Full text: Sachsen in großer Zeit. Band III. Die Kriegsjahre 1916-1918. (3)

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dem sie sich befinden, und daß somit das Bergbaurecht auf 
diese Kohle ein Ausfluß des Grundeigentums ist. Der 
Staat war nun schon vor dem Kriege selbst in großem 
Umfange zum Ankauf von Kohlenfeldern übergegangen. 
Nebenher entwickelten sich jedoch immer stärker sowohl ein 
spekulativer Handel mit kohlenführenden Grundstlücken und 
mit den von dem Grundeigentum abgetrennten Koblen= 
bergbaurechten als auch ein großbändlerisches Bestreben, 
in der mitteldeutschen Braunkohlenindustrie eine Monopol- 
bildung zu erreichen. Diese Erscheinungen hatten in der 
Zweiten Ständekammer den Abgeordneten Hofmann und 
Genossen Anlaß gegeben, zu einem Antrag an die Staats- 
regierung, einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den das 
ausschließliche Recht des Staates eingeführt würde, Kohlen 
aufzusuchen und, soweit der Abbau nicht begonnen hat, zu 
gewinnen, und zwar unter Wahrung der berechtigten Inter- 
essen der Grundeigentümer und unter Bekämpfung aller 
spekulativen Rechtsgeschäfte. Dieser Antrag führte über ver- 
schiedene gesetzgeberische Zwischenstufen himweg zur gesetz- 
lichen Einführung des staatlichen Kohlenabbaurechtes. Die 
Kohle wurde — von den im Gesetz selbst vorgesehenen 
Ausnahmen abgesehen — Lom Verfügungsrecht des Grund- 
eigentümers ausgeschlossen. Die vom Grundeigentum ab- 
getrennten Kohlenabbaurechte erloschen zugunsten des Staates. 
und das Recht, Kohle aufzusuchen und zu gewinnen, er- 
bielt für die Zukunft in dem aus dem Geset sich ergebenden 
Umfange der Staat. Dieser scharfe Eingriff in die Privat- 
rechte der Grundeigentümer und der Inhaber von Kohlen= 
abbaurechten wurde dadurch gemildert, daß für die Grund- 
eigentümer und die Inhaber der erloschenen Kohlenabbau= 
rechte eine im Gesetz selbst nach Art und Umfang bestimmte 
Entschädigung vorgesehen wurde. Das Verfügungsrecht über 
die unterirdische Kohle und über die vom Grundeigentum 
abgetrennten Kohlenabbaurechte steht mithin künftig nur 
dem Staate zu. Damit ist ein Zweifaches erreicht. Erstens 
ist eine für die kohlenbedürftige Industrie Sachsens gefähr- 
liche Monopolbildung der Kohlengewinnung unmöglich ge- 
macht, und zweitens ist die künftige Gewinnung der nicht 
unerschöpflichen Kohlenschätze des Landes in die Hände des 
Staates gelegt, der dabei mehr als die privatwirtschaftlichen 
Betriebe mit ihrer naturgemäß nur auf Erwerb gerichteten 
Tätigkeit auch die Interessen der Allgemeinheit durch haus- 
bälterischen Abbau wahrnehmen kann. 
Neben und mit der Kohle kbommt für die sächsische 
Industrie künftig als zweite große Kraftquelle auch die 
Elektrizität in immer größerem Umfange in Betracht. Auch 
hier leitete der sächsische Staat während der Kriegszeit eine 
weitausgreifende Wirtschaftspolitik ein. Bereits vor dem 
Kriege hatte der Elektroverband der sächsischen Gemeinden 
unter Führung des Dresdner Oberbürgermeisters Geheim- 
rat Dr. Beutler ein auf Zusammenfassung der Elektrizitäts- 
versorgung abzielendes großzügiges Projekt in Bearbeitung 
genommen. Die Grundgedanken dieses Projektes auf- 
nehmend, ging in den Kriegojahren der Staat selbst dazu 
über, sich einen ausschlaggebenden Einfluß auf dem Gebiete 
der Elektrizitätsversorgung des Landes zu sichern. Er be- 
schritt dabei nicht unmittelbar den Weg der Gese= 
gebung, sondern den des Erwerbes und des Ausbaues be- 
stebender privatwirtschaftlicher Anlagen. Das Endziel dieser 
Entwickelung wird, gleichviel ob dabei der durch die Revo- 
lution in den Vordergrund geschobene Gedanke der sogenann- 
ten Sozialisierung breiteren Raum gewinnt oder nicht, darin 
zu erbennen sein, daß nach und nach in Sachsen der Staat 
der Hauptträger der Elektrizitätserzeugung durch staatliche 
Großkraftwerke sein wird, während die Abgabe der Elektrizität 
an die Verbraucher hauptsächlich bei den Kommunalkörpern 
ruben wird. Ob die staatliche Zentralisierung der Elektrizitäts- 
erzeugung auch die weitere Entwickelung und den Ausbau 
der sächsischen Staatsbahnen förderlich beeinflussen wird, 
steht dahin. Im Interesse der sächsischen Volkswirtschaft 
ist es zu hoffen. Im Rahmen der Zeitverhältnisse gewürdigt, 
haben die sächsischen Staatsbahnen auch ihre außerhalb des 
Heeresbetriebes liegenden Aufgaben während des Krieges 
in einer Weise gelöst, die hohe Anerkennung verdient. 
