II. Die Beziehungen zwischen Deutschland und seinen Verbündeten 39
politisch mit dem Deutschen Reiche zu vereinigen, damit sie ein großes
Wirtschaftsgebiet darstellen, das sich selbst beinahe genügen und schützen
könne gegen die Abschließungsziele der Gegner, diese Gedanken sind alle
schon Jahrzehnte alt.
2. Zunächst nur die Zahlen: Deutschland führte nach Osterreich-Ungarn im
letzten Friedensjahre 1913 aus für 1124 Millionen Mark und führte aus Oster—
reich ein für 848 Millionen Mark. Osterreich bezog 1912 aus Deutschland für
1405 Millionen Kronen und verkaufte ihm für 1212 Millionen. Diese Sahlen
gewinnen aber erst Leben, wenn man die des Gesamthandels daneben stellt.
Der Gesamthandel Deutschlands, Einfuhr und Ausfuhr einmal zusammen-
gerechnet, betrug 1015: 20,7 Milliarden Mark, der Gesamthandel Esterreich-
Ungarns 1012: 6,2 Milliarden Kronen. Damit ist schon etwas Wesentliches
gesagt. Für das deutsche wirtschaftliche Leben ist der Anteil, den Ester-
reich-Ungarn daran hat, zwar wichtig, aber nicht entscheidend; seine Be-
ziehungen zu Rußland, England und den Dereinigten Staaten waren wirt-
schaftlich sehr viel wichtiger. Anders liegen die Dinge bei GOsterreich-Ungarn,
für das Deutschland ein sehr wesentlicher Kunde und Geschäftsfreund ist.
Für uns stand Osterreich-Ungarn in der Ausfuhr dahin an zweiter, in der
Einfuhr daher an vierter Stelle. Dagegen standen wir in der österreichisch-
ungarischen Ausfuhr an erster, in der Einfuhr ebenfalls an erster Stelle.
3. Die Frage, ob diese Beteiligung am Wirtschaftsleben des anderen so
stark gesteigert werden kann, daß sie auch für uns entscheidende Bedeutung
gewinnt, unterliegt nun während des Krieges den Derhandlungen der be-
teiligten amtlichen und interessierten Stellen. Man denkt sich die wirt-
schaftliche Annäherung in der Form einer Union, indem die beiden Staaten
ein gemeinsames Sollgebiet bilden. Dieser Gedanke, früher viel verfochten,
hat heute wenig Anhänger, besonders weil die Industrie Osterreichs und
Ungarns, die jetzt durch SGölle auch gegen die reichsdeutsche geschützt ist,
dem Wettbewerb der deutschen dann nicht gewachsen wäre. Darum ist
die Mehrbeit der Interessenten heute dafür, daß die beiden Staaten sich
gegenseitig begünstigen, was für bestimmte Dinge besonderen Schutz de-s
einen auch gegen den anderen ermöglicht, und daß sie vor allem in den Der-
handlungen über Handelsverträge mit andern gemeinsam vorgeben. Darin
liegt jetzt der Kern der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Reichen
für die JSukunft. Das HSiel muß verfolgt werden, weil heute nicht zwei
Staaten, die politisch so eng verbunden sind und bleiben, wie Deutschland
und Osterreich-Ungarn, wirtschaftlich auch nur unabhängig und selbständig
nebeneinander hergehen können. Denn dazu ist Wirtschaft und Holitik in
ein viel zu enges Derhältnis getreten. In den Friedensjahren hat man
es versäumt, für diese Fragen die Grundlagen zu legen. So muß erst jetzt,
im Drange des Krieges, die Übersicht nachgeblt werden, wie die wirtschaft-
lichen Beziehungen zwischen beiden Staaten einmal liegen und wie sie
sich daraus später gestalten können. Während des Krieges wird es bestimmt
nicht möglich sein und muß es vermieden werden, die Meuordnung dieser
Beziehungen festzulegen. Der Krieg berührt das Wirtschaftsleben so stark, er
gestaltet es so völlig um, er erteilt Lehren, die erst nach dem Kriege zu