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Man war bereits seit Stunden in Fühlung mit langsam
weichenden Franzosentrupps, anscheinend zur 51. Reserve-
division gehörig.
Gleichzeitig wie die Vorhut, erhielt auch der Anfang des
Gros Feuer aus den Wäldern ringsum. Von rückwärts
hallte der Kanonendonner von Givet herüber. Er galt der
großen Bagage der Division in und bei Felenne. Die Dörfer
waren verlassen. Eine kurze Nachtruhe in der Marschkolonne
wurde den übermüdeten Truppen gegönnt, mehrfach von
unaufgeklärten Schießereien unterbrochen.
Dann griff die Vorhut bei Morgengrauen Willerzie an.
Von dort wich der Feind, zwei Bataillone des Regiment 245,
rechtzeitig nach Süden in die Wälder aus. Ein Bataillon
des Infanterieregiments 134 blieb als Flankenschutz bei
Willerzie. Die Division nahm den Marsch auf Fumay
wieder auf.
Die neue Vorhut, Oberst von Kotsch mit seinem Infan-
terieregiment 133, stieg, scharf rechts ausbiegend, zur Maas
hinab in Richtung auf Fumay, das jenseits der Maas auf
maasumflossenem Bergvorsprung sich ausbreitet. Vorher
erreicht die Marschstraße, aus einer langen Bergschlucht tre-
tend, das Dorf Haybes mit einer Fabrikbevölkerung von
mehr als 2000 Menschen. Das Dorf lehnt sich breit an
die Maas, hoch überragt von den Felskanzeln des jenseitigen
Maasufers, die es in engem Bogen umschließen. Von
Haybes nach der Brücke von Fumay führt der Weg der
Maas entlang im Bereich der Felshoͤhen des linken Ufers
und vorbei an einer hohen Bergwerkshalde links der Straße.
Die Vorhut der Division erhielt beim Heraustreten aus
dem Gebirge auf Haybes zu heftiges Feuer aus dem Dorf
sowie von den Höhen jenseits des Flusses. Das Dorf wurde
bis zum Abend zum größeren Teil von den französischen
Forst= und Grenzbeamten, die zusammen mit der Bevölke-
rung den Ort hartnäckig verteidigten, gesäubert. Aber wieder
war ein kostbarer Tag verstrichen. Die langgedehnte Marsch-
kolonne der Division mußte in dem endlosen Wald= und
Gebirg#engpas abwarten, bis die Vorhut im Stirnkampf
auf schmalster Front ohne jede Möglichkeit von Artillerie=
entwicklung sich von einer Widerstandsstelle bis zur nächsten
vorgerungen hatte. Nach den französischen Quellen, denen
Hermann Stegemann in seinem Buch über den Weltkrieg
(Band 1, Seite 14 5) folgt, hatte sich ein französisches Jäger-
bataillon, auf Kraftwagen aus Remwvez herangeführt, recht-
zeitig an den Felshängen gegenüber von Haybes eingenistet.
Sein Widerstand zusammen mit dem der Ortseinwohner
ermöglichte den dahinter von der Sambre her zurück-
marschierenden Truppen der französischen fünften Armee
den Abzug in letztmöglicher Stunde.
In der Frühe des 25. August wurde der Vormarsch auf
Fumay wieder aufgenommen. Alsbald überschütteten feind-
liche Schützen von den Felshängen links der Maas sowie
Zivilschützen aus Hecken und Häusern längs der Vormarsch-
straße, insbesondere auch von dem ausgedehnten Schiefer-
bergwerk auf hoher Halde links vorwärts das Vortrupp-
bataillon mit Feuer, nachdem es kaum aus Haybes heraus-
getreten war.
Der ruhig besonnene Führer des Vortruppbataillons
III./170, Major Bleyl, der wenige Tage später bei Day die
Todeswunde empfing, entwickelte kaltblütig sein Bataillon
und nahm nach kurzer Feuervorbereitung die Bergwerks-
halde in frischem Ansturm. Vorbildlich brachte dabei der
Führer der Maschinengewehrkompagnie, der tapfere Ober-
leutnant Schräber, seine Maschinengewehre trotz größter
Geländeschwierigkeiten und tollen Kreuzfeuers bis in die
vorderste Infanterielinie vor. Trotzigen Mutes bahnte sich
die Spitzenkompagnie, die 9. Kompagnie 179 unter Haupt-
mann Mater, nichtachtend die schnell wachsenden Verluste,
den Weg zur Maasbrücke von Fumay. Doch diese war
längst gesprengt. Brückenmaterial war nicht zu beschaffen.
