III. Anhang. Der Entwurf zum Reichsgrundgesetze. 107
g) Entscheidungen in oberster Instanz über die nach der Ver-
fassung eines jeden Landes zu beurtheilenden Beschwerden
wegen verweigerter oder gehemmter Rechtspflege;
h) Anklagen gegen die Reichsminister oder die Landesminister
durch eines der Häuser des Reichstags, deßgleichen Anklagen
gegen die Landesminister durch die Landstände, wegen der
Verletzung der Reichs= beziehungsweise der Landesgrund-
gesetze. Die Frage wegen Ausdehnung des Anklagerechts
auf andere Fälle bleibt der nähern Bestimmung eines
Reichsgesetzes vorbehalten;
i) Criminalgerichtsbarkeit mit Urtheilsfällung durch Ge-
schworene in Fällen des Hoch- und Landes-Verraths
gegen das Reich, so wie bei Majestätsverbrechen gegen
das ReichsoberzahtB
Der in diesen Fällen dem Reichsoberhaupt zustehenden
Begnadigung muß ein Gutachten des Reichsgerichts voraus-
gehen.
Ausserdem hat das Reichsgericht, auf Erfordern der Reichs-
regierung, wegen angeblicher Verletzung reichsgesetzlich ver-
bürgter Rechte durch Gesetze oder Regierungshandlungen der
einzelnen Staaten Gutachten zu geben.
Die Vollziehung der reichsgerichtlichen Sprüche wird durch
ein Reichsgesetz näher bestimmt.
Artikel IV.
Grundrechte des deutschen Volkes.
§. 25.
Das Reich gewährleistet dem detschen Volke folgende
Grundrechte, welche zugleich der Verfassung jedes einzelnen
deutschen Staats zur Norm dienen sollen:
a) eine Volksvertretung mit entscheidender Stimme bei der
Gesetzgebung und der Besteuerung, und mit Verantwort-
lichkeit der Minister gegen die Volksvertreter;
b) Oeffentlichkeit der Ständeversammlungen;
I) eine freie Gemeindeverfassung auf Grundlage selbstständiger
Verwaltung in Gemeinde-Angelegenheiten;
4) Unabhängigkeit der Gerichte, Unabsetzbarkeit der Richter
ausser nach Urtheil und Recht; Oeffentlichkeit und Münd-
lichkeit des Gerichtsverfahrens mit Schwurgerichten, in