334 IV. Buch. Die Erledigung der Staatenstreitigkeiten.
(auch Muster ohne Wert), ohne Rücksicht auf ihren Inhalt; nicht
aber auf Pakete, auch wenn sie mit der Post versendet werden. Sie
macht keinen Unterschied, ob die Schiffe auf offener See angehalten
werden oder in dem Hafen des Kriegführenden sich befinden; in dem
einen wie in dem andern Fall ist jede Durchsuchung oder Beschlag-
nabme unbedingt ausgeschlossen, auch wenn sie lediglich erfolgen
sollte, um festzustellen, ob die Sendungen wirklich nur „echte Korre-
spondenz‘ enthalten. Die Unverletzlichkeit sichert die Briefpostsen-
dungen und ihren Inhalt (auch versandte Wertpapiere) gegen Zerstörung
(Versenkung), Beschlagnahme, Durchsicht. Verletzung begründet Er-
satzpflicht. England hat im Weltkrieg sich um diese Rechtsregela
nicht gekümmert (vgl. Note 16).
b. Das Kriegsschiff (beziehungsweise der Kaper) hat grundsätzlich nur
das Recht der Beschlagnahme; in Ausnahmcfällen aber auch dus der Zerstörung
der Prisen.
Dieses Recht kann selbstverständlich nur auf dem Kriegsschau-
platz im weiteren Sinne (hier heute noch ohne jede räumliche
Begrenzung; oben S. 316), mithin niemals in neutralen Gewässern,
ausgeübt werden. Seine Ausübung vollzieht sich in folgender Weise.
Nachden: das verdächtige Schiff durch einen blinden Schuß (coup
de semonce) zum Anhalten und zur Weisung seiner Flagge aufge-
fordert worden ist, wird es durch eine Abordnung des Kriegsschiffes
besucht, damit die Staalsangehörigkeit des Schiffes und der Ladung
festgestellt werden kann. Ergibt eine Durchsicht der Schiffspapiere,
die sofort auf offener See, nicht erst nach Wegführung in einen
Hafeu des anhaltenden Staates, stattzufinden hat, daß die Voraus-
setzungen der Wegnahme gegeben sind, so wird das Schiff mit Be-
schlag belegt und entweder durch seine eigene Mannschaft oder durch
die Mannschaft des Kriegsschiffes in den nächsten Hafen des. Weg-
nehmenden gesteuert.
“ Da das anhaltende Schiff in Ausübung eines ihm zustehenden
"Rechtes sich befindet, ist der gewaltsame Widerstand des angehaltenen
Schiffe3 rechtswidrig; er kann mit allen Mitteln gebrochen, das sich
widersetzends Schiff in den Grund gebohrt werden. Die Besatzung des
Schiffes kommt in Kriegsgefangenschaft. Die Passagiere, die sich an
dem Widerstande beteiligt haben, können kriegsgerichtlich abgeurteilt
werden; die übrigen sind zu entlassen”). |
17) Vgl. Anlage zur deutschen Prisenordnung (von 1909) vom 22. Juni 1914
(R. G. Bl. 8. 300). Ein Recht zum bewaffneten Widerstand, ja selbst zur Kape-
rung des angreifenden Kriegsschiffes nimmt die englische Literatur allgemein an.
Vgl. Oppenheim, K. Z. VIII 145. Higins, War and the private oitizen.
1012. S. 126. Derselbe, Defensivily-armed merchant ships and submarine
warfare. 1917. — Vgl. oben II3. Ebenso überwiegend die amerikanischen und