Full text: Staatsbürgerliche Belehrungen in der Kriegszeit. Band 2. (2)

II. Die Beziehungen zwischen Deutschland und seinen Verbündeten 59 
einem gewaltigen politischen Faktor rechne, daß er gemeinsame politische 
Interessen zwischen Deutschland und der Türkei sah. Sie bedeuteten noch 
mehr: Kaiser Wilhelm wollte damit sagen, daß er nicht nur die Türkei, sondern 
den vom Sultan als Kalifen geführten gesamten Islam als Bundesgenossen 
anstrebe und gegenüber den Angriffen von England und von Rußland 
verteidigen wolle. Damit eröffnete sich eine Perspektive von ungeheurer 
Weite. Was bedeutet die Tatsache, daß 500 Millionen Menschen Bekenner 
des Islams, der Lehre Mohammeds sind, politischd Man hat dafür das 
Schlagwort vom Hanislamismus und will damit sagen, daß darin eine 
Gemeinsamkeit liege ähnlich dem Hanslawismus oder dem Hanamerika= 
nismus, dem Größer-Britannien oder dem Alldeutschtum. Freilich 
treten wir damit auf ein sehr unsicheres und schwankendes Gelände, 
und wir haben die Hflicht, gerade hier, wo nun die spezifischen poli- 
tischen Beziebungen zwischen Deutschland und der Türkei in Frage 
kommen, uns von Schlagworten nicht blenden zu lassen. In seiner 
weitesten Ausdehnung kann dieser Hanislamismus, dessen Anhänger von 
der Mordwestküste Afrikas bis nach Japan siedeln, schlechterdings keine politische 
Bedeutung haben, und es ist gefährlich, sich in den Fragen der politischen 
Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei von diesen Ausblicken 
leiten zu lassen. Der Weltkrieg hat es auch bereits gezeigt. Weder die Moham- 
medaner Indiens, noch die Hersiens, noch die Mordafrikas sind irgend wie 
für die Türkei und damit für uns in die Wagschale gefallen. Moch schwieriger 
aber ist das Grundproblem des Derhältnisses von Türkentum, was gleich 
ist Osmanentum, und Islam. Wir deuten diese Frage nur an. Das wesentliche 
ist hier dieses: die politische Richtung, die heute die Türkei leitet und mit 
uns verbündet ist, gründet sich auf den nationalen Gedanken, die nationale 
Jdee des Osmanentums, des Türkentums, die das große Reich des Sultans 
geschaffen hat und in allem Susammenbruch und in allen Katastrophen 
zusammenhielt. Man nennt es heute türkischen ationalismus, der sich im 
weltkriege schon in der Aufhebung der sogenannten Kapitulationen, also der 
völkerrechtlichen Ausnahmebestimmungen zugunsten derchristlichen Ausländer, 
und in manchem andern ausgedrückt hat. Diese Richtung, die heute in der 
Türkei herrscht, läßt sich mit dem Hanislamismus im Grundsatz nicht vereinen, 
sondern sie tritt in einen Gegensatz vor allem zu den Arabern, die mit dem 
Türkischen Reiche nur durch das religiöse Zand des Islams und durch die 
auch nicht unbestrittene kirchliche Stellung des Sultans als des Kalifen und 
Nachfolgers von Mohammed verbunden sind. In jedem Fall aber hat der 
Gedanke, wie ihn der deutsche Kaiser feierlich ausgesprochen hat, zu einer 
politischen Derbindung zwischen Deutschland und der Türkei geführt, die 
nun die verschiedenen hier geschilderten Beziebungen zu einem festen Bündnis 
im Kriege ausgedehnt hat. 
II. Aufgaben der Sukunft. 
So stehen wir jetzt Schulter an Schulter mit der Türkei auf Grund 
dieser geschichtlichen Beziehungen. Auch heute noch will uns das alles manch- 
mal nicht ohne weiteres einleuchten, namentlich der entschiedene Gegensatz,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.