6 II. Zur Entstehung des Werkes.
und hat auch nie etwas anderes sein wollen. Er fühlte, ob-
wohl er selbst ein sehr gelehrter Mann war, die Ueberlegenheit
des Genies und beugte sich vor ihm in demüthiger Bewunderung;
mit Zorn und Ekel würde er sich von einem Werke abgewendet
haben, wie es M. Busch nicht zu Ehren, sondern zur Ver-
unglimpfung seines Herrn geschrieben hat. 1) Bis zum Jahre 1893
war das Werk im Wesentlichen abgeschlossen. Die schwere
Krankheit, die den Fürsten im Sommer dieses Jahres in
Kissingen befiel, gab die nächste Veranlassung dazu, das
Manuscript abzusetzen. Doch erschien es ihm selbst noch nicht
druckreif, und so dienten die mit breiten Rändern versehenen
„Fahnen“ als neues Manuscript. Mit größerer Bequemlich-
keit konnte nun der Fürst an die nochmalige Durchsicht gehen,
und sie gab ihm noch oft genug Gelegenheit zu Umänderungen
und Berichtigungen, zur Einfügung politischer Reflexionen, zur
Milderung einzelner Ausdrücke, namentlich dann, wenn es sich
um die Beurtheilung von Persönlichkeiten handelte. Die
Neigung, überall in meliorem partem auszulegen, nahm bei
dem alten Fürsten mit jedem Jahre zu: die Güte seines Herzens
offenbarte sich in den letzten Jahren in der oft überraschenden
Zartheit seines Empfindens. Er wollte bewußt Niemand wehe
thun, und das „littera scripta manet“ bestimmte ihn, in der Be-
urtheilung von Menschen und Ereignissen vorsichtig den Ausdruck
zu wägen, um nicht durch ein „Zuviel“ ungerecht zu werden.
Der Tod Buchers (12. October 1892) hatte die nach-
theilige Wirkung, daß die Zufügung neuer Capitel unterblieb.
1) Ich halte die seit einiger Zeit in der Zeitschrift „Das neue Jahr-
hundert“ veröffentlichten Aufzeichnungen Lothar Buchers über Gespräche
mit Bismarck für apokryph. Nach einer Erklärung des in Wien lebenden
Bruders Lothar Buchers sind Aufzeichnungen irgend welcher Art im Nach-
lasse des Verstorbenen nicht gefunden worden. So lange der Echtheits-
beweis dieser anonym herausgegebenen Bruchstücke nicht in überzeugender
Weise erbracht ist, wird man gut thun, ihre Echtheit zu bezweifeln. — Das
Eintreten des Herrn Joh. Grunow für M. Busch in den „Grenzboten“
1899 Heft 1 ist eine recht bedauerliche Illustration zu dem Satze: virtus
post nummos! Geradezu unwürdig sind die Angriffe auf die Männer, welche
in den letzten Jahren Bismarcks Vertrauen genossen haben. Keiner der-
selben hat es bisher auch nur annähernd gemißbraucht wie Grunows
Schützling.