Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

Dazu kam, daß eine ausgebaute fortlaufende Stellung 
mit Unterständen nicht mehr vorhanden war. Sie war, als 
die Sachsen den Abschnitt übernahmen, bereits verloren ge- 
gangen, und nun galt es, unmittelbar hinter dieser Linie auf 
etwa 100—200 Meter Abstand vom Feinde, neue Ver- 
teidigungsstellungen und Annäherungsgräben herzustellen. 
Die vorhandenen Annäherungsgräben und rückwärtigen Li- 
nien waren durch Artilleriefeuer bereits an vielen Stellen 
eingeschossen und eingeebnet, Unterstände waren bei dem 
bisher üblich gewesenen System wohl in der ersten Linie, 
aber weniger in den rückwärtigen angelegt gewesen. So 
kam es, daß die Truppen größtenteils in offenen Gräben und 
Granattrichtern, ohne Drahthindernisse vor sich zu haben, 
lagen, dem Feuer der Artillerie und der äußerst zahlreichen 
niedrig fliegenden Flugzeuge ausgesetzt. Ein Verkehr bei 
Tage war in den vorderen Stellungen so gut wie ausge- 
schlossen. Erst wenn es dunkelte, begann dieser in größtem 
Maße und hielt bis Tagesanbruch an. Da wurden Ver- 
pflegung (meist kbalt), Wasser, Munition, Stacheldraht, 
Holzrahmen, Post usw. vorgetragen, Verwundete und Tote 
zurückgeschafft, — alles unter dauerndem Artillerie= und 
Maschinengewehrfeuer und oft außerhalb der Gräben, welche 
auf lange Strecken eingeebnet waren. Besonders schwer 
litten die Truppen unter dem Wassermangel. Die Brunnen, 
— alles bis 20 Meter tiefe Ziehbrunnen, — waren fast 
ohne Ausnahme eingeschossen. Zwar wurde Selterswasser 
in Tausenden von Flaschen erst mit Lastautos bis Ablain- 
court vorgefahren, und dann noch 2—3 Kilometer weit zu 
den Truppen vorgetragen. Aber wer weiß, wie wenig davon 
ein Mann tragen kann, vermag sich einen Begriff davon 
zu machen, welche ungeheuren Anforderungen an die Kräfte 
der Truppe allein durch den Trägerdienst erwuchsen. Die 
Regimenter richteten sich Trägerkompagnien ein, welche 
in der Nacht ununterbrochen den Bedarf an allem vor- 
schleppten, und welche dabei nicht weniger Verluste hatten, 
als die eigentliche Kampftruppe. Ebenso schwierig war die 
Zufuhr an Artillerie= und Minenwerfermunition, zu den 
43 zwischen Ablaincourt und Pertain in mehreren Linien 
hintereinander stehenden Batterien und den ganz vorn be- 
findlichen Minenwerfern. Auf der einzigen der ODioision 
zugewiesenen Fahrstraße über Morchain—Pertain rollten 
die Munitionskolonnen von Einbruch der Dunkelheit an 
bis zum Tagesanbruch in ununterbrochener Reihe, nur 
häufig gestört durch einschlagende Geschosse und den Aufent- 
halt, den das Wegräumen der zerschossenen Wagen und 
Pferde und der Umweg um diese verursachte. Besonders 
bei bedecktem Himmel in stockfinsterer Nacht waren diese 
Transporte geradezu schrecklich und vollständig zermürbend. 
— Bei Tage lagen dann die erschöpften Mannschaften in 
ihren Gräben und Granatlöchern, das Gewehr zur Hand, 
wartend, ob im nächsten Augenblick auch bei ihnen eine 
Granate einschlagen, oder der Feind auf sie vorbrechen werde, 
die schwerste Nervenprobe. Dazu herrschte drückende Hitze, 
ein entsetzlicher Leichengeruch, ein quälender Durst und eine 
unerträgliche Fliegenplage. Wahrlich, es war ein Helden- 
tum von gewaltiger Größe, welches die Truppe monate- 
lang an der Somme bewies, wenn sie das alles ertrug und 
dann den nach Trommelfeuer vorbrechenden Feind doch 
zurückschlug. Die Hoffnung auf Sieg und die deutsche 
Tapferkeit und Treue waren damals noch unerschüttert 
und befähigten zur höchsten Leistung. 
