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Interessen nicht ertragen werden könne. Es sei besser, dies offen auszusprechen,
als sich auf Verhandlungen einzulassen, die, sofern man die formelle Reziprozität
in Betracht ziehen wolle, vielleicht zu ungenügenden Resultaten, voraussichtlich
aber zu gar keinem Ergebnisse führen und in diesem Falle einen weit un—
günstigeren Eindruck zurücklassen würden, als eine einfache Ablehnung aus
materiellen Gründen, deren Erheblichkeit nicht verkannt werden könne.
Von der Mehrheit des Ausschusses war dagegen namentlich geltend gemacht
worden, daß, wenn auch die Gesetzgebung auf diesem Gebiete nicht stillstehen
könne, doch Abänderungen derselben nicht allzu häufig eintreten würden, nachdem
ein gewisses Ziel in dieser Beziehung teils bereits erreicht sei, teils in kurzem
erreicht sein werde. Dies sei namentlich in Bezug auf die Hauptgrundsätze
nicht zu befürchten, in freiheitlicher Richtung nicht, weil die gegenwärtige Gesetz-
gebung des Bundes auf dem Prinzip der Verkehrsfreiheit beruhe; in be-
schränkender Richtung nicht, weil eine solche Umkehr, nachdem einmal der richtige
Weg betreten worden, nicht wohl denkbar sei. Auch könne für den letzteren
Fall die Veränderung oder Aufhebung der Verträge vorbehalten werden. Soweit
es sich aber um unbedeutendere Abweichungen in der Gesetzgebung handle, sei
der davon zu befürchtende Nachteil gering, sofern nur auch in dieser Beziehung
formelle Reziprozität garantirt sei. Es könne ferner auch eine Verabredung in
Erwägung gezogen werden, nach welcher die Abänderungen der Gesetzgebung,
welche in einem der vertragschließenden Teile vorgenommen werden, unter ge-
wissen Modalitäten auch in dem andern unmittelbar zur Geltung kommen
sollen. Eine unbedingte Weigerung, auf Verträge über die Freizügigkeit ein-
zugehen, würde übrigens in den süddeutschen Staaten, bei den Regierungen
wie bei den Bevölkerungen, einen ungünstigen Eindruck hervorbringen und die
Meinung erwecken, daß auf diese Weise eine Pression behufs Erweiterung der
Kompetenz des Zollparlaments geübt werden solle. Sei eine solche Pression
auch nicht beabsichtigt, so würde sie doch thatsächlich eintreten, da nach Ablehnung
der Verträge zur Befriedigung des immer lebhafter hervortretenden Bedürfnisses
einer alle deutschen Staaten umfassenden vollen Freizügigkeit kaum ein anderer
Weg übrig bleiben würde, als der gemeinsamer Gesetzgebung.
Die süddeutschen Anträge blieben im Bundesrat unerledigt.
Eheschließung. Eine baldige Erledigung erheischte die Aufhebung der
polizeilichen Beschränkungen der Eheschließung. Bismarcks Vorlage an den
Bundesrat (März 1868) führte zu dem Gesetz vom 4. Mai 1868 (B.-G.-Bl.
S. 149).
Staatsangehörigkeit. Der hierüber von Bismarck im März 1868
vorgelegte Vertrag mit den Vereinigten Staaten von Amerika vom 22. Februar
1868 fand die Genehmigung des Bundesrats (B.-G.-Bl. 1868 S. 228).
Gewerbeordnung. Eine der wichtigsten Vorlagen an den Bundesrat