Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Erster Band. (1)

Auszüge aus den Briefen des Generals v. Gerlach. 121 
  
(Sanssouci,) 15. November 18541). 
... Was Oestreich anbetrifft, so ist mir durch die letzten 
Verhandlungen endlich die dortige Politik klar geworden. In 
meinem Alter ist man von schweren Begriffen. Die östreichische 
Politik ist keine ultramontane (d. h. der Hauptsache nach), ob- 
schon sie den Ultramontanismus nach den Umständen gebraucht, 
wie es sich Se. Majestät construirt; sie hat keine großen Pläne 
von Eroberungen im Orient, obschon sie auch davon etwas 
mitnimmt; sie denkt auch nicht an die deutsche Kaiserkrone. 
Alles das ist viel zu erhaben und wird nur hin und wieder 
als Mittelchen zum Zweck benutzt. Die östreichische Politik ist 
eine Politik der Furcht, basirt auf die schwierige innere und 
äußere Lage in Italien, Ungarn, in den Finanzen, in dem 
zerstörten Recht, in der Furcht vor Bonaparte, in der Angst 
vor russischer Rache, auch in der Furcht vor Preußen, dem sie 
viel mehr Böses zutrauen, als sich irgend Jemand je hier ge- 
dacht hat, und quasi durch dieß Alles gerechtfertigt. Meyen- 
dorff sagt: „Mein Schwager Bliuol) ist ein politischer Hunds- 
sott; er fürchtet jeden Krieg, aber allerdings mehr einen Krieg 
mit Frankreich als mit Rußland.“ Dieses Urtheil ist ganz 
richtig, und diese Furcht ist das, was Oestreich bestimmt.. 
Ich glaube, wenn man betrachtet, daß es immer ein gefähr- 
liches Ding ist, allein zu stehn, daß die Dinge hier im Lande 
so stehen, daß es auch gefährlich ist, sie auf die Spitze zu treiben, 
da weder Flra) Dliavolo) noch —) zuverlässig sind, so scheint 
es mir immer der Klugheit angemessen, Oestreich so weit als 
irgend möglich nachzugehn. Ueber diese Möglichkeit hinaus 
liegt aber jede Allianz mit Frankreich, die wir weder moralisch, 
noch finanziell, noch militärisch ertragen können. Sie wäre 
unser Tod, wir verlören unsern Ruhm von 1813—1815, von 
1) Briefe 2c. S. 119. 
2) Der König.
	        
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