ihm ge- 
trennt. Wieder quälte sich die Division, in weitem Bogen 
osiwärto ausholend, auf der einzigen bergauf und talab 
führenden Waldsiraße durch die Ardennenwildnis in Rich- 
tung auf Nevin vorwärts. 
Auch bei Revin, das, auf einem Felsblock malerisch von 
der Maas umflossen, das Herzstück der landschaftlich be- 
rückend schönen Maassirecke des Givetzipfelo bildet, waren 
die Maaöbrücken gesprengt. 
Inzwischen fiel am 26. August Fumay, von dem Infan- 
terieregiment 181 erstürmt, in die Hand des linksufrig 
aus dem Raume von Dinant vorgegangenen XIX. Armee- 
korps. Erst am 27. August konnte die Division Götz von 
Olenhusen, die fast Tag und Nacht seit dem 23. August auf 
den Beinen gewesen war, auf einer Kriegsbrücke, welche 
die Pioniere des XIX. Armeekorps bei Revin ihr entgegen- 
schlugen, die Maas überschreiten und die Verfolgung des 
inzwischen abgezogenen Gegners, nunmehr im Verbande 
deo XIX. Armeekorps, wieder aufnehmen. 
An der Unmöglichkeit, die Maas bei Fumay rechtzeitig 
zu überschreiten, scheiterte die Unternehmung der Division 
des Generalleutnants Götz von Olenhusen und war an- 
gesichts des Vorschreitens des XII. und XIX. Armeekorps 
westlich der Maas am 25. August gegenstandslos geworden. 
Der Drahtbefehl der Obersten Heeresleitung und der Befehl 
der dritten Armee übertrug der Division eine Operations= 
aufgabe, welche sie durch denkbar schwieriges Gelände auf 
Rocroi, fast 60 Kilometer vom Ausgangöpunkt der Einzel- 
truppenteile entfernt, ansetzte. Das war nach meiner Ansicht 
in der gegebenen Zeit bei den tatsächlichen Bewegungs- 
erschwernissen kaum zu leisten. 
Es entsteht die Frage, ob es möglich gewesen wäre, durch 
ein rasches Zugreifen, z. B. am 23. August bei Willerzie, 
am 24. bzw. 25. August bei Haybes die Maasbrücke von 
Fumay unzerstört anzutreffen, um dann von dort aus 
wesiwärts vorzustoßen. Ich bezweifle es. Mehr Erfolg 
hätte meines Erachtens das gleichzeitige Vorgehen gegen 
die drei Brückenstellen von Fumay, Revin und Monthermée 
erbracht. Allerdings waren an allen drei Orten die Brücken 
gesprengt. Aber die beiden letzteren wurden nicht verteidigt. 
Behelfomittel fanden sich an beiden Orten genug. Bei 
meiner genauen Kenntnis des ganzen in Betracht kommen- 
den Geländes und seiner Bevölkerung möchte ich die weitere 
Frage verneinen, ob sich nicht der Versuch gelohnt hätte, 
wenigstens die Jägerradfahrer auf das Westufer bei Fumay 
überzusetzen, gleichviel wie, mit Behelfsmitteln oder der- 
gleichen. Das Oberkommando der dritten Armee versprach 
sich von einem solchen Auftreten selbst schwacher Abteilungen 
in der Nähe der Hauptrückzugsstraßen des Gegners eine 
erfolgreiche Wirkung. Meiner Uberzeugung nach war dazu 
der Grad der Auflösung der zurückgehenden französischen 
Armee noch lange nicht vorgeschritten genug. 
Ein Unternehmen gegen die Rückzugslinie der franzö- 
sischen fünften Armee versprach nur Erfolg, wenn es ein- 
beitlich und rechtzeitig von der deutschen Obersten Heeres- 
leitung eingeleitet und unter ihrem direkten Befehl straff 
durchgeführt worden wäre. Wie es scheint, haben gewichtige 
Gründe, die ich in den noch nicht hinreichend geklärten Ver- 
hältnissen vor der Front der deutschen ersten und zweiten 
Armee erblicke, die Oberste Heeresleitung davon abgehalten,
	        
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