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den Anschluß an Paris erreicht. Meldungen und sichere
Agentennachrichten lassen ferner den Schluß zu, daß der
Feind aus der Linie Loul—Belfort Truppen nach Westen
befordert, sowie daß er vor der Front der dritten bis
fünften Armee ebenfalls Armeeteile herauszleht. Ein
Abdraängen des gesamten französischen Heereo gegen die
Schweizer Grenze in südöstlicher Richtung ist somit nicht
mehr möglich. Es muß vielmehr damit gerechnet werden,
daß der Feind zum Schutz der Hauptstadt und zur Be-
drohung der deutschen rechten Heeresflanke stärkere Kräfte
in der Gegend von Paris zusammenzieht und Neubildun-
gen heranfuhrt.
Die erste und zweite Armee müssen daher gegenüber der
Ostfront von Pario verbleiben. Ihre Aufgabe ilt es, feind-
lichen Unrernehmungen aus der Gegend von Paris offensiv
entgegenzutreren uno sich hierbei gegenseitig zu unterf#ützen.
Hie vierte und fünfte Armee sind noch in Berührung mit
stärkerem Femd. Sie müssen bersuchen, ihn dauernd nach
Südosten zu drangen. Dadurch wird auch der sechsten Armee
der Weg uber die Mosel zwischen Toul und Epinal geöffnet.
Ob eo yier im Verein mut der sechsten und siebenten Armee
gelungen wird, nennenswerte Teile des Gegners gegen das
Schweizer Gebiet abzudrängen, ist noch nicyt zu uversehen.
Ausgabe der sechsten und siebenten Armee bleibt zunachst
die Fellelung der vor ihrer Front befindlichen Krarte. Es
ist sobald als möglich zum Angriff gegen die Mosel zwischen
Toul und Epinal unter Sicherung gegen diese Festungen vor-
zugehen.
Die dritte Armee nimmt die Marschrichtung auf Troye#—
Vendeuvrer. Je nach Lage wird sie zur Unterftützung der
ersten und zweiten Armee über die Seine in westlicher Rich-
tung, oder zur Betelugung an dem Kampfe unseres linken
Heeresflügeis in südlicher oder südöstlicher Nichtung ver-
wendet werden.
Seine Majestät befehlen daher:
1. Die erste und zweite Armee verbleiben gegenüber der
Ostrront von Pario, um femdiichen Unterneymungen aus
Paris offensio entgegenzutreten. Erste Armee zwischen Oise
und Marne, zweite urmee zwischen Marne und Seine. Hee-
regracalierzekoxpe 2 bei der ernen Armee, Herresravalierie=
korpo 1 bei der zweiten Armee.
2. Die dritte Armee hat auf Troyes —Vendeuvres vorzu-
gehen.
3. Die vierte und fünfte Armee haben durch unentwegtes
Vorgehen in südösilicher Nichtung der sechsten und siebenten
Arince den Ubergang über die obere Mosel zu öffnen. Nechler
Flügel der vierren Armee über Vitry, rechter Flügel der
fünften Armee über Revigny. Heereskavalieriekorpo 4 klärt
vor der Front der vierten und fünften Armee auf.
4. Aufgabe der sechsten und siebenten Armee bleibt unver-
ändert.“ —
Welche unüberbrückbare Kluft zwischen diesem Befehl
vom §. September an die zunachst für das Ganze ent-
scheidungsvolle erste Armee — „Sie soll zwischen Oise
und Marne vor Paris verbleiben“ — und deren am Grand-
Morin am §. September bereits erreichten Marschzielen
(Seue 78)! Zu spät befohlen, unmöglich, zu befolgen;
die Leitung des viel zu fernen Großen Hauptquartiers ver-
sagt mehr und mehr, dad Verhängnis nimmt seinen Lauf.
Ich habe damit die operatwe Auowirkung der Erstschlach-
ten an Sambre, Maas und Semois bis zur Schwelle des
Völkerringens sädlich der Marne fortgeführt, ein Bild von
unendlichem Sonnenglanz, hinter dem aber bereits ein tiefer
Schlagschatten aus dem Östen auftauchte.
Im Osten hatte der Generaloberst von Hindenburg seine
unvergleichliche Feldherrnlaufbahn mit der Vernichtung der
russischen Narewarmee in der Wald= und Sumpfschlacht von
Tannenberg, dem Uber-Cannae unserer Tage, begonnen. Die
Hälfte der halben Million Russen, welche in Osipreußen
eingebrochen waren, war zwischen dem 25. und 30. August
vernichtend geschlagen. Die andere Hälfte unter Rennen-
kampf schien zunachst wie gelähmt. Sie unternahm nichto,
um Samsonowo Trümmer zu retten und schob sich nur zu-
recht, zur Abwehr des nun auf sie zuckenden Blitzstrahlo.
Anders stand es in Galizien. Woyl waren die oiterrei-
chisch-ungarischen Armeen Dankl und von Auffenberg trotz
entletzlicher Geländeschwierigkeiten über Krasnik bis vor
Lublin und über Zamosk uno Komarow gegen Cholm vor-
gedrungen und hatten die beiden Armeen des russischen
rechten Flügels in blutigen Kämpfen von Stellung zu Stel-
lung zururrgetrieben. Aber den Russenheeren stromten un-
ausgesetzt neue Dwisionen über den Bug zu. Nach verlul
reichem Rungen waren die Armeen Danct und von Aufsen-
berg Ende August endlich unbestrittene Herren ded Schlacht-
fel#oe jüdlich der Baynjtrecke ruolm—Lyolm, der Levens-
ader des russischen rechten Heereofiugeis.
Aber östuch Lemberg war der schwchere rechte Flügel
deo österreichuch-ungaruschen Feloheeres nicht imjtande ge-
wesen, dem umfassenden Druck dreier Ruzsenheere stand=
zuhalten. Auch hier hatte der österreichisch-ungarusche Armee-
suprer durch kuynen Stohß gegen die norduchtte der drei
russuchen, um gegenübersteyenoen Armeen am 25. August
den Feldzug begonnen. Woyl führte der Schwung der Stel-
rer, ungarn und Siebenvurger zunächst tief in vas zuerst
angefalene Russenheer des Gencrals Nußki, aber nach drei-
tagigem Ningen gegen die Ubermacht dec drei Rujsenheere
mußten die Osterreicher, zu Tode erschopft, jedoch ungebro-
chen, auf die Zeellung olclich von Lemoecg zurüccgeyen.
Ochon am 29. August griffen die Russenfüyrer Nußbi
und Iwanow in breier Fcon wieder an. Ole Nacht zum
30. August sah ihre dreifache Uverzayl als Herrm des
Schlacht#edeOutgalizien war verioren, die Bukowina
preisgegeben.
Aber der zähe österreichisch-ungarische Oberbefehlshaber
ließ noch meht von dem uvermachugen Feinde los, zum
Selbstopfer vereit, um auf den Uoeigen Ariegoschauplatzen
den Sieg der Mittelmachte zu retien.
Noch einmal bor er un diaume von Lemberg, diesmal
westlich der am 2. September geräumten S#ade mit ver-
sammelter Macht — auch Oanel und von Auffsenberg waren
zurückgeworfen worden —dem übermächtigen fennd die Stun.
Aus beiden Flugeln umfsluter von der russuchen Uber-
macht, aus tauseno Wunden blutend nach wochenlangen
Kämpfen, aber ungebrochen, veriieß das österreichuch-unga-
rische Feldheer das Schlachtfeid enva zu derjelben Zeit, als
die Entscheidung südlich der Marne im Weiten heranreifte.
Die russuche uvermacht hatee jich als so ungegeuer er-
wiesen, daßl die deutsche Ober'te Heeresleitung die Notwen-
dugrent errennen munte, sofort dem treuen Hundeogenossen
beizustehen, um einer Vernichtung deoselven vorzuveugen.
Un der Ungunst der Gesamtlage konnte zunachit selbst
die soeben auosichtovoll begonnene Schlacht Hindenburgs
gegen Rennenkampf nichts andern.
Aber noch viel tragischer verschob sich das Bild der
Kriegslage im Westen selvit. Noch am s. September brach
die franzosische jechsre Armee Maunoury aus dem befesiigten
Lager von Paris gegen den rechten Flankenschug der Armee
Kluck, das IV. Reservekorps vor. Dieses deckte wesilich des
Ourcgqlaufes seine Armee, welche am ". September bereits
beide Morinabschnicte überschritten hatte. Damit war der
furchtbare Kampf entfesselt, der erst am 10. September zum
Abschlusse grlangen sollte. Die Schlacht südlich der Marne,
so traurig in ihren Folgen für die deutsche Kriegoführung,
bedeutet für die dritte Armee in ihrer ursprünglichen Kriegs-
gliederung die Höhe ihrer Leistung und den Gipfel ihres
Ruhmes.
Der gewaltige Geländegewinn und die beispiellosen
Leistungen des deutschen Einfallheeres in Marsch und Kampf