Ministerkrisen und ihr Verlauf. Doppelspiel der Wochenblattspartei. 125
diesem Monarchen nie wieder ein Amt annehmen. Der König
wollte mich zu ihm nach Erxleben schicken; ich rieth davon ab,
weil Alvensleben mir vor kurzem obige Erklärung mit Bitter-
keit in Frankfurt wiederholt hatte. Als wir uns später wieder-
sahn, war seine Verstimmung gehoben, er war geneigt, einer
Aufforderung Sr. Mgcjestät entgegen zu kommen, und wünschte,
daß ich in dem Falle mit ihm eintreten möge. Der König ist
aber mir gegenüber nicht auf Alvensleben zurückgekommen,
vielleicht weil in der Zeit nach meinem Besuche in Paris
(August 1855) eine Erkältung am Hofe, und namentlich bei
Ihrer Majestät der Königin mir gegenüber eingetreten war y.
Graf Pourtalss war dem Könige wegen seines Reichthums
„zu unabhängig“":). Der König war der Meinung, daß arme
und auf Gehalt angewiesene Minister gehorsamer wären. Ich
selbst entzog mich der verantwortlichen Stellung unter diesem
Herrn, wie ich konnte, und söhnte ihn immer wieder mit Man-
teuffel aus, den ich zu diesem Zwecke auf dem Lande (Drahns-
dorf) besuchte 5).
3.
In dieser Situation trieb die Wochenblattspartei, wie sie
auch genannt wurde, ein merkwürdiges Doppelspiel. Ich er-
innre mich der umfangreichen Denkschriften, welche die Herrn
unter sich austauschten und durch deren Mittheilung sie mit-
unter auch mich für ihre Sache zu gewinnen suchten. Darin
war als ein Ziel aufgestellt, nach dem Preußen als Vorkämpfer
Europas zu streben hätte, die Zerstücklung Rußlands, der Ver-
lust der Ostseeprovinzen mit Einschluß von Petersburg an
Preußen und Schweden, des Gesammtgebiets der Republik
Polen in ihrer größten Ausdehnung und die Zersetzung des
1) S. u. S. 176 f.
2) S. u. S. 158.
":) Vgl. die Aeußerung in der Reichstagsrede vom 6. Febr. 1888,
Politische Reden XII 448 f.