Full text: Sachsen in großer Zeit. Band II. Die Kriegsjahre 1914 und 1915. (2)

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den Anschluß an Paris erreicht. Meldungen und sichere 
Agentennachrichten lassen ferner den Schluß zu, daß der 
Feind aus der Linie Loul—Belfort Truppen nach Westen 
befordert, sowie daß er vor der Front der dritten bis 
fünften Armee ebenfalls Armeeteile herauszleht. Ein 
Abdraängen des gesamten französischen Heereo gegen die 
Schweizer Grenze in südöstlicher Richtung ist somit nicht 
mehr möglich. Es muß vielmehr damit gerechnet werden, 
daß der Feind zum Schutz der Hauptstadt und zur Be- 
drohung der deutschen rechten Heeresflanke stärkere Kräfte 
in der Gegend von Paris zusammenzieht und Neubildun- 
gen heranfuhrt. 
Die erste und zweite Armee müssen daher gegenüber der 
Ostfront von Pario verbleiben. Ihre Aufgabe ilt es, feind- 
lichen Unrernehmungen aus der Gegend von Paris offensiv 
entgegenzutreren uno sich hierbei gegenseitig zu unterf#ützen. 
Hie vierte und fünfte Armee sind noch in Berührung mit 
stärkerem Femd. Sie müssen bersuchen, ihn dauernd nach 
Südosten zu drangen. Dadurch wird auch der sechsten Armee 
der Weg uber die Mosel zwischen Toul und Epinal geöffnet. 
Ob eo yier im Verein mut der sechsten und siebenten Armee 
gelungen wird, nennenswerte Teile des Gegners gegen das 
Schweizer Gebiet abzudrängen, ist noch nicyt zu uversehen. 
Ausgabe der sechsten und siebenten Armee bleibt zunachst 
die Fellelung der vor ihrer Front befindlichen Krarte. Es 
ist sobald als möglich zum Angriff gegen die Mosel zwischen 
Toul und Epinal unter Sicherung gegen diese Festungen vor- 
zugehen. 
Die dritte Armee nimmt die Marschrichtung auf Troye#— 
Vendeuvrer. Je nach Lage wird sie zur Unterftützung der 
ersten und zweiten Armee über die Seine in westlicher Rich- 
tung, oder zur Betelugung an dem Kampfe unseres linken 
Heeresflügeis in südlicher oder südöstlicher Nichtung ver- 
wendet werden. 
Seine Majestät befehlen daher: 
1. Die erste und zweite Armee verbleiben gegenüber der 
Ostrront von Pario, um femdiichen Unterneymungen aus 
Paris offensio entgegenzutreten. Erste Armee zwischen Oise 
und Marne, zweite urmee zwischen Marne und Seine. Hee- 
regracalierzekoxpe 2 bei der ernen Armee, Herresravalierie= 
korpo 1 bei der zweiten Armee. 
2. Die dritte Armee hat auf Troyes —Vendeuvres vorzu- 
gehen. 
3. Die vierte und fünfte Armee haben durch unentwegtes 
Vorgehen in südösilicher Nichtung der sechsten und siebenten 
Arince den Ubergang über die obere Mosel zu öffnen. Nechler 
Flügel der vierren Armee über Vitry, rechter Flügel der 
fünften Armee über Revigny. Heereskavalieriekorpo 4 klärt 
vor der Front der vierten und fünften Armee auf. 
4. Aufgabe der sechsten und siebenten Armee bleibt unver- 
ändert.“ — 
Welche unüberbrückbare Kluft zwischen diesem Befehl 
vom §. September an die zunachst für das Ganze ent- 
scheidungsvolle erste Armee — „Sie soll zwischen Oise 
und Marne vor Paris verbleiben“ — und deren am Grand- 
Morin am §. September bereits erreichten Marschzielen 
(Seue 78)! Zu spät befohlen, unmöglich, zu befolgen; 
die Leitung des viel zu fernen Großen Hauptquartiers ver- 
sagt mehr und mehr, dad Verhängnis nimmt seinen Lauf. 
Ich habe damit die operatwe Auowirkung der Erstschlach- 
ten an Sambre, Maas und Semois bis zur Schwelle des 
Völkerringens sädlich der Marne fortgeführt, ein Bild von 
unendlichem Sonnenglanz, hinter dem aber bereits ein tiefer 
Schlagschatten aus dem Östen auftauchte. 
Im Osten hatte der Generaloberst von Hindenburg seine 
unvergleichliche Feldherrnlaufbahn mit der Vernichtung der 
russischen Narewarmee in der Wald= und Sumpfschlacht von 
Tannenberg, dem Uber-Cannae unserer Tage, begonnen. Die 
Hälfte der halben Million Russen, welche in Osipreußen 
eingebrochen waren, war zwischen dem 25. und 30. August 
vernichtend geschlagen. Die andere Hälfte unter Rennen- 
kampf schien zunachst wie gelähmt. Sie unternahm nichto, 
um Samsonowo Trümmer zu retten und schob sich nur zu- 
recht, zur Abwehr des nun auf sie zuckenden Blitzstrahlo. 
