Dazu kam, daß eine ausgebaute fortlaufende Stellung
mit Unterständen nicht mehr vorhanden war. Sie war, als
die Sachsen den Abschnitt übernahmen, bereits verloren ge-
gangen, und nun galt es, unmittelbar hinter dieser Linie auf
etwa 100—200 Meter Abstand vom Feinde, neue Ver-
teidigungsstellungen und Annäherungsgräben herzustellen.
Die vorhandenen Annäherungsgräben und rückwärtigen Li-
nien waren durch Artilleriefeuer bereits an vielen Stellen
eingeschossen und eingeebnet, Unterstände waren bei dem
bisher üblich gewesenen System wohl in der ersten Linie,
aber weniger in den rückwärtigen angelegt gewesen. So
kam es, daß die Truppen größtenteils in offenen Gräben und
Granattrichtern, ohne Drahthindernisse vor sich zu haben,
lagen, dem Feuer der Artillerie und der äußerst zahlreichen
niedrig fliegenden Flugzeuge ausgesetzt. Ein Verkehr bei
Tage war in den vorderen Stellungen so gut wie ausge-
schlossen. Erst wenn es dunkelte, begann dieser in größtem
Maße und hielt bis Tagesanbruch an. Da wurden Ver-
pflegung (meist kbalt), Wasser, Munition, Stacheldraht,
Holzrahmen, Post usw. vorgetragen, Verwundete und Tote
zurückgeschafft, — alles unter dauerndem Artillerie= und
Maschinengewehrfeuer und oft außerhalb der Gräben, welche
auf lange Strecken eingeebnet waren. Besonders schwer
litten die Truppen unter dem Wassermangel. Die Brunnen,
— alles bis 20 Meter tiefe Ziehbrunnen, — waren fast
ohne Ausnahme eingeschossen. Zwar wurde Selterswasser
in Tausenden von Flaschen erst mit Lastautos bis Ablain-
court vorgefahren, und dann noch 2—3 Kilometer weit zu
den Truppen vorgetragen. Aber wer weiß, wie wenig davon
ein Mann tragen kann, vermag sich einen Begriff davon
zu machen, welche ungeheuren Anforderungen an die Kräfte
der Truppe allein durch den Trägerdienst erwuchsen. Die
Regimenter richteten sich Trägerkompagnien ein, welche
in der Nacht ununterbrochen den Bedarf an allem vor-
schleppten, und welche dabei nicht weniger Verluste hatten,
als die eigentliche Kampftruppe. Ebenso schwierig war die
Zufuhr an Artillerie= und Minenwerfermunition, zu den
43 zwischen Ablaincourt und Pertain in mehreren Linien
hintereinander stehenden Batterien und den ganz vorn be-
findlichen Minenwerfern. Auf der einzigen der ODioision
zugewiesenen Fahrstraße über Morchain—Pertain rollten
die Munitionskolonnen von Einbruch der Dunkelheit an
bis zum Tagesanbruch in ununterbrochener Reihe, nur
häufig gestört durch einschlagende Geschosse und den Aufent-
halt, den das Wegräumen der zerschossenen Wagen und
Pferde und der Umweg um diese verursachte. Besonders
bei bedecktem Himmel in stockfinsterer Nacht waren diese
Transporte geradezu schrecklich und vollständig zermürbend.
— Bei Tage lagen dann die erschöpften Mannschaften in
ihren Gräben und Granatlöchern, das Gewehr zur Hand,
wartend, ob im nächsten Augenblick auch bei ihnen eine
Granate einschlagen, oder der Feind auf sie vorbrechen werde,
die schwerste Nervenprobe. Dazu herrschte drückende Hitze,
ein entsetzlicher Leichengeruch, ein quälender Durst und eine
unerträgliche Fliegenplage. Wahrlich, es war ein Helden-
tum von gewaltiger Größe, welches die Truppe monate-
lang an der Somme bewies, wenn sie das alles ertrug und
dann den nach Trommelfeuer vorbrechenden Feind doch
zurückschlug. Die Hoffnung auf Sieg und die deutsche
Tapferkeit und Treue waren damals noch unerschüttert
und befähigten zur höchsten Leistung.