Ausblick in die Zukunft 
Zablreich und tief sind die Eingriffe, die der Krieg in 
das Wirtschaftsleben Sachsens bedingte; aber man muß 
sagen, daß es kein Bild des Niederganges war, was es 
bot. Im Gegenteil: eine volle Anpassung an die Kriegs- 
notwendigkeiten half an den meisten Stellen über das 
Schwere hinweg, und die unvermeidlichen Schäden waren 
fast allenthalben auf das möglichst geringste Maß beschränkt 
geblieben. Dieses Bild wollen wir uns durch die Folge- 
erscheimungen des Jusammenbruchs vom 9. November 1018 
nicht trüben lassen. Daß wir guch wirtschaftlich schließlich 
der gewaltigen Übermacht unserer Feinde erlagen, ändert 
nichts an der beispiellosen Kraftentfaltung, mit der über 
vier Jahre die heimische Volkswirtschaft den Erdrosselungs- 
versuchen der ganzen Welt standhalten konnte. 
Die Zukunft der sächsischen Volkswirtschaft liegt in das 
gleiche Dunkel gehüllt wie die des ganzen deutschen Wirt- 
schaftslebens. Auf allen Gebieten sehen wir uns Zuständen 
gegenüber, die sich noch nicht im entferntesten überblicken lassen. 
Die Übergangswirtschaft wird ausschlaggebend beeinflußt 
werden, von der Art, in welcher sich die durch die Revolution 
zerrütteten heimischen Verhältnisse wieder sichern werden 
und von der Schnelligkeit, in der sich die Neuordnung unserer 
wirtschaftlichen Beziehungen zu den briegführenden und zu 
den neutralen Staaten vollziehen wird. Die Gestaltung der 
Volkowirtschaft Sachsens als eines vorwiegenden Industrie- 
landes wird dabei ganz wesentlich davon abhängen, ob, wann 
und in welchem Umfange die von der sächsischen Industrie 
benötigten Nohstoffe, hauptsächlich Wolle und Baumwolle, 
zu haben sein werden. Diese Entwickelung ist aber nicht nur 
ein Vorgang auf dem Gebiete der Welttoirtschaft, sondern 
auch ein solcher der inneren deutschen Volkswirtschaft, und 
damit der Uberleitung des staatlich geregelten Wirt- 
schaftslebens in die Bahnen des freien Wirtsehaftsverkbehrs. 
Daß das Eingreifen von Reich und Staat in das freie 
Erwerbsleben und in die Rechte der Einzelpersönlichkeiten 
so bald als möglich auf das äußerste Maß eingeschränkt 
werden muß, dürfte keinem Zweifel unterliegen, aber die 
früheren Formen des Wirtschaftsverkehrs werden nicht sofort 
und nicht ausnahmslos wieder vorhanden sein, vor allem 
werden sich die Beschaffung der Arbeitskräfte und die Ein- 
fuhr und Ausfuhr zunächst noch unter mehr oder weniger 
starken Nachwehen des Krieges vollziehen. Für Sachsen 
wird es darauf ankommen, daß bei der für die Zeit 
nach dem Kriege von Reichs wegen geregelten Einfuhr und 
Verteilung von Rohstoffen die sächsische Industrie in einer 
ihrer Eigenart und Bedeutung entsprechenden Weise berück- 
sichtigt wird. Nicht möglich wird es sein, daß alle 
Arbeitskräfte in ihre frühere Beschäftigung zurückbehren 
können. Es wird hier eine gewisse Umschichtung unvermeid- 
lich sein, was sich für die Städte und Bezirke Sachsens mit 
tertilindustrieller Entwickelung im Anfang nachteilig bemerk- 
bar machen wird. Hoffentlich wird es sich hier nur um 
eine vorübergehende Erscheinung handeln. Der Inlands- 
bedarf an Erzeugnissen der Textilindustrie ist nach den Ein- 
schränkungen des Krieges so erheblich, daß beim Vorhanden= 
sein genügender Nohstofse die Tertilindustrie starke Be- 
schäftigung auch in der Zeit haben wird, in der sie sich ihre 
alten Exportgebiete zurück, oder neue dazu erobert. Wenn das 
Schwergewicht der wirtschaftlichen Entwickelung Sachsens 
auch nach dem Kriege zweifellos bei der Industrie liegen 
wird, so entbindet das nicht von der Notwendigkeit, der 
Landwirtschaft in Sachsen die nachhaltigste Förderung an-
	        
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