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Die „Division Francke“ an der Somme vom 20. Juli bis 9. September 1916
Als Anfang Juli 1916 die Entente mit einem bis dahin
unerhörten Aufwand an Material und Menschen ihren ge-
waltigen und zunächst durch sein Heftigkeit überraschenden
Durchbruchsversuch an der Somme begonnen hatte, wurden
von der Obersten Heeresleitung von allen ruhigen Fronten
sofort Truppen aufgeboten, um dem Anprall entgegenzu-
treten. Auch das XII. Armeekorps, welches beiderseits der
Aiosne bei Berry au Bac stand, hatte Weisung erhalten,
eine Division aus ihrer Stellung herauszuziehen. Sie sollte
durch abgekämpfte Truppen oder solche zweiter Linie (Land-
wehr= und Neuformationen) ersetzt werden. Bei den beiden
in Betracht kommenden Divisionen (23. und 32.), war
jedoch die Kampflage keineswegs so, daß die ganze Owi-
sionsfront gleichzeitig hätte abgelöst und durch ermüdete
und geschwächte Truppen ersetzt werden können. Besonders
bei la Ville aur Bois und bei Höhe 108 vor Berry au Bac
war ein Herausziehen der dort eingerichteten und mit allen
Listen und Künsten des dort besonders heftig brennenden
Stellungskrieges vertrauten Regimenter mit Gefahr für
die Behauptung dieser Punkte verbunden. So wurden denn
aus beiden Divisionen die zur Zeit weniger heftig am Kampf
beteiligten Truppen für den Abgang an die Somme be-
stimmt. Es waren dies das Leibgrenadierregiment 100, In-
fanterieregiment 102 ohne das III. Bataillon, Infanterie-
regiment 103 und Jägerbataillon 12, — zusammen 9 Ba-
taillone aktiver Fußtruppen, die in bester innerer und äußerer
Verfassung waren. Auch von der Wegnahme eines der bei-
den Divisionsstäbe 23 und 32 mußte abgesehen werden,
da ihr Verbleiben an der alten Kampffront gerade um so
notwendiger war, als so viel neue mit den Verhältnissen
nicht vertraute Truppen an Stelle der Herausgezogenen ein-
gesetzt werden sollten. So wurde zur Führung der an der
Somme abgebenden Truppen der älteste Brigadekomman-
deur des Korpos, Generalmajor Francke, mit seinem Stabe
(63. Brigade) bestimmt.
So, wie die Bataillone einzeln durch den eingetroffenen
Ersatz abgelöst waren, wurden sie auf die Bahn gesetzt und
über Laon—St. Quentin nach Gegend Ham abgefahren.
Obwohl sich die Truppe des Ernstes und der Schwere
der neuen Aufgabe bewußt war, war doch die Stimmung
eine gehobene und zuversichtliche. Galt es doch nach 1/4=
jährigem Stellungskriege wieder einmal in frischem Drauf-
gehen zu zeigen, was Sachsens Söhne leisten konnten, und
die bedrängten deutschen Kameraden aus großer Gefahr
berauszuhauen.
Allerdings wurde die Hoffnung auf geschlossenen wuch-
tigen Einsatz der frischen Sachsen zunächst zunichte. Der
am 21. Juli in Athies eintreffende Brigadekommandeur
fand die bereits eingetroffenen sächsischen Batalllone vom
Infanterieregiment 102 und Jäger 12 schon nicht mehr in
der erhofften Versammlung. Sie waren, wie sie kamen,
an den gefährdetsten Stellen dem durchbrechenden Feinde
entgegengeworfen worden. Durch ihren frischen Gegenstoß
war es ihnen dabei gelungen, die durchbrechenden Franzosen
bei Belloy nicht nur aufzuhalten, sondern wieder ein Stück
zurückzuwerfen, dabei zahlreiche Gefangene zu machen, und
so die gefährdete Lage zu retten.
Ahnlich war das Eingreifen des Infanterieregiments 103
bei Estrées gewesen.
Die sächsischen Truppen sollten jedoch nunmehr ge-
schlossen verwendet werden und wurden der I11. Dibision
zugeteilt, die bisher in der Front Estrées—Soyécourt—Ver-
mandovillers den feindlichen Angriff abgewehrt und nur
wenig Raum verloren hatte, allerdings dabei die gut aus-
gebaut gewesene vorderste Kampfstellung mit dem Stern-
wäldchen vor Vermandovillers. Es war die höchste geit, daß
diese Oivision abgelöst wurde, deren Infanterie die ganze
Wucht der Angriffe mit zäher schlesischer Tapferkeit aus-
gehalten hatte, aber nun aufs äußerste geschwächt und er-
schöpft war. In die Ablösungstage hinein fielen heftige
erneute Angriffe, die von Sachsen und Schlesiern Schulter
an Schulter abgewiesen wurden. Generalmajor Francke
übernahm am 24. Juli das Kommando der Brigade in
Bovent. —
Inzwischen war vom Oberkommando der zweiten Armee,
die unter dem Befehl des soeben als Armeeführer berufenen
Generals v. Gallwitz stand, verfügt worden, daß auch der
Dioisionsstab der 11. Division durch einen sächsischen
Divisionsstab abzulösen sei. Da, wie oben erklärt, ein
solcher beim XII. Armeekorps noch nicht abkömmlich war,
entschied man dahin, die Führung im Abschnitt dem General-
major Francke zu übertragen und ihm einen Divisionsstab zu
diesem Zweck sofort neu zu bilden. Die Brigadeführung über-
nahm Oberst v. Zeschau, bisher Kommandeur vom Infan-
terieregiment 102, welcher am 26. Juli Generalmajor Francke
in Bovent ablöste, worauf dieser nach Morchain in das
Stabsquartier der 11. Division ging und den neuen Dibi-
sionsstab zusammenstellte und organisierte. Die Dioision
erhielt nun die Bezeichnung „Division Francke“, die sie
bis zu ihrer Ablösung und der Rückkehr der sächsischen
Infanterie zu ihren Stammdidisionen am 9. September
behielt. Während dieser Zeit unterstand sie der Gruppe des
Generals v. Quast (Generalkommando IX. Armeekorps)
und in ihr der zweiten Armee v. Galltvitz. —
Die Ausstattung der neuformierten Division war dank der
energischen Fürsorge der zweiten Armee sowohl, als des
XII. Armeekorps, vortrefflich. Die Infanterie erheelt die neu
eingeführten Stahlhelme als erste sächsische Truppe, die sich
auch gleich bei dem dauernden Artilleriefeuer vorzüglich be-
währten. Die gesamte bereits im Abschnitt stehende Artillerie
(darunter die 1. preußische Garde-Feldartilleriebrigade und
10 Mörserbatterien, dabei auch Bayern), — im ganzen
43 Batterien, — sowie alle Hilfswaffen traten ohne wei-
teres zu der Division über. Auch kamen noch einige sächstsche
Formationen dazu, darunter 2 Pionierkompagnien, 1 Sani-
tätskompagnie und 2 Feldlazarette. Als Generalstabsoffizier
wurde Major Körner, als dessen Gehilfe Hauptmann Reich,
bisher Brigadeadjutant, berufen. In der burzen Zeit von
fünf Tagen mußte der neu formierte Stab sich einrichten,
die zahlreichen Geschäftszweige mitten im Kampfe organi-
sieren, — eine im Frieden wohl für unmöglich gehaltene
Aufgabe, die aber dank der trefflichen Auswahl aller Zweig-
vorstände und ihrer hingebenden fieberhaften Arbeit rei-
bungslos gelöst wurde. Am 1. August schon erfolgte die
Ablösung des Stabes der 11. Infanteriedivision und die
vollständige Ubernahme des Dioisionsabschnittes durch Gene-
ralmajor Francke.
Zur Charakterisierung der Kampfaufgabe der Dibision
diene die Skizze 2. Hieraus ist zu ersehen, daß die Didvi-
sion den vorspringenden Bogen unmittelbar am südlichen
Anfang der bisher vom Feinde erkämpften Einbuchtung inne
hatte. Um ihn brandete der Kampf besonders wütend, da
der Gegner alles daran setzte, seinen ausspringenden Bogen
zu erweitern, und diese Ecke nicht nur frontal, sondern auch
von beiden Seiten her flankierend aus den Gegenden von
Lihons und Dompierre unausgesetzt auf das heftigste beschoß.
Seine Artillerie war nicht nur an Zahl, sondern besonders
auch an Munition weit überlegen, ebenso seine Ausrüstung
an Minenwerfern. Tag und Nacht rollte der Kanonen-
donner fast ununterbrochen, und zeitweise so heftig, daß
einzelne Kanonenschläge überhaupt nicht mehr auseinander-
zuhalten waren, und nur die ganz schweren Abschüsse und
Einschläge der größten Kaliber hoben sich etwas über das
allgemeine Getöse heraus.