Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

deren Einwohner den Kampf im Rücken der Deutschen 
aufaenommen hatten. büßte nach Kriegsrecht. 
Am 2". August fielen das letzte Fort von Namur und 
das frantösische Sperrfort Les Anvelles bei Charleville. 
Am 31. August 11 Uhr abends kapitulierte Givet. Nur 
Maubeuge mit seinen 45000 Verteidigern hielt agegenüber 
dem VlI. Reservekorps noch Stand. Antwerpen fesselte noch 
weitere zwei deutsche Neservekorps vor seinem Fortgürtel. 
Das machte auf deutscher Seite mit den nach Ostpreusien 
abgerollten zwei Armeekorps und einer Kavalleriedioision 
eine stattliche Armee aus, deren Fehlen hinter dem deutschen 
Stoßflügel allerdings zunächst in dem Schwunge der 
Kampfhandlungen noch nicht in die Erscheinung trat. — 
Nach diesem Ausblick auf die Gesamtlage Ende August 
kehren wir zur dritten Armee zurück. 
Noch am 31. August hatte die Oberste Heeresleitung 
die #uweite Armee angewiesen, mit ihrem linken Flügel 
im Jusammenwirken mit der dritten Armee in ungefährer 
Richtung NReims vorimaehen. 
Tatsächlich erreichten die beiden Armeen des rechten Flü- 
gels am 1. Sertember die untere Aicne im Naume von 
Compiegne —Soissons—Berry-au-Bac. 
Rückblick auf die Overationen der dritten Armee 
vom 25. bis 31. August 
Die von der Maas bis zur Aisne durchgeführten Heeres- 
beweaungen versaaten der dritten Armee, ebenso wie die 
vorangegangenen, selbständig einen großen taktischen Schlag 
in führen. Wieder stand sie nur vor der Aufgabe, den 
Widerstand feindlicher Nachbuten und Sicherungen zu 
brechen, vornehmlich aber dem Nachbar zu operativ bedeut- 
samen Erfolgen zu verbelfen. 
Die am 25. Auaust begonnene Verfolgunastätiakeit der 
dritten Armee gestaltete sich zu einer rein frontalen, die 
am 27. Anaust unter Gefecht zur Besitzerareifung des 
Sarmonneabschnittes führte. Die hierbei errungenen tak- 
tischen Erfolae waren sicherlich von nicht zu unterschähen- 
dem Wert. bedeutungsvoller aber waren in overativer Be- 
giehuna die Kolgen jeper Auseinandersezung mit dem Feinde, 
erbrachten sie doch schon beireiten der bedrängten vierten 
Armee eine wesentliche Entlastung. 
Aber der Verlauf der Heeresbewequnaen überhaupt ließ, 
wenigstens vom 27. Auaust ab, den sehon früher fübl- 
bar gewordenen Manael einer Unterstellung der Armee 
unter einbeitliche, inmitten des Heeres geaenwärtige Lei- 
tung empfinden. Von beiden Nachbarn mit Ansy#rüchen 
bedränat. sah sich das Oberkommando der dritten Armee 
vor Entschließungen gestellt, die der Natur der Sache nach 
weckdienlieh nur von einer Stelle gefaßt werden kannten, 
die einen Uberblick über die ins Auge in fassende Gesamt- 
lage besaß. Um nicht feblingehen. rief dis Oberkommando 
der dritten Armee. geneist der vierten Armee südoctwärts 
iu helfen, die Oberste Heeresleitung an. Diese befahl draht- 
lich, den Vormarsch in südwestlicher RNichtung fortulsetzen. 
Demirfolae kündiet= die dritte Armee die der vierten Armee 
bereits erklärte Hilfobereitschaft und befahl die von der 
Obersten Heeresleitung geforderte Marschbewequng. Alle 
diese Weiterungen hätten nicht zur Tat merden bönnen, 
wenn die beteiligten Armeen unter einbeitlicher Kührung 
ltanden. Aueh den späteren, am 282. Anaust erneut von 
der vierten Armee ausaesprochenen Münsehen, die mit den 
Anweisungen der Obersten Heeresleitung nicht vereinbar 
waren. würde vorgebenat worden sein. Troz dieser An- 
meisungen farderte das Oberkommando der vierten Armee 
binnen wenioen Stunden #weimal dringend die Mitbilfe 
der dritten Armee und erliest nach kurzer Zeit einen dritten 
Hilfernk. diesmal unter dem Zusatze, daßf die vierte Armee 
ihren linken Flügel habe zurücknehmen müssen. Demgegen- 
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über entschloß sich das Oberkommando der dritten Armee, 
um zu verhüten, daß auch der rechte Flügel der vierten 
Armce hinter die Maas zurückgedrängt werden könnte, von 
der Anweisung der Obersten Heeresleitung abzuweichen. 