Vergeblich hatte der Divisionsführer schon tags zuvor beim
VIII. Armeekorps der vierten Armee um einen Brückentrain
ersucht. Die vierte Armee, im Kampfe am Semois und
die Maasfront von Sedan auf Tagesmarschweite vor sich,
brauchte ihr gesamtes Brückenmaterial selbst.
So blieb nichts übrig, als weiter oberstrom den Ubergang
zu versuchen. Als nächste Brückenstelle lockte Revin, in der
Luftlinie kaum 8 Kilometer südlich von Fumay, aber rechts-
ufrig durch wegeloses, stark zerklüftetes Waldgebirge, mit
schroff zur Maas abstürzenden Felshängen von ihm ge-
trennt. Wieder quälte sich die Division, in weitem Bogen
osiwärto ausholend, auf der einzigen bergauf und talab
führenden Waldsiraße durch die Ardennenwildnis in Rich-
tung auf Nevin vorwärts.
Auch bei Revin, das, auf einem Felsblock malerisch von
der Maas umflossen, das Herzstück der landschaftlich be-
rückend schönen Maassirecke des Givetzipfelo bildet, waren
die Maaöbrücken gesprengt.
Inzwischen fiel am 26. August Fumay, von dem Infan-
terieregiment 181 erstürmt, in die Hand des linksufrig
aus dem Raume von Dinant vorgegangenen XIX. Armee-
korps. Erst am 27. August konnte die Division Götz von
Olenhusen, die fast Tag und Nacht seit dem 23. August auf
den Beinen gewesen war, auf einer Kriegsbrücke, welche
die Pioniere des XIX. Armeekorps bei Revin ihr entgegen-
schlugen, die Maas überschreiten und die Verfolgung des
inzwischen abgezogenen Gegners, nunmehr im Verbande
deo XIX. Armeekorps, wieder aufnehmen.
An der Unmöglichkeit, die Maas bei Fumay rechtzeitig
zu überschreiten, scheiterte die Unternehmung der Division
des Generalleutnants Götz von Olenhusen und war an-
gesichts des Vorschreitens des XII. und XIX. Armeekorps
westlich der Maas am 25. August gegenstandslos geworden.
Der Drahtbefehl der Obersten Heeresleitung und der Befehl
der dritten Armee übertrug der Division eine Operations=
aufgabe, welche sie durch denkbar schwieriges Gelände auf
Rocroi, fast 60 Kilometer vom Ausgangöpunkt der Einzel-
truppenteile entfernt, ansetzte. Das war nach meiner Ansicht
in der gegebenen Zeit bei den tatsächlichen Bewegungs-
erschwernissen kaum zu leisten.
Es entsteht die Frage, ob es möglich gewesen wäre, durch
ein rasches Zugreifen, z. B. am 23. August bei Willerzie,
am 24. bzw. 25. August bei Haybes die Maasbrücke von
Fumay unzerstört anzutreffen, um dann von dort aus
wesiwärts vorzustoßen. Ich bezweifle es. Mehr Erfolg
hätte meines Erachtens das gleichzeitige Vorgehen gegen
die drei Brückenstellen von Fumay, Revin und Monthermée
erbracht. Allerdings waren an allen drei Orten die Brücken
gesprengt. Aber die beiden letzteren wurden nicht verteidigt.
Behelfomittel fanden sich an beiden Orten genug. Bei
meiner genauen Kenntnis des ganzen in Betracht kommen-
den Geländes und seiner Bevölkerung möchte ich die weitere
Frage verneinen, ob sich nicht der Versuch gelohnt hätte,
wenigstens die Jägerradfahrer auf das Westufer bei Fumay
überzusetzen, gleichviel wie, mit Behelfsmitteln oder der-
gleichen. Das Oberkommando der dritten Armee versprach
sich von einem solchen Auftreten selbst schwacher Abteilungen
in der Nähe der Hauptrückzugsstraßen des Gegners eine
erfolgreiche Wirkung. Meiner Uberzeugung nach war dazu
der Grad der Auflösung der zurückgehenden französischen
Armee noch lange nicht vorgeschritten genug.
Ein Unternehmen gegen die Rückzugslinie der franzö-
sischen fünften Armee versprach nur Erfolg, wenn es ein-
beitlich und rechtzeitig von der deutschen Obersten Heeres-
leitung eingeleitet und unter ihrem direkten Befehl straff
durchgeführt worden wäre. Wie es scheint, haben gewichtige
Gründe, die ich in den noch nicht hinreichend geklärten Ver-
hältnissen vor der Front der deutschen ersten und zweiten
Armee erblicke, die Oberste Heeresleitung davon abgehalten,