Aller vier Tage wurden die vorn liegenden Bataillone ab-
gelöst. Aber sie tauschten nur die vordersten Gräben gegen
rückwärtige ein, und nur ein Viertel der Truppen lag in
sogenannten Quartieren in Morchain und an der Somme
selbst in Baracken bei Bethincourt. Aber auch diese wurden
allnächtlich von weitreichender Artillerie und Bombenfliegern
beschossen. Auch dort waren die Verluste oft hoch, und
manche Versammlung an den Feldküchen verlief verhängnis=
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voll für die Soldaten, die sich dort einer nur scheinbar
größeren Sicherheit und Ruhe zu erfreuen hofften. Die
weiter vorn gelegenen Orte wie Ablaincourt, Marchélepot,
Pertain, waren durch das feindliche Artilleriefeuer reine
Höllen, die auf Umwegen umgangen, oder in Auto und
Wagen nur in größter Eile durchfahren wurden.
So war der Zustand dauernd die 50 Tage hindurch, die
die Division ohne Ablösung in der Front in der Somme-
schlacht lag, — und in diese hinein fielen mehrere soge-
nannte Großkampftage, an denen die Franzosen ihre Infan-
teriemassen zum Sturme ansetzten. Einige Tage Trommel-
feuer gingen ihnen immer voraus, doch gab es auch
Trommelfeuerperioden, denen kein Infanterieangriff folgte,
weil unser Gegenfeuer den Feind schon bei der Versamm-
lung zerschlagen hatte. Im Laufe dieser geit hat die Divi-
sion mindestens zehn verschiedene französische Dioisionen
nacheinander und nebeneinander vor ihrer Front durch
Gefangenenaussagen festgestellt, deren Angriffe sie abge-
schlagen hat.
Von diesen feindlichen Großangriffen seien nun folgende
besonders herausgehoben.
Nachdem bereits am 20. und 21. Juli die frisch ein-
treffenden Regimenter 102, 103 und Jäger 12 in einen
Großkampf hineingeworfen worden waren, hielten sie, und
das inzwischen bei Vermandovillers eingesetzte Leibgrenadier-
regiment 100 bereits am 24. und 25. Juli wieder einen sehr
heftigen französischen Angriff aus, der besonders stark aber
erfolglos gegen 103 zwischen Estrées und Soyécourt an-
stürmte, und bei dem im Abschnitt der rechten Nachbar-
division das Dorf Estrées selbst verloren ging.
Der nächste Großangriff erfolgte am 1. und 2. August
und wurde ebenfalls völlig abgewiesen. Nach ihm wurde
Regiment 103 durch Regiment 102 und Jäger 12 abge-
löst, welche bis 20. August noch bei Belloy geblieben waren.
Jur besseren Ablösung innerhalb der Division und zur
Förderung des Ausbaus rückwärtiger Stellungen wurde der
Didision noch am 1. August das preußische Reserve-Infan-
terieregiment 30 zugeteilt, welches sich ebenfalls gut ge-
schlagen hat, aber bereits am 20. August wieder abgegeben
werden mußte.
Im Abschnitt standen immer drei Regimenter nebeneinander,
und diese wieder hatten ihre drei Bataillone hintereinander
liegen, — so daß es möglich war, immer das vierte Regiment
einige Tage ganz nach rückwärts zu nehmen und sich er-
holen zu lassen. Freilich mußte auch dieses oft genug nachts
als Reserve nahe der Front bereitgestellt werden, oder im
Feuer schanzen.
Am 14. und 185. August erfolgte bei Estrées und Denié-
court wieder ein sehr heftiger Angriff zweier frischer fran-
zösischer Divisionen. Er traf besonders Regiment 102 und
Jäger 12, die indes ihre Stellungen hielten oder den an
einigen Stellen vorübergehend eingedrungenen Feind wieder
binauswarfen.
Sehr heftig war der französische Großangriff auf die
ganze Divisionsfront am 21. August, bei dem die in kleine
Grabenstücke bei Esirées und Soyêcourt eingedrungenen
Feinde erst am 23. durch Gegenangriff wieder vollständig
herausgeworfen werden konnten. Hierbei waren über 200
Franzosen gefangen worden. Diese Gefechte hatte der Führer
des 10 3. Regiments, Major Kirsten, hauptsächlich mit diesem
Regiment und Jäger 12 geleitet. Diese Truppenteile er-
hielten Anerkennungstelegramme vom König.
Am 25. August begann ein mehrtägiges Trommelfeuer
auf der ganzen Front, welchem am 31. August abermals ein
dußerst starker Angriff folgte, der bis zum 4. September
täglich wiederholt wurde. Besonders erbittert wurde um
Soyêcourt und den Park von Deniscourt gelämpft. Der
Heeresbericht meldete vom 31. August unter anderem: Ent-
schlossene Gegenangriffe sächsischer Regimenter bereiteten