Obwohl die Anoführung dieser Absicht infolge der von 
Montcornet und Rethel her drohenden Gefahr am 29. Au- 
gust einen mehrstündigen Aufenthalt erfubr, erwies sich 
doch schon an diesem Tage, welche entlastende Wirkung 
die voh der dritten Armee auf eicqene Entschließung hin 
einaeschlagene Vormarschrichtung für die vierte Armee im 
Gefolge gehabt hatte. 
In solcher Lage fand die dritte Armee den Lohn ihre 
Mühens ösflich Siany—I'Abbaye in der Tatsache, dem Nach- 
bar tatbräftige Hilfe erbracht zu haben, freilich aber mit 
dem Beklagen, keine Geleaenheit gefunden zu haben, sich in 
entscheidungssuchendem Waffengange mit dem Feinde messen 
zu können. Ec blieb daher dem Oberkommando der dritten 
Armee nur übrig, den Weitermarsch in der nunmehr wir- 
kunaslos gewordenen Richtung einzuhalten und südwärts auf 
Rethel—Attiany fortzusetzen, um zu versuchen, dem vor 
der vierten Armee zurückweichenden Feind den Weg nach 
Westen zu verlegen oder ihn wenigstens nach Süden zu 
drängen. Aus dieser Lage beraus entwickelten sich ernste 
Kämpfe nördlich des Aisneabschnitts Rethel—Attiany, die 
zwar mit der Besitzergreifung der Höhen südlich Chäteau 
Porcien—Rethel durch die 23. Reservedivision und das 
XII. Armeekorps zunächst ihren Abschluß fanden, dagegen 
dem XIX. Armeekorps versagten, nördlich Attignn—Semuy 
Beden zu gewinnen. Hier vermochte das XIX. Armeekorps, 
auf die eigene Kraft beschränkt, nicht vorwärts zu kommen 
und hatte Mühe, sich gegnerischer Vorstösie zu erwehren. 
Ob, warum und inwieweit hierbei eine Mithilfe des vom 
30. Auaust an unmittelbar benachbarten VIII. Armeekorps 
unterblieben ist (Tourteron), mag uncrörtert bleiben, jeden- 
falls hat der Oberbefehlohaber der dritten Armee des Emr- 
finden gehabt, daß die vom VIII. Armeekorps geübte Jurück- 
haltung die Interessen der dritten Armee nicht förderte. 
Zum Schlusse und nur nebenbei die Frage: „Wie hätte 
sich der Verlauf der Operationen der dritten Armee zwischen 
Maas und Aione gestaltet, wenn die dritte Armee noch 
über das XI. Armeekorps, die 24. Reservedioision sowie eine 
Kavalleriedivision verfügen konnte?“ 
Als Sachse bedaure ich, daß die sächsische 8. Kavallerie- 
divisson nicht der dritten Armee bei Kriegsbeqinn zugewiesen 
worden ist. Sie ist bis Ende August bei der 6. Armee 
im Heeres-Kavalleriekorps 3 verwendet und dann nach dem 
Osten überführt worden, wo sie noch rechtzeitia eintraf, um 
an dem Feldzug Hindenburgs gegen die russische Niemen- 
armee des Generals Rennenkampf ruhmvollen Anteil zu 
nehmen. , 
Anstatt im August 1914 vor den französischen Grenz- 
befestigungen in Lothringen alsbald festzufahren, hätte die 
vorzüglich durchgebildete Dwision, mit den leitenden Persön- 
lichkeiten und deren Anschauungen aus langer Friedens- 
arbeit denkbar gut eingespielt, zweifellos Hervorragendes 
auf dem Sturmritt von der Maas bis über die Marne 
geleistet. 
Die Notwendigkeit der Zuteilung einer Kavalleriedivision 
an die dritte Armee trat übrigens in den folgenden Tagen 
noch gebieterischer zutane. Die Oberste Heeresleitung ver- 
fügte deshalb auch die Abgabe einer solchen von der zweiten 
an die dritte Armee. Leider kam es im Drange der Er- 
eignisse, die zur Schlacht südlich der Marne führten, nicht 
mehr zur Ausführung dieser zu spät getroffenen Anord= 
nung der Obersten Heeresleitung. 
Die Oberste Heeresleitung hatte bedauerlicherweise neben 
ihren riesenhaft von Tag zu Tag anwachsenden Geschäften 
der Gesamtleitung des Kriegs auf zwei Fronten, der sich zum 
europäischen Krieg sichtlich auswuchs, die Leitung des Ein-
	        
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