4. Gesetz. Das Versahren bei Ministeranklagen betr. V. 11. Dez. 1869. 143
I. Von der Vorbereitung der Anklage.
S. 1.
Der Antrag auf Erhebung einer Anklage gegen Minister oder
Mitglieder der obersten Staatsbehörde wird in der zweiten Kammer
eingebracht.
Derselbe muß von mindestens zehn Mitgliedern dieser Kammer
unterzeichnet sein und die Thatsachen bestimmt angeben, auf welche
die Anklage gebaut werden soll.
S. 2.
Wird von der Kammer beschlossen, den Antrag in Betracht
zu ziehen, so ist eine Commission von wenigstens sieben Mitgliedern
wählen. Diese ist berechtigt, zur Erhebung des Thatbestandes
rie Mittheilung derjenigen Acten zu verlangen, welche über die
der behaupteten Verschuldung zu Grunde liegenden Thatsachen Aus-
kunft geben.
S. 3.
Sollten anderweite Erhebungen durch vorläufige Einvernahme
dritter Personen nöthig fallen, so hat auf Antrag des einen oder
anderen Theils der Vorstand des 1 Kreisgerichts K der Residenz den
Untersuchungsrichter oder ein anderes Mitglied des Collegiums
damit zu beauftragen. Die Mitglieder der Commission der zweiten
Kammer und der Beschuldigte können der Einvernahme anwohnen.
Gesetz v. 3. März 1879 &+ 7 n. 2: „Landgerichts“.
F. 4.
Der Beschuldigte wird, wenn er auch nicht mehr Mitglied
der obersten Staatsbehörde ist, gleich den Regierungscommissären.
in die Sitzung der Commission eingeladen. Es steht ihm die
Einsicht aller der Commission vorliegenden Actenstücke frei, und er
muß mit seinen mündlichen oder schriftlichen Bemerkungen und An-
trägen gehört werden.
g. 5.
Falls die Commission in ihrem Berichte die Erhebung einer
Anklage beantragt, hat sie den Entwurf einer solchen dem Berichte
beizulegen.
Die Berichterstattung und Verhandlung in der zweiten Kammer
darf nicht in abgekürzter Form, und die Verhandlung nicht früher
als acht Tage nach der Zustellung des Berichtes an den Be-
schuldigten stattfinden.
S. 543.