Full text: Staatsbürgerliche Belehrungen in der Kriegszeit. Band 2. (2)

V. Die Militär-Gesundheitspflege im Kriege 171 
werden. Während neue Verwundete geholt werden, fahren die gefüllten 
Wagen zum Hauptverbandplatz. 
Hier ist inzwischen eine Stätte großen ärztlichen Betriebs fertiggestellt. 
Weithin sichtbar weht die deutsche Flagge neben der Fahne mit dem 
Genfer Kreuz, und eine rote Taterne zeigt nachts den Krankenwagen 
und den marschierenden Derwundeten das ersehnte Siel der Hilfe. Am 
Ausladeplatz der Wagen wird das Gepäck der Derwundeten gelagert 
und geordnet. Ein Arzt leitet die Empfangsabteilung, sichtet und 
verteilt die Ankömmlinge nach Art und Schwere der Derletzung. Er gibt 
Marschfähigen ein weißes, Transportfähigen ein weißrotes, Michttransport- 
fähigeen ein rotweißrotes Wundtäfelchen. Hierauf vermerken die Arzte 
die Derwundung, die geleistete und noch zu leistende Hilfe. Marschfähige 
gehen zum Warteplatz oder gleich zum Leichtverwundeten--Sammelplatz 
(s. o.), Operationsbedürftige kommen zur Derbandabteilung. Da machen 
geübte Arzte feste Transportverbände und unaufschiebbare Operationen; 
heftige Blutungen sind zu stillen; hier ist ein Luftröhrenschnitt, dort eine 
Amputation nötig. or allem aber gilt es, gebrochene Knochen zu schienen, 
eröffnete Körper= und Gelenkhöhlen zu schützen und alles schnell zum Weiter- 
transport vorzubereiten. Oft muß unter den einfachsten und schwierigsten 
Derhältnissen gearbeitet werden: in einer elenden Zütte, im kalten, sturm- 
und regenumtobten Selt, im Bereiche des feindlichen Feuers. Manchmal 
gebricht es an Wasser, manchmal an Feuerung, manchmal an TLagerstroh für 
die Derwundeten. Hunderte drängen heran. Die kkacht bricht ein und erschwert 
trotz aller Acetvlenlampen, Taschen= und Stallaternen Arbeit und Ubersicht. 
Aber an einem fehlt es meist nicht: an einer guten, Hunger und Durst 
stillenden Suppe und an sonstigen ZTkahrungs= und Stärkungsmitteln. Auf 
dem Kochplatze wird dafür gesorgt; Gulaschkanone und andere Koch- 
apparate brodeln, und die Derwundeten, erschöpft durch Anstrengung, Blut- 
verlust und Schmerz, bekommen schnell die ersehnte Labung. Derbunden, 
gestärkt, ausgeruht und mit wohltätigen Schlafmitteln bedacht, können sie 
dann weiter, denn die Kompagnie muß der Truppe folgen und schnell wieder 
verwendungsbereit sein. Der Chefarzt meldet die Dauer ihrer Tätigkeit, Sahl 
und Derbleib der Derwundeten usw.; der Sahlmeister stellt die Derstorbenen 
fest und verwahrt ihre Wertsachen, dann heißt es: einpacken und Marsch! — 
Der Dienst einer Sanitätskompagnie ist besonders schwer im Bewegungs- 
krieg und nach größeren Schlachten. Dann kommt das Hersonal Tage und 
Nächte nicht zur Ruhe. Große Derantwortung ruht auf seiner CTätigkeit, 
denn der erste Verband und Transport entscheiden oft das Schicksal des 
Derletzten. In Seiten der Ruhe wird die Kompagnie zum Krankentransport 
und zur Hilfe in Feldlazaretten herangezogen, wie umgekehrt diese ihre 
Kräfte im Bedarfsfalle der Kompagnie zur Unterstützung schicken. 
c) Das Feldlazarett. 
Dirchow hat einmal gesagt, das öffentliche Urteil über ärztliche Dinge 
hinke den Fortschritten gewöhnlich um 30 Jahre nach. Wer unsere Militär-= 
lazarette lange nicht gesehen hat, würde mit veralteten Vorurteilen gegen
	        
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