Anders stand es in Galizien. Woyl waren die oiterrei- 
chisch-ungarischen Armeen Dankl und von Auffenberg trotz 
entletzlicher Geländeschwierigkeiten über Krasnik bis vor 
Lublin und über Zamosk uno Komarow gegen Cholm vor- 
gedrungen und hatten die beiden Armeen des russischen 
rechten Flügels in blutigen Kämpfen von Stellung zu Stel- 
lung zururrgetrieben. Aber den Russenheeren stromten un- 
ausgesetzt neue Dwisionen über den Bug zu. Nach verlul 
reichem Rungen waren die Armeen Danct und von Aufsen- 
berg Ende August endlich unbestrittene Herren ded Schlacht- 
fel#oe jüdlich der Baynjtrecke ruolm—Lyolm, der Levens- 
ader des russischen rechten Heereofiugeis. 
Aber östuch Lemberg war der schwchere rechte Flügel 
deo österreichuch-ungaruschen Feloheeres nicht imjtande ge- 
wesen, dem umfassenden Druck dreier Ruzsenheere stand= 
zuhalten. Auch hier hatte der österreichisch-ungarusche Armee- 
suprer durch kuynen Stohß gegen die norduchtte der drei 
russuchen, um gegenübersteyenoen Armeen am 25. August 
den Feldzug begonnen. Woyl führte der Schwung der Stel- 
rer, ungarn und Siebenvurger zunächst tief in vas zuerst 
angefalene Russenheer des Gencrals Nußki, aber nach drei- 
tagigem Ningen gegen die Ubermacht dec drei Rujsenheere 
mußten die Osterreicher, zu Tode erschopft, jedoch ungebro- 
chen, auf die Zeellung olclich von Lemoecg zurüccgeyen. 
Ochon am 29. August griffen die Russenfüyrer Nußbi 
und Iwanow in breier Fcon wieder an. Ole Nacht zum 
30. August sah ihre dreifache Uverzayl als Herrm des 
Schlacht#edeOutgalizien war verioren, die Bukowina 
preisgegeben. 
Aber der zähe österreichisch-ungarische Oberbefehlshaber 
ließ noch meht von dem uvermachugen Feinde los, zum 
Selbstopfer vereit, um auf den Uoeigen Ariegoschauplatzen 
den Sieg der Mittelmachte zu retien. 
Noch einmal bor er un diaume von Lemberg, diesmal 
westlich der am 2. September geräumten S#ade mit ver- 
sammelter Macht — auch Oanel und von Auffsenberg waren 
zurückgeworfen worden —dem übermächtigen fennd die Stun. 
Aus beiden Flugeln umfsluter von der russuchen Uber- 
macht, aus tauseno Wunden blutend nach wochenlangen 
Kämpfen, aber ungebrochen, veriieß das österreichuch-unga- 
rische Feldheer das Schlachtfeid enva zu derjelben Zeit, als 
die Entscheidung südlich der Marne im Weiten heranreifte. 
Die russuche uvermacht hatee jich als so ungegeuer er- 
wiesen, daßl die deutsche Ober'te Heeresleitung die Notwen- 
dugrent errennen munte, sofort dem treuen Hundeogenossen 
beizustehen, um einer Vernichtung deoselven vorzuveugen. 
Un der Ungunst der Gesamtlage konnte zunachit selbst 
die soeben auosichtovoll begonnene Schlacht Hindenburgs 
gegen Rennenkampf nichts andern. 
Aber noch viel tragischer verschob sich das Bild der 
Kriegslage im Westen selvit. Noch am s. September brach 
die franzosische jechsre Armee Maunoury aus dem befesiigten 
Lager von Paris gegen den rechten Flankenschug der Armee 
Kluck, das IV. Reservekorps vor. Dieses deckte wesilich des 
Ourcgqlaufes seine Armee, welche am ". September bereits 
beide Morinabschnicte überschritten hatte. Damit war der 
furchtbare Kampf entfesselt, der erst am 10. September zum 
Abschlusse grlangen sollte. Die Schlacht südlich der Marne, 
so traurig in ihren Folgen für die deutsche Kriegoführung, 
bedeutet für die dritte Armee in ihrer ursprünglichen Kriegs- 
gliederung die Höhe ihrer Leistung und den Gipfel ihres 
Ruhmes. 
Der gewaltige Geländegewinn und die beispiellosen 
Leistungen des deutschen Einfallheeres in Marsch und Kampf
	        
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