Aller vier Tage wurden die vorn liegenden Bataillone ab- 
gelöst. Aber sie tauschten nur die vordersten Gräben gegen 
rückwärtige ein, und nur ein Viertel der Truppen lag in 
sogenannten Quartieren in Morchain und an der Somme 
selbst in Baracken bei Bethincourt. Aber auch diese wurden 
allnächtlich von weitreichender Artillerie und Bombenfliegern 
beschossen. Auch dort waren die Verluste oft hoch, und 
manche Versammlung an den Feldküchen verlief verhängnis= 
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voll für die Soldaten, die sich dort einer nur scheinbar 
größeren Sicherheit und Ruhe zu erfreuen hofften. Die 
weiter vorn gelegenen Orte wie Ablaincourt, Marchélepot, 
Pertain, waren durch das feindliche Artilleriefeuer reine 
Höllen, die auf Umwegen umgangen, oder in Auto und 
Wagen nur in größter Eile durchfahren wurden. 
So war der Zustand dauernd die 50 Tage hindurch, die 
die Division ohne Ablösung in der Front in der Somme- 
schlacht lag, — und in diese hinein fielen mehrere soge- 
nannte Großkampftage, an denen die Franzosen ihre Infan- 
teriemassen zum Sturme ansetzten. Einige Tage Trommel- 
feuer gingen ihnen immer voraus, doch gab es auch 
Trommelfeuerperioden, denen kein Infanterieangriff folgte, 
weil unser Gegenfeuer den Feind schon bei der Versamm- 
lung zerschlagen hatte. Im Laufe dieser geit hat die Divi- 
sion mindestens zehn verschiedene französische Dioisionen 
nacheinander und nebeneinander vor ihrer Front durch 
Gefangenenaussagen festgestellt, deren Angriffe sie abge- 
schlagen hat. 
Von diesen feindlichen Großangriffen seien nun folgende 
besonders herausgehoben. 
Nachdem bereits am 20. und 21. Juli die frisch ein- 
treffenden Regimenter 102, 103 und Jäger 12 in einen 
Großkampf hineingeworfen worden waren, hielten sie, und 
das inzwischen bei Vermandovillers eingesetzte Leibgrenadier- 
regiment 100 bereits am 24. und 25. Juli wieder einen sehr 
heftigen französischen Angriff aus, der besonders stark aber 
erfolglos gegen 103 zwischen Estrées und Soyécourt an- 
stürmte, und bei dem im Abschnitt der rechten Nachbar- 
division das Dorf Estrées selbst verloren ging. 
Der nächste Großangriff erfolgte am 1. und 2. August 
und wurde ebenfalls völlig abgewiesen. Nach ihm wurde 
Regiment 103 durch Regiment 102 und Jäger 12 abge- 
löst, welche bis 20. August noch bei Belloy geblieben waren. 
Jur besseren Ablösung innerhalb der Division und zur 
Förderung des Ausbaus rückwärtiger Stellungen wurde der 
Didision noch am 1. August das preußische Reserve-Infan- 
terieregiment 30 zugeteilt, welches sich ebenfalls gut ge- 
schlagen hat, aber bereits am 20. August wieder abgegeben 
werden mußte. 
Im Abschnitt standen immer drei Regimenter nebeneinander, 
und diese wieder hatten ihre drei Bataillone hintereinander 
liegen, — so daß es möglich war, immer das vierte Regiment 
einige Tage ganz nach rückwärts zu nehmen und sich er- 
holen zu lassen. Freilich mußte auch dieses oft genug nachts 
als Reserve nahe der Front bereitgestellt werden, oder im 
Feuer schanzen. 
Am 14. und 185. August erfolgte bei Estrées und Denié- 
court wieder ein sehr heftiger Angriff zweier frischer fran- 
zösischer Divisionen. Er traf besonders Regiment 102 und 
Jäger 12, die indes ihre Stellungen hielten oder den an 
einigen Stellen vorübergehend eingedrungenen Feind wieder 
binauswarfen. 
Sehr heftig war der französische Großangriff auf die 
ganze Divisionsfront am 21. August, bei dem die in kleine 
Grabenstücke bei Esirées und Soyêcourt eingedrungenen 
Feinde erst am 23. durch Gegenangriff wieder vollständig 
herausgeworfen werden konnten. Hierbei waren über 200 
Franzosen gefangen worden. Diese Gefechte hatte der Führer 
des 10 3. Regiments, Major Kirsten, hauptsächlich mit diesem 
Regiment und Jäger 12 geleitet. Diese Truppenteile er- 
hielten Anerkennungstelegramme vom König. 
Am 25. August begann ein mehrtägiges Trommelfeuer 
auf der ganzen Front, welchem am 31. August abermals ein 
dußerst starker Angriff folgte, der bis zum 4. September 
täglich wiederholt wurde. Besonders erbittert wurde um 
Soyêcourt und den Park von Deniscourt gelämpft. Der 
Heeresbericht meldete vom 31. August unter anderem: Ent- 
schlossene Gegenangriffe sächsischer Regimenter bereiteten
